Interview mit Handball-Legende Anna Loerper Abschied ohne Wehmut und Tränen

Von Andreas Eberle
Anna Loerper, Andreas Thiel, HBF-Award Foto: Kevin Hezog/HBF

Anna Loerper genießt einen Legendenstatus, nicht erst seit der Auszeichnung am Samstag mit dem HBF-Award. Im Interview lässt die Ex-Bietigheimerin ihre lange Karriere Revue passieren.

Anna Loerper (36) befindet sich seit Samstag in einem exklusiven Club: Beim Supercup hat die einstige Kapitänin der DHB-Auswahl den HBF-Award für ihre außergewöhnlichen Verdienste um den deutschen Frauenhandball erhalten – als zweite Spielerin überhaupt nach Torhüterinnen-Legende Clara Woltering. Im Interview spricht Loerper über ihre Laufbahn, die besondere Beziehung zu ihrem letzten Verein SG BBM Bietigheim und das neue Leben in Hamburg.

War Ihnen die enorme Wertschätzung, die Sie im deutschen Frauenhandball genießen, bewusst?

Anna Loerper: Ehrlich gesagt hat mich die Ehrung mit dem HBF-Award total überrascht. Obwohl ich dem Vorstand der Liga noch nahestehe, habe ich davon lange gar nichts mitbekommen. Die Auszeichnung hat mich sehr gefreut und dazu gebracht, meine Karriere noch mal Revue passieren zu lassen und über meine Stationen nachzudenken. Das ist eine Anerkennung für das, was ich in den vergangenen fast 20 Jahren erlebt und geleistet habe. 

Ihr letzter Trainer Markus Gaugisch von der SG BBM Bietigheim bezeichnet Sie sogar als Legende.

(lacht) Dabei hat er noch gar nicht so extrem viel Ahnung vom Frauenhandball. Er ist ja erst seit gut einem Jahr Trainer im Frauenbereich – und wir kennen uns auch noch nicht so lange. Wenn das da bei ihm also ankommt, ist das eine große Wertschätzung. 

Haben Sie sich am Samstag bei der Preisverleihung, die ja auch eine Art Verabschiedung war, die eine oder andere Träne verdrücken müssen?

Nein, Wehmut habe ich keine verspürt. Ich habe mich eher gefreut, meine alte Mannschaft und viele Bekannte – ob Fans oder Ehrenamtliche – in der Halle wiederzusehen. Durch Corona waren über viele Monate leider keine Zuschauer zugelassen. Mein Abschied bei der SG BBM war im Mai emotionaler, auch wenn der nur im Mannschaftskreis stattfinden konnte.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, Ihren früheren Mitspielerinnen von der Tribüne aus zuzuschauen und selbst nicht eingreifen zu können?

Der Supercup war mein erstes Frauenspiel als Handball-Rentnerin, davor hatte ich nur einige Männerduelle gesehen. Es kribbelt schon ein bisschen, wenn man so ein Spiel sieht. Ich habe damals mein Hobby zum Beruf gemacht. Natürlich lässt einen der Spaß am Handball dann nicht plötzlich los. Die intensive Vorbereitung und die vielen anstrengenden Trainingseinheiten, die die Mädels jetzt sechs Wochen lang hinter sich bringen mussten, vermisse ich dagegen nicht.

Waren Sie überrascht, wie gut die SG BBM schon in Schuss ist?

Die Dominanz der SG vor allem in der zweiten Halbzeit gegen Dortmund hat mich beeindruckt – gerade wenn man bedenkt, dass die Mannschaft erst seit zwei Wochen komplett trainiert. Aber das Team war schon in der letzten Saison gut. Nur hatten wir bedingt durch Verletzungen und Corona-Ausfälle ein paar Rückschläge zu verkraften. Mit den Verstärkungen ist Bietigheim auch in der Breite sehr gut aufgestellt. Die SG wird auf jeden Fall die gejagte Mannschaft in der Liga sein.

Bestehen noch Kontakte nach Bietigheim?

Mit einigen Spielerinnen habe ich über Jahre zusammengespielt. Daraus sind Freundschaften entstanden, etwa mit Kim (Naidzinavicius) und Antje (Lauenroth). Wir hören regelmäßig voneinander. So bekomme ich weiterhin mit, wie es gerade in Bietigheim läuft. Auch zu Sportdirektor Gerit Winnen habe ich zum Beispiel noch einen guten Kontakt. Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man jederzeit bei seinem alten Verein willkommen ist.

Für welchen Klub haben Sie am liebsten gespielt?

Das ist eine schwierige Frage. Wie wohl man sich bei einem Verein fühlt, kommt immer auch auf die Lebensphase und die Stellung im Team an. Jeder Klub, bei dem ich war, hat mir etwas gegeben. Es gab überall Höhen und Tiefen. Mein großes Ziel, den deutschen Meistertitel, konnte ich mit Bietigheim 2019 endlich erreichen. Die Meisterschaft lag mir schon besonders am Herzen. Das war ein Meilenstein in meiner Laufbahn, an den ich immer gerne zurückdenken werde.

Welchen Moment in Ihrer Karriere würden Sie gern noch mal erleben?

Die letzten drei Jahre in Bietigheim sind mir natürlich noch frisch im Kopf und präsenter. Aber gerade am Anfang meiner Karriere habe ich sehr viel miterlebt, vor allem in der Nationalmannschaft. Damals waren wir bei gleich drei Großereignissen hintereinander im Halbfinale. Das habe ich nicht so bewusst wahrgenommen, weil es ein Stück weit selbstverständlich war. Im Rückblick hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, das besser zu reflektieren und diese besonderen Momente noch mehr zu genießen. Das habe ich erst dann richtig zu schätzen gewusst, als wir mit der DHB-Auswahl plötzlich nicht mehr so erfolgreich waren – und immer versucht haben, an die alten Erfolge anzuknüpfen.

Was wird Ihnen am meisten fehlen?

Zum einen der Wettkampf mit anderen und zum anderen die Gemeinschaft. Der Handball hat mir in meiner Laufbahn viele Werte wie Respekt, Fairplay und Unterstützung für andere vermittelt – und diese Werte sind auch für das gesellschaftliche Leben prägend.

Sie sind mit Ihrem Lebensgefährten und Männer-Nationaltorhüter Johannes „Jogi“ Bitter im Juli nach Hamburg gezogen. Haben Sie sich an der Elbe schon eingelebt?

Es blieb bisher nicht viel Zeit, um hier richtig heimisch zu werden, denn bisher lief unser Leben in Hamburg noch nicht in geregelten Bahnen. Jogi war ja mit der deutschen Nationalmannschaft bei Olympia, darum war ich zunächst allein zu Hause. Nach seiner Rückkehr hat für ihn beim HSV dann gleich der Alltag begonnen mit der Vorbereitung. Wir haben eine tolle Wohnung, in der ich mich sehr wohl fühle. Mein Arbeitsplatz ist ebenfalls super, und Hamburg gehört zu den schönsten Städten Deutschlands. Ich bin ja auch nicht im Blindflug in den Norden gezogen, sondern wusste, was mich dort erwartet.

Haben Sie schon einen Lieblingsort in der Stadt?

Mir gefällt, dass Hamburg so viel Wasser hat und so grün ist – das war bei unserem bisherigen Wohnort Stuttgart ganz anders. An der Alster zu spazieren, ist reine Erholung. Und wenn ich am Stadtstrand in Övelgönne bin, fühlt sich das wie ein Urlaubstag an. Das genieße ich sehr.

Wird man Sie auf der Handball-Bühne, abseits des Felds, noch mal in irgendeiner Funktion sehen?

Das wird sich zeigen. Klar gab es in letzter Zeit mal zum einen oder anderen Verein im Norden Kontakt. Ich sehe mich aber nicht als Trainerin. Darum habe ich diese Option für mich vorerst auch ausgeschlossen. Ich will erst mal beruflich in einem anderen Feld Fuß fassen. In meinem Job bei einem Sportausrüster habe ich noch viele Berührungspunkte mit Handball-Vereinen. Darum wird der Kontakt nicht komplett abreißen. Aber ich denke, dass nach so einer langen Karriere ein bisschen Abstand ganz guttut.

Zur Person

Anna Loerper blickt auf eine außergewöhnliche Karriere zurück. Von 2005 bis 2018 bestritt „Lumpi“ 246 Länderspiele für Deutschland. Zwei Jahre führte sie die DHB-Frauen auch als Kapitänin an. Zu den Highlights zählten Platz drei bei der WM 2007 in Frankreich und die Olympia-Teilnahme 2008 in Peking. Ihre Stationen auf Vereinsebene waren Kempen, Leverkusen, Holstebro (Dänemark), Oldenburg und Metzingen. 2018 wechselte Loerper zur SG BBM. Mit Bietigheim wurde sie 2019 Deutscher Meister und 2021 Pokalsieger, ehe sie sich Ende Mai vom Profisport verabschiedete. In den vergangenen drei Spielzeiten fungierte die zweimalige Handballerin des Jahres als Vertreterin der Spielerinnen im HBF-Vorstand. Seit Juli ist sie beim Sportausrüster Hummel in Hamburg im Marketing tätig und kümmert sich um die Sponsorenakquise.

 
 
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