HIV-Beratung im Kreis wegen Corona immer noch geschlossen Sommer der Geschlechtskrankheiten

Von Claudia Mocek
Nach den Lockerungen befürchtet Uschi Traub einen Anstieg der Geschlechtskrankheiten durch ungeschützten Verkehr. ⇥ Foto: pb

Seit einem Jahr ist die Beratungsstelle des Landkreises geschlossen. Der Grund: Personalknappheit durch Corona. „Niederschwellig war das nicht“, sagt Uschi Traub vom Landratsamt.

Eigentlich bietet das Kreisgesundheitsamt regelmäßig anonyme und kostenlose Beratungen sowie Tests zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten an. Doch im März 2020 wurde das Angebot gestoppt. „Aus personellen Gründen wegen des Corona-Geschehens“, heißt es auf der Homepage des Landkreises. „Niederschwellig war das nicht“, gibt Dr. Uschi Traub zu. Die Fachbereichsleiterin Gesundheitsförderung beim Kreis geht davon aus, dass das Beratungsangebot am 4. August wieder starten kann.

Chlamydien, Gonorrhoe, Hepatits, Syphilis und HIV: 600 bis 800 Tests wurden vor Corona pro Jahr bei der Beratungsstelle des Landkreises durchgeführt. Im vergangenen Jahr waren es im Januar und Februar nur 110, berichtet Traub. Auch wenn man zum Beispiel einen HIV-Test für ein paar Euro kaufen könne, „das Schamgefühl ist bei HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten noch sehr hoch“, sagt Traub.

Studien und Befragungen zeigen, dass zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen trotz Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen nicht zum Arzt gehen würden. Während Frauen die regelmäßige Untersuchung beim Gynäkologen noch eher gewohnt seien, gehe kaum ein Mann öfters zum Urologen oder Dermatologen. Deshalb sei ein niederschwelliges Angebot so wichtig, betont Traub. Und ein Test aus der Apotheke könne die Beratung und das weitere Hilfsangebot nicht ersetzen.

Zum Schamgefühl kommt beim Thema Geschlechtskrankheiten ein „großes Konfliktpotenzial hinzu“, sagt Traub. Manche Betroffenen hätten Angst, dass ihre Beziehung dadurch in die Brüche geht. Andere sehen sich aufgrund der Krankheit dazu gezwungen, ihre Homosexualität öffentlich zu machen. Deneben gebe es aber auch Menschen, die offen mit dem Thema umgehen.

Weniger Kontakte

Wie sich die lange Schließung der Beratungsstelle im Kreis künftig auswirken wird, weiß Traub nicht. Hinzu kommt, dass Corona nicht nur zu Personalknappheit bei der Beratung und begrenzten Ressourcen in Laboren geführt hat, sondern auch die Sexualität verändert habe. Das lassen zumindest internationale Untersuchungen vermuten. So ergab laut Traub eine Befragung von 6554 Engländern zwischen 18 und 59 Jahren, dass 30 Prozent in der Krise weniger sexuell aktiv waren als vorher. 15 Prozent gaben an, ein aktiveres Sexleben gehabt zu haben, bei 55 Prozent sei es unverändert geblieben. Traub vermutet, dass es aufgrund geschlossener Clubs und Kneipen weniger Möglichkeiten des Kennenlernens gegeben hat. In bestehenden Partnerschaften sei vielleicht mehr Zeit füreinander geblieben.

Eine norwegische Untersuchung zeige, dass der Anteil an HIV-Infizierungen während der Krise um 20 Prozent zurückgegangen sei. Gleichzeitig seien Krankheiten wie Syphilis (+39 Prozent), Gonorrhoe (+39 Prozent) und Chlamydien (+11 Prozent) gestiegen. „Die Qualität der Treffen hat sich geändert“, vermutet Traub.

Eine Befragung in Deutschland lässt Traub aufhorchen. 44 Prozent gaben an, dass sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung ohne Kondome stattfinden würden. Nach den Lockerungen werde es nun mehr ungeschützten Sex geben, befürchtet sie: „Wir müssen aufpassen, dass es nich zu einem Sommer der Geschlechtskrankheiten kommt.“ Denn nicht nur Corona könne schlimme Folgen haben, betont Uschi Traub. So könnte eine unbehandelte Erkrankung an Chlamydien bei jungen Frauen zu ungewollter Kinderlosigkeit führen. HIV lasse sich mittlerweile zwar sehr gut behandeln, aber nur, wenn es früh erkannt werde. Auch wenn die Zahlen der positiv auf HIV-Getesten im Kreis nicht sehr hoch sind: „Es sind auch die Einzelfälle, die zählen.“

 
 
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