Ingersheim vor 50 Jahren Zusammenschluss von Groß- und Kleiningersheim „ein Erfolg“

Von Jörg Palitzsch
Der Ingersheimer Alt-Bürgermeister Martin Maier an seinem Schreibtisch, in den Händen die Ortsgeschichte der Gemeinde, die zum 1200-Jahr-Jubiläum 1979 erschienen ist. Foto: Martin Kalb

Am 1. Januar 1972 wurde der Zusammenschluss von Groß- und Kleiningersheim vollzogen. Im Interview blickt Martin Maier, der erste gemeinsame Bürgermeister von Ingersheim, auf das Ereignis zurück.

Nach Karl Braun war Martin Maier Ingersheimer Bürgermeister bis 1996. Schon vor dem Zusammenschluss war er seit 1964 in Großingersheim Chef der Verwaltung. Das Zusammengehen von Groß- und Kleiningersheim sei ein Erfolg gewesen, sagte der heute 84-Jährige, auch weil die Bevölkerung in beiden Ortsteilen dahinterstand. Im kleineren Ortsteil habe es zwar kritische Stimmen gegeben, er habe sich dort aber nicht in die inneren Angelegenheiten eingemischt, so Maier im Interview.

Der Zusammenschluss war ein Teil der Gemeindereform, mit der unterschiedliche Entwicklungen in Kommunen abgebaut werden sollten. Wäre der Zusammenschluss auch ohne Reform gekommen?

Martin Maier: Damals wahrscheinlich nicht, aber es wäre nicht ausgeblieben. Irgendwann wäre es, insbesondere für Kleiningersheim, nicht mehr anders möglich gewesen zu existieren. Die Gemeindereform, die größere Einheiten gefordert hat, hat natürlich schon Auswirkungen gehabt. Etwa mit der finanziellen Förderung, weil die Gemeinden keine unerheblichen Zuwendungen zu erwarten hatten, wenn sie sich freiwillig zusammengeschlossen haben. Ende der 1960er Jahre hat man auch nach gemeinsamen Dingen gesucht, etwa in Zweckverbänden, gemeinsamen Schulen oder Kläranlagen. Dabei ist immer wieder die Frage aufgetaucht, ob man jetzt noch einmal etwas Neues gründen soll oder ob man doch gemeinsame Sache machen soll.

Was war dann entscheidend für den Zusammenschluss?

Die Einstellung der Bürger, des Gemeinderates und des Bürgermeisters.

Wobei der Kleiningersheimer Bürgermeister Siegfried Breitling ein Gegner des Zusammenschlusses war. Haben Sie versucht, ihn von den Vorteilen zu überzeugen?

Nein. Ich habe mich in die inneren Angelegenheiten von Kleiningersheim nicht eingemischt.

Warum?

Die Initiative ging vom Landratsamt aus und vom Wunsch der Gemeinderäte, unter der neutralen Leitung des damaligen Landrates Dr. Ulrich Hartmann ein gemeinsames Gespräch zu führen. Dies war praktisch der erste Kontakt zwischen den Gremien, wenn man davon absieht, dass zwei Gemeinderäte aus Kleiningersheim, Gerhard Nägele und Kurt Kofink, mit mir einen lockeren Kontakt hatten, wie man es denn in Großingersheim sieht. Ich habe aber immer gesagt, dies ist zunächst einmal eure Entscheidung. Wollt ihr es? Wir wären der größere Partner, wollen aber nicht vorpreschen. Deshalb müsst ihr von euch aus aktiv werden.

Wie war die Stimmung in der Bevölkerung?

In Großingersheim konnte man annehmen, dass es keine Probleme gibt und der Zusammenschluss eine glatte Sache wird. In Kleiningersheim war sicherlich mit einem gewissen Prozentsatz zu rechnen, die kein Interesse daran hatten. Warum, weiß ich nicht. Es waren eben echte Kleiningersheimer, was nichts Nachteiliges ist.

Man hat dies auch am Ergebnis der Abstimmung über den Zusammenschluss gesehen. 94 Prozent aus Großingersheim dafür, in Kleiningersheim 65 Prozent.

Richtig. In Kleiningersheim hat sich etwa ein Drittel dagegen ausgesprochen, dies waren rund 140 Stimmen. Eine fast identische Zahl hat Helmut Palmer acht Jahre später bei seiner Bewerbung um den Bürgermeisterposten in Ingersheim aus dem Ortsteil Kleiningersheim bekommen. Es ist nichts bewiesen, aber man kann den Schluss daraus ziehen, dass es der gleiche Personenkreis war.

Spielte in Kleiningersheim vielleicht auch die Angst eines Identitätsverlustes mit oder war es reiner Protest?

Es war sicherlich auch die Angst, dass man noch mehr verliert. Also nicht nur die Schule, sondern vielleicht auch, dass sich Vereine neu orientieren, dass man die Verwaltung verliert und den Friedhof sowieso. Alles, was den Menschen wichtig ist und was man eventuell verlieren könnte, war sicher ein Hintergedanke.

Was hat Ihnen damals das Wahlergebnis gesagt?

Die Zahlen sagten ja, dass es in Großingersheim einen großen Zuspruch gab, mehr konnte man nicht erwarten, und auch eine ausreichende Zahl in Kleiningersheim für diesen Zusammenschluss war. Wobei der Kleiningersheimer Bürgermeister als wesentlicher Gegner anzusehen, sein Einfluss im Ort aber nicht sehr groß war. Ich hatte immer den Eindruck, die Kleiningersheimer waren etwas enttäuscht von ihrem Bürgermeister. Auch weil er versprochen hatte, nach seiner Wahl nach Kleiningersheim zu ziehen, er hat es in seiner Amtszeit aber nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Das war sicherlich ein Punkt, der in der Bevölkerung nicht gut ankam.

Wäre es heute schwieriger, einen solchen Zusammenschluss zu vollziehen?

Nein. Ich glaube eher, dass man heute nach noch größeren Lösungen suchen würde.

Also war der Zusammenschluss der beiden Orte letztendlich doch ein Erfolg?

Selbstverständlich, in allen Bereichen. Es hat sich ja in den folgenden Jahren, mit ganz wenigen Ausnahmen, nie eine Differenz ergeben oder eine Situation, wo man hätte sagen können, dies sei nachteilig auf den Zusammenschluss zurückzuführen. Ich habe den Eindruck, dass die Bevölkerung diesen Schritt nach kurzer Zeit komplett akzeptiert hat, zumal man ja weiß, dass der Austausch bei Festen oder Veranstaltungen reibungslos läuft. Ein großer Teil der Großingersheimer geht zu jedem Fest nach Kleiningersheim, die Kleiningersheimer taten sich etwas schwerer, nach Großingersheim zu kommen, aber das hat sich in der Zwischenzeit auch geregelt.

 
 
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