Führung durch Bönnigheim Von Verfolgung und Zerstörung

Von Michael Soltys
Lokalhistoriker Kurt Satorius führt durch Bönnigheim. Foto: /Michael Soltys

An historischen Orten erzählte Kurt Sartorius bei einer Führung Geschichten über „Bönnigheim unter dem Hakenkreuz“.

Es waren ergreifende Geschichten, die Kurt Sartorius am Samstag bei einem Rundgang durch die Stadt über die Geschichte Bönnigheims erzählte. Geschichten, die sich in der Zeit zwischen 1933 und 1945 zugetragen haben. „Bönnigheim unterm Hakenkreuz“ so der Titel der Führung zu den historischen Orten jener Zeit, an der zwei Dutzend Interessierte aus Bönnigheim und Umgebung teilnahmen.

Aktualität des Themas

Es ist nicht die erste Führung von Sartorius zu diesem Thema, aber für den Lokalhistoriker ist der Rückblick auf die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hochaktuell. Immerhin sei die NSDAP im Januar 1933 an die Macht gekommen, weil sie demokratisch gewählt worden sei. „Ich fürchte, dass wir in einer Zeit leben, in der wieder Radikale gewählt werden“, sagte Sartorius mit klarem Bezug zur AfD.

Da ist zum Beispiel die Geschichte von Wilhelm Zipperlen, der anlässlich der Mobilmachung zu Beginn des Krieges seinen Mund nicht hielt. „Das geht wieder so aus wie beim letzten Mal“, soll Zipperlen gesagt haben. „Die Kleinen halten den Kopf hin, die Großen lässt man laufen.“ Dafür wurde er denunziert und verhaftet. Man drohte ihm an, ihn ins KZ nach Dachau zu verlegen, Zeppelin wurde krank. Als Strafe wurden ihm 2000 Reichsmark auferlegt, eine enorme Summe. Zum Vergleich: Ein Haus kostete damals 2500 Reichsmark.

Namensvetter Hermann Zipperlen, damals Bürgermeister, weigerte sich 1933 die Hakenkreuzfahne auf dem Bönnigheimer Rathaus zu hissen, er wurde abgesetzt und durch den linientreuen Emil Henne ersetzt. Dieser hatte später die Absicht, den jüdischen Friedhof bei Freudental, der auf Bönnigheimer Markung liegt, einzuebnen und die Grabsteine zu Straßenschotter zu verarbeiten. Zu leiden hatten in dieser Zeit vor allem die Juden aus dem nahen Freudental. Auf die Bönnigheimer wurde Druck ausgeübt, sich nicht mit ihnen einzulassen. Wer es doch tat, musste mit Bloßstellung rechnen. Dass musste eine Bönnigheimerin erfahren, die einen jüdischen Textilhändler im Februar 1937 in ihr Haus am Stadtrand ließ. Der Kreisleiter der NSDAP, ein SA-Standartenführer, und dessen Adjutant überraschen sie, machten ihr das „Undeutsche Ihres Verhaltens“ deutlich und sorgten dafür, dass der Vorfall in der „NS-Rundschau“ veröffentlicht wurde. Wer sich ähnlich wie diese Frau verhielt, wurde als „Judengünstling“ oder „Judenknecht“ abqualifiziert. Ein anderer Bönnigheimer namens Karl Hoffmann, der einem Juden einen Ausweis verkauft hatte, musste dafür ins KZ, wo er im August 1943 starb.

Nicht alle, aber viele dieser Geschichten bezogen sich auf die letzten Tage des Krieges vor fast genau 79 Jahren, am 7. April 1945. Da Bönnigheim auf Befehl des NSDAP-Ortsgruppenleiters verteidigt werden sollte, beschoss die französische Artillerie an diesem Tag die Stadt. Nach der Besetzung durch die Franzosen feuerte die deutsche Artillerie zurück. Etwa 50 Gebäude in Bönnigheim brannten ab, 13 Bewohner kamen ums Leben.

In Brand geriet an diesem Tag auch die Kronenscheune. Im großen Keller hatten 150 Menschen Schutz gesucht, dort waren Betten aufgestellt und Habseligkeiten gelagert. Die beiden Bönnigheimer Ernst Müller und Eugen Dangel, damals 14 Jahre alt, erinnerten sich noch fast 40 Jahre später genau an den schrecklichen Tag. Sie waren als Feuerwehrleute zum Löschen eingeteilt, mussten aber selbst Schutz suchen. Als das Feuer ausbrach, seien die Menschen in Panik geraten und flohen in andere Gebäude. Nahe dem Gasthaus Adler verlor der Bönnigheimer Bäcker Zander sein Leben, der Schutz vor der Artillerie suchte.

Interviews mit Zeitzeugen

Die Geschichten gehen auf Interviews zurück, die Sartorius und andere Mitglieder der Historischen Gesellschaft Bönnigheim 1985 anlässlich des 40-jährigen Endes des Krieges mit Zeitzeugen geführt haben. Und es gibt noch ein anderes Zeitdokument, dass Sartorius zum Abschluss zeigte: Beim Einmarsch in Bönnigheim filmte ein französischer Offizier, auf der Haubitze eines Panzers sitzend, das Geschehen in der Stadt. Über Kontakte in der elsässischen Partnerstadt Rouffach gelang es Sartorius, diesen Film in einem französischen Militärarchiv aufzutreiben. Michael Soltys

 
 
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