Besigheim: Geschichte von Karl Hetterich Ein Gendarm mit Zivilcourage

Von Michael Soltys
Karl Hetterich war in den Kriegsjahren Gendarm in Besigheim. Nach dem Krieg leitete der bekannte Markgröninger bis 1952 die Schäfertanzgruppe in Markgröningen. ⇥ Foto: Stadtarchiv Markgröningen

Fluchthelfer und Befehlsverweigerer: Ewald Anger hat die Geschichte von Karl Hetterich recherchiert.

Ewald Anger ist immer auf der Suche nach historischen Geschichten. Der Gästeführer der Stadt Besigheim erzählt bei seinen Rundgängen gerne von der Person des bekannt-berüchtigten Besigheimer Vogtes Essich oder von den Aufgaben der Türmer und Nachtwächter in früheren Jahrhunderten. Doch auch für die Neuzeit interessiert er sich. Bei der Recherche über die Gestapo in Besigheim für ein Heft des Besigheimer Geschichtsvereins, ist er auf den Gendarmen Karl Hetterich gestoßen.

Hetterich war in den Kriegsjahren als Polizeireservist in Besigheim stationiert. Was ihn für Anger so interessant macht: Hetterich bewies Zivilcourage. Im März 1945 soll er einem Fahnenflüchtigen, dem die Überstellung zur Wehrmacht und damit das Todesurteil drohte, zur Flucht verholfen haben. Im April 1945, also in den letzten Kriegstagen, als die Front bereits Besigheim erreicht hatte, soll er sogar die Einberufungsbefehle des Jahrgangs 1929 verbrannt haben. Das jedenfalls haben Recherchen Angers in den Stadtarchiven von Besigheim und Markgröningen, im Staatsarchiv von Ludwigsburg und die Befragung von Zeitzeugen ergeben.

Stimmt es, was diese Zeitzeugen erzählen, war Hetterich ein Mann, der in der Stadt schnell das Vertrauen der Besigheimer gewann. Für die NSDAP in Besigheim galt das wohl nicht: Auf ihr Betreiben hin wurden dem langjährigen Feuerwehrmann die Ehrenzeichen der Wehr verweigert. Weder wurde er innerhalb der Polizei befördert, noch schickte man ihn auf Lehrgänge, hat Anger herausgefunden.

Die Fluchthilfe für den Fahnenflüchtigen und die Verbrennung der Einberufungs-Dokumente waren geeignet, Hetterich selbst in Lebensgefahr zu bringen. Der Fahnenflüchtige war Anfang März beim Betteln in Löchgau aufgegriffen worden. Am Tag der Übergabe an die Wehrmacht sollte ihn der Gendarm bewachen, als er in einem Holzverschlag beim Gendarmerieposten, der heutigen Bürgerinformation, das Fahrrad des Postenführers putzen musste. Hetterich ging zu einer Besprechung, der Gefangene entkam über den Wehrgang des Rathauses an der Nordseite.

Die Einberufung des Jahrgangs 1929 löste in der Bevölkerung Unruhe aus. Die erst 16 Jahre alten Jugendlichen, denen der Fronteinsatz drohte, vesteckten sich in den Wengerthäuschen im Besigheimer Wurmberg. Honoratioren aus Besigheim und der damalige Postenführer, eigentlich ein linientreuer Mensch, sollen versucht haben, die Soldaten von ihrem Vorhaben abzubringen. Erst Hetterich fand den Mut, die Einberufungsbefehle zu verbrennen, berichten die Zeitzeugen.

Hetterich kehrte nach dem Krieg zurück nach Markgröningen und arbeitete als Textilwerkmeister. Er engagierte sich bei der Feuerwehr und wurde deren Ehrenkommandant. Bis 1952 leitete er die Schäfertanzgruppe. In dieser Rolle sei er bis heute den älteren Markgröningern ein Begriff, erzählte Bürgermeister Rudolf Kürner im Gespräch mit Ewald Anger.

Diese und andere Geschichten verarbeitet Ewald Anger in seiner Gästeführung am Sonntag, 20. Februar, dem Weltgästeführertag.

 
 
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