Interview mit Kim Naidzinavicius von der SG BBM Kapitänin schreibt Königsklasse noch nicht ab

Von Andreas Eberle
Kim Naidzinavicius und die SG BBM hatten gegen Borussia Dortmund (vorne Alina Grijseels) einen schweren Stand. ⇥ Foto: Marco Wolf

Kim Naidzinavicius analysiert im Interview die Gründe für die Bietigheimer Heimpleite im Erstliga-Kracher gegen Dortmund und die Niederlagenserie in der Champions League. Zudem verrät sie, was sie vom neuen SG-Star Danick Snelder hält.

Kim Naidzinavicius geht bei der SG BBM Bietigheim als Kapitänin stets voran und stellt sich auch in unerfreulichen Situationen. Im BZ-Interview spricht die 29-jährige Nationalspielerin über das verkorkste Topspiel am Freitag gegen Dortmund, die verbleibenden Chancen in der Bundesliga und der Champions League – und über die Vorzüge ihrer neuen Teamkollegin Danick Snelder.

Mit zwei Nächten und zwei Tagen Abstand – hat sich Ihr Frust nach der 22:28-Pleite im Gipfelduell gegen Dortmund inzwischen gelegt?

Kim Naidzinavicius: Die Enttäuschung über unsere Leistung ist noch immer riesengroß, und das wird wohl auch noch ein bisschen so bleiben. Wir hatten uns viel vorgenommen und konnten davon leider gar nichts umsetzen.

Was muss sich die Mannschaft nach dem schwachen Auftritt denn konkret ankreiden?

Ich hatte das Gefühl, dass wir zu keinem Zeitpunkt des Spiels richtig da waren. Im Angriff, in der Abwehr, im Tempospiel und im Rückzug war Dortmund besser als wir – und zwar deutlich besser. Wir waren an dem Tag chancenlos und hätten noch ewig spielen können. Es ist uns einfach nichts gelungen. Dass wir in der Abwehr nicht aggressiv waren, hat mich besonders geärgert.

Der BVB ist noch ohne Verlustpunkt und hat jetzt bereits drei Zähler Vorsprung auf die Verfolger aus Bietigheim und Thüringen. Ist im Kampf um die Meisterschaft schon eine Vorentscheidung gefallen?

Das war ein sehr wichtiges Spiel, das kann man nicht wegdiskutieren. Natürlich hoffen wir darauf, dass der BVB gegen einen anderen Gegner patzt. Es ist kein schönes Gefühl, es nicht mehr selbst in der Hand zu haben. Unsere Aufgabe ist es nun, weiterzumachen, zu unserem Spiel zurückzufinden und alle Duelle so gut es geht zu gewinnen. Wenn Dortmund wie in der vergangenen Saison strauchelt, müssen wir da sein. Wenn wir noch eine Chance bekommen, wollen wir sie auch nutzen.

Wie bereits in den vergangenen Jahren bekommt die SG BBM in der Champions League bisher kein Bein auf den Boden. Alle sechs Spiele gingen verloren, darunter vier zu Hause. Was fehlt der Mannschaft zu einem europäischen Topteam?

Das muss man differenziert betrachten. In den ersten Spielen gegen Esbjerg und Metz waren wir klar unterlegen. Gegen Rostov, in Ljubljana und phasenweise auch gegen Bukarest haben wir gezeigt, dass wir mithalten können. Wir hatten mit einigen Verletzungen zu kämpfen und konnten die Kräfte oft nicht richtig verteilen. Gerade zum Ende hin ist uns in vielen Spielen die Luft ausgegangen, während die anderen Mannschaften noch Wechselmöglichkeiten hatten. Wenn wir – mit Ausnahme der noch länger verletzten Karolina Kudlac-Gloc – wieder alle an Bord haben, können wir in den Rückspielen auf jeden Fall noch den einen oder anderen Punkt holen.

Wie sehen Sie die Chancen, in den verbleibenden acht Duellen noch den Sprung auf Rang sechs der Gruppe A zu schaffen und so die K.o.-Runde der Königsklasse zu erreichen?

Wir sind gut beraten, wenn wir da von Spiel zu Spiel schauen. Auch am Samstag in Budapest haben wir wieder eine Chance, etwas Zählbares mitzunehmen. Ein Sieg würde uns Auftrieb für den Wettbewerb geben. Das Weiterkommen haben wir noch nicht abgeschrieben. Wir wissen aber auch, dass es schwer wird.

Könnte Neuzugang Danick Snelder das fehlende Mosaikstück sein, um der Mannschaft international auf die Sprünge zu helfen?

Ich bin begeistert von der Verpflichtung, die dem Verein jetzt noch gelungen ist. Auf der Kreisposition waren wir sowieso nur einfach besetzt. Es ist grandios, dass wir eine Weltmeisterin mit so viel internationaler Erfahrung für uns gewinnen konnten. Ich habe immer ungern gegen Danick gespielt, weil sie in der Abwehr extrem aggressiv ist und da eine sehr gute Ausstrahlung hat.

Ist die Verpflichtung der Kapitänin von Weltmeister Niederlande ein Misstrauensvotum gegen Luisa Schulze, die etatmäßige Kreisläuferin – und gegen Antje Lauenroth, die auf dieser Position bisher sporadisch ausgeholfen hat?

Überhaupt nicht. Wenn man sich sämtliche Kader – international oder selbst in der Bundesliga – anguckt, ist in der Regel jede Position doppelt besetzt. Keine Spielerin kann zweimal die Woche über 60 Minuten ihre Topleistung bringen. Irgendwann kommt jede mal an ihre Grenzen. Ich finde es überragend, wie Luisa die Herausforderung in den letzten Wochen allein gemeistert hat, ohne eine Verschnaufpause zu erhalten. Ich bin mir sicher, dass auch sie froh darüber ist, nun jemanden zur Entlastung an der Seite zu haben, damit auch sie mal regenerieren kann.

Die Heimpartie gegen Dortmund war das vorerst letzte Duell mit Zuschauern. Wie blicken Sie den Geisterspielen im November entgegen?

Es ist sehr schade, dass wir nun im November ohne Zuschauer antreten müssen. Gerade unser Verein hat, auch im internationalen Maßstab, sehr viel investiert, um Hygienekonzepte zu entwickeln. Soweit ich informiert bin, haben die bisher auch optimal funktioniert. Darum muss man den Ausschluss der Fans auch kritisch hinterfragen. Wir können an der Situation aber nichts ändern und müssen uns für die nächste Zeit an Geisterspiele gewöhnen. Etwas Erfahrung haben wir da ja mittlerweile schon.

Macht Handball ohne Fans überhaupt Spaß?

Ja, klar, gerade wenn ich an die Champions League oder an Duelle denke wie gegen Dortmund, bei denen es um viel geht. Aber der Spaß ist nicht annähernd so groß, als wenn Leute in der Halle sind. Wir müssen es darum als Mannschaft schaffen, für eine gute Stimmung zu sorgen. Dann werden wir auch diese Spiele meistern. Aber alle sehnen sich danach, dass wieder Normalität einkehrt.

Am Mittwoch geht es im DHB-Pokal zum FSV Mainz 05. Werden Sie und ihre Teamkolleginnen den noch punktlosen Bundesliga-Vorletzten für die Dortmund-Schlappe büßen lassen?

Ich erwarte von uns eine Reaktion. Wir wollen keinen Zweifel am Weiterkommen aufkommen lassen, ein sehr gutes Spiel abliefern und dann mit viel Selbstvertrauen nach Ungarn fahren.

 
 
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