Ganerbenblätter Bönnigheim Geschichte der Stadtarchitektur

Von Gabriele Szczegulski
In der neuesten Ausgabe der Ganerbenblätter wird die architektonische Geschichte der Innenstadt behandelt. Foto: /Oliver Bürkle

In der neuesten Ausgabe der Ganerbenblätter der Historischen Gesellschaft geht es um das Kirchbergquartier, ein Gebäude in der Hauptstraße und die alte Genossenschaftskelter.

Häuser werden gebaut, Häuser verschwinden und fallen der Vergessenheit anheim. Die Geschichte, auch die der Architektur einer Stadt, zu bewahren und im kollektiven Gedächtnis immer wieder aufzufrischen – das ist die Aufgabe der Ganerbenblätter, die die Historische Gesellschaft Bönnigheims herausgibt. Und der 45. Jahrgang beschäftigt sich vor allem mit dieser Ortskernarchitektur.

Kurt Sartorius, Vorsitzender der Historischen Gesellschaft, erinnert an das Gebäude Hauptstraße 42, das 2016 abgerissen wurde. Es war ein bedeutendes Haus, denn es beherbergte ab 1727 Wohnung und Geschäft des italienischen Händlers Franz Domenico Zanotta. Das Gebäude selbst, so erläutert Sartorius, wurde aber schon früher gebaut. Das Hinterhaus wohl erst 1786, das Vorderhaus bereits 1561. Leider war die Bausubstanz, wie ein Gutachten 2015 bescheinigte, sehr schlecht. Obwohl es ein Baudenkmal war, konnte es nicht erhalten werden. Sartorius bedauert den Verlust und spricht von einer Zahnlücke, obwohl dort ein Neubau entstanden ist.

Interessanter Keller

Weniger um Architektur denn um Archäologie geht es im zweiten Artikel der Ganerbenblätter, um die des Kirchbergquartiers, der sich Dr. Dorothee Brenner und Nasser Ayash angenommen haben. Das kleine Stadtquartier liegt mitten in Bönnigheim um die Cyriakuskirche herum. Die noch stehenden Gebäude sind aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Laut den Autoren war der archäologisch interessanteste Keller der des Gebäudes Schlossstraße 24, aus dem Jahr 1609.

Die Ausgrabungen auf dem Gelände der abgebrochenen Häuser wurden mit einer Sondage untersucht, dabei kam ein noch unbekannter Keller unter dem ehemaligen und abgebrochenen Haus Kirchberg 8 zum Vorschein. Darin, sowie in weiteren Kellern in der Nachbarschaft, wurden an die 24 Nachgeburtstöpfe gefunden, deren Untersuchung sich ja Sartorius seit einigen Jahren widmet. Zudem wurden Anlagen von Entwässerungskanälen entdeckt, die das Gebiet, das am Hang liegt, vor Überflutung schützen sollte. Das Fazit der Archäologen in dem Artikel ist, dass die Besiedlung des Kirchbergareals schon im Spätmittelalter einsetzen und das Gebiet parzelliert wurde. Spätestens im 18. Jahrhundert wurden die Parzellen kleinteiliger, was einer wachsenden Bevölkerung und einer Änderung des sozialtopografischen Gefüges entspricht.

Fokus auf der Kelter

In dem Artikel „Ein Stadtviertel verschwindet“ befasst sich Sartorius mit der Wandlung des Areals Kirchberg, wo ein Haus nach dem anderen verschwunden ist. Viele Fotos, die auch in der Ausstellung „Haus für Haus stirbt dein Zuhause“ im Jahr 1978 im Bönnigheimer Rathaus gezeigt wurden, dokumentieren den Wandel.

Der Fokus dieser Ausgabe der Ganerbenblätter aber legte Kurt Sartorius auf die Geschichte der Genossenschaftskelter. Das Gebäude, so Sartorius, ist Symbol für die lange Weinbaugeschichte Bönnigheims und die wichtige Rolle des Weinbaus für den 1284 zur Stadt erhobenen Weinort. Sartorius Geschichte der Alten Kelter ist so auch eine Geschichte des Bönnigheimer Weinbaus, der vier Keltern, der Gaststätten und der Wengerter. Als der Weinbau zunahm, die Zahl der Wengerter wuchs, wurde der Bau einer Kelter im Ortszentrum notwendig. Schon 1938 wurden erste Pläne gemacht, allerdings verhinderte der Zweite Weltkrieg den Bau.

Am Burgplatz gab es eine alte Turnhalle, die für den Bau der Genossenschaftskelter abgebrochen wurde. Auch die vorhandenen und zu klein gewordenen Liebensteiner und Sachsenheimer Keltern sowie das Bandhaus wurden 1948 abgerissen. Mit einem mächtigen Kelterdach wurde die Kelter auf dem Burgplatz gebaut. 1950 konnte die Kelter eingeweiht werden und wurde als „Schmuckstück neuer Zeit“ bezeichnet. Ab da konnte der gesamte Bönnigheimer Wein hier ausgebaut und gelagert werden.

Widerstand gegen Neubebauung

Bald wurde auch diese Kelter zu klein, 1966 wurde die Kellerei in der Cleebronner Straße gebaut, in die Burgplatzkelter kam ein Edeka-Markt. Seit 2011 wird die Kelter, nach Auszug des Marktes als Lagerraum genutzt. 2019 erwarb die Stadt das Gebäude. Da die Kelter von 1949 kein Baudenkmal ist, wenn auch als erhaltenswürdig eingestuft, ist ihre Zukunft ungewiss. Ein Teil des Bönnigheimer Gemeinderates will sie abreißen für eine Neubebauung des Areals. Dennoch regte sich in der Stadt Widerstand. Die Kelter soll als Versammlungsort, Feierstätte und Kulturhalle erhalten bleiben.

Abgeschlossen werden die Ganerbenblätter durch die Erinnerungen des Bönnigheimers Karl Krieg (1917 bis 2002) an Kriegs- und Nachkriegszeit. Auch eine Chronik des Jahres 2021 von Karin Potthoff ist Teil der Ausgabe.

Genossenschaftskelter und Ganerbenblätter

Das Karlsruher
Institut für Technologie (KIT) trat an den Gemeinderat heran, mit der Idee, dass eine Gruppe Architektur-Studenten im Rahmen eines studentischen Projekts könnten diese die Möglichkeiten der ungenutzten Genossenschaftskelter ausarbeiten. Die Aufwandsentschädigung dafür hätte maximal 5000 Euro betragen, der Bönnigheimer Gemeinderat lehnte dies ab. Daraufhin wandte sich das Institut einem Objekt in der Stadt Wuppertal zu. Das Team unter der Leitung von Dr. Oliver Parodi, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Nachhaltigkeit und Umwelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), gewann mit seinem innovativen Reallabor-Konzept „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ für ein Quartier in Wuppertal den mit 25 000 Euro dotierten Forschungspreis „Transformative Wissenschaft“.

Die 45. Ausgabe
der Bönnigheimer Ganerbenblätter gibt es bei der Historischen Gesellschaft oder im Museum im Steinhaus, Keplerstraße 3, E-Mail: info@museum-im-steinhaus.de.

 
 
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