Hessigheimer Felsengärten Alles begann vor 150 Millionen Jahren im Boden

Von Jonathan Lung
Matthias Hyrenbach (Mitte) erklärte bei der Wanderung „Stein trifft Wein“ den Teilnehmern, wie das Neckartal und die heutigen Weinbergsteillagen entstanden sind. Foto: /Oliver Bürkle

Auf einer Wanderung der Schiller-Volkshochschule wurde anschaulich, wie die Region entstand.

Die Hessigheimer Felsengärten lagen am vergangenen Samstag in voller Mittagssonne da, gewaltig aufgetürmt vor dem Neckartal. Aber was war hier vor Milliarden Jahren? Wie entstand die Landschaft, die die Region heute prägt? Diese Fragen stellten sich am vergangenen Samstag acht Teilnehmer einer Führung der Schiller VHS. Unter dem Motto „Stein trifft Wein“ und angeleitet von Naturführer Matthias Hyrenbach trat man eine Reise in die Natur rund um Hessigheim an – sie führte in die Vergangenheit.

Die ganze Region war vom Meer bedeckt

Denn die Geschichte des Neckartals begann, vor 150 Millionen Jahren, als die ganze Region noch von Meer bedeckt war und sich der Muschelkalk absetzte. Durch Schub- und Druckbewegungen der Erdplatten wurde das Land gestaltet und Deutschland „zerscherte“, es bildeten sich Gräben. Vor 30 Millionen Jahren fand eine Hebung der Erdplatten statt und der Neckar begann in der Region zu mäandern – weil der hier abgelagerte Muschelkalk härter ist als andere Gesteine und einen geraden Fluss erschwerte. Die Flussrichtung des Neckars war anfangs jedoch entgegengesetzt: Erst vor drei Millionen Jahren fand er seine heutige Richtung.

Erste Station der Wanderung war – ein Baum. Im Wald leicht zu übersehen, zeigte aber doch die Messung mithilfe eines Seils für den Umfang, dass er bereits mehr als 200 Jahre dort steht. „Jede Baumart hat einen Wachstumsfaktor“, erklärte Hyrenbach, mit dem sich anhand des Umfangs das grobe Alter schätzen lasse. Für die Eiche ist es 0,8, ihr Umfang betrug 2,5 Meter.

Einst war Deutschland dicht bewaldet – das änderte sich, als der Mensch Ackerbau und Viehzucht zu nutzen begann und den Wald dafür rodete. Heute liegt der Waldbestand noch bei 30 Prozent, im Mittelalter war es eine vergleichbare Zahl – allerdings bei einer weit geringeren Menschenpopulation.

Und schon im Mittelalter bekam der Mensch die negativen Folgen des Abholzens zu spüren: die Auswirkungen der Magdalenenflut, als es 1342 über einen langen Zeitraum regnete, hätte durch bewaldete Flächen abgemildert werden können. Selbst auf die Epidemien des 14. Jahrhunderts hätte ein größerer Baumbestand abmildernd wirken können, so der Naturführer. Und nicht zuletzt auf die Kaltzeit, die Ende des 18. Jahrhunderts, als die eben vermessene Eiche gerade Wurzeln schlug, für Missernten, sozialen Unmut und den Ausbruch der Französischen Revolution sorgte.

Magische Landschaftmit Feuchtgebieten

„Wie verzaubert“ sie er gewesen, als er das Naturschutzgebiet „Unteres Tal“ das erste Mal betrat, gestand der Naturführer bei der nächsten Station: die fast magische Landschaft in dem völlig sich selbst überlassenen Feuchtgebiet, die Pflanzenvielfalt, die Tiere – sogar Wasserschildkröten hatten sich angesiedelt. Auf engen Pfaden ging es durchs Unterholz, bis sich an drei geologischen Fenstern Einblicke in die Erdgeschichte öffnen: Hier zeigten sich an der Steilwand die verschiedenen Ablagerungsschichten des einstigen Meeresbodens. Der Muschelkalk reicht hier 250 Meter tief in den Boden, bevor erst bei 600 Meter Tiefe der sogenannte „Sockel Europas“, bestehend aus verschiedenen Graniten, beginnt.

Nachdem man sich in einem ersten Schritt auf der Wanderung ein Bild von der Landschaft gemacht hatte, sollte in einem zweiten erkundet werden, was sie hervorbrachte: Es gab ein Vesper und eine Wein-Verkostung auf dem Weingut Siggi. Der Hessigheimer Winzer Siegfried Mayer kultiviert vier Hektar Reben, die in den terrassierten Steillagen des Neckartals stehen. In den für Württemberg einzigartigen Muschelkalk- und Lösskeuperböden wurzeln seine 40 bis 50-jährigen Reben aus den Sorten Spätburgunder, Trollinger, Lemberger und Riesling.

Die Weine tragen die Bedeutung des Bodens im Namen

Dabei ist er sich der Bedeutung des Bodens für seine Weine bewusst, sie tragen ihn buchstäblich im Namen: „Riesling Muschelkalk“, „Lemberger Muschelkalk“ oder „Spätburgunder Lösskeuper“. „Den Unterschied schmeckt man“, bestätigte er Hyrenbach, ein Wein aus Keupergestein sei nicht mit einem aus Muschelkalk vergleichbar. So endete der Nachmittag mit dem Wein von den Terrassen, nachdem Millionen von Jahren zuvor die Geologie die Natur geformt hat.

 
 
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