Noch acht Monate liegen vor Gerd Maisch als Oberbürgermeister der Stadt Vaihingen. Dass er nicht mehr zur Walh antreten wird, hat für ihn auch mit einer Veränderung in der Gesellschaft zu tun, die er ausgemacht hat.
Jahresgespräch mit Vaihingens OB Gerd Maisch „Bis zum Schluss 100 Prozent“
Der scheidende Oberbürgermeister Gerd Maisch hat in seinen verbleibenden Monaten noch einiges vor. Er mahnt zu mehr Zusammenhalt.
Herr Maisch, was dürfen die Bürger noch von Ihnen erwarten?
Gerd Maisch: Wenn man die Aufgabe so versteht wie ich, lässt man es weder auslaufen, noch hatte ich bis jetzt Zeit an die Zeit danach zu denken. Ich arbeite bis zum letzten Tag mit 100 Prozent. Das bin ich der Stadt und den Mitarbeitern schuldig. Wir haben viele Themen in der mittelfristigen Perspektive, die müssen weiter vorangetrieben werden. Und ich gehe zwar formal in den Ruhestand, aber ich behalte meine ehrenamtlichen Mandate bei der Region und im Kreis.
2019 wollten Sie noch Landrat werden, 2021 verkünden Sie Ihr Ende als OB. Was hat sich dazwischen verändert?
Die Arbeit eines OB ist sehr schön, aber auch sehr intensiv. Sie kostet sehr viel Kraft, Beispiel dafür sind die Diskussionen um eine IBA Beteiligung
Sie sind seit 28 Jahren Stadtoberhaupt, zuerst in Tamm, jetzt in Vaihingen. Hat sich die Arbeit als OB grundsätzlich verändert?
Ja, das merkt man an Corona eindeutig. Im März und April 2021 sind noch die gegenseitigen Hilfsangebote aus dem Boden geschossen. Es gab eine Welle des Zusammenhalts. Nach eineinhalb Jahren ist davon nichts mehr übrig. Auch hier in Vaihingen treffen sich jeden Montag auf dem Marktplatz scheinbar ganz zufällig Menschen, die gegen die Corona-Politik demonstrieren. Dieses Auseinanderdriften ist in mehreren Bereichen erkennbar.
Also hat die Pandemie Ihre Entscheidung mit beeinflusst?
Indirekt ja. Corona hat gezeigt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in schwierigen Zeiten nicht so stark ist, wie es nötig wäre. Das wurde dadurch überspielt, dass es uns wirtschaftlich sehr gut ging und wir viele Angebote machen konnten. Wenn aber wie jetzt Einschnitte kommen, ist es schnell vorbei mit dem Zusammenhalt. Ich glaube zwar, dass sich die Corona-Lage im nächsten Jahr dauerhaft stabilisiert. Aber Einschnitte wird es auch in den kommenden Jahren geben, wenn ich beispielsweise auf das Thema Klimaschutz schaue.
Diesem will Vaihingen ja mit einem Klimaschutzmanager jetzt offensiv begegnen.
Genau. Wir haben jemanden gefunden, der diese Stelle ab 1. Februar begleiten wird. Dadurch wird die Aufgabe Klimaschutz noch einmal in einer ganz anderen Qualität in der städtischen Arbeit etabliert.
Mit Blick auf die angespannten Finanzen durch die Pandemie sicher keine leichte Aufgabe. Wie steht es um Vaihingens Haushalt?
Finanziell wird es richtig heftig. 2020 wurde das noch durch die Gelder aus dem Rettungsschirm ausgeglichen. Da haben wir noch ein ordentliches Ergebnis erzielt. Aber 2021 war es bereits deutlich zu spüren. Vielleicht noch nicht unmittelbar, aber wir mussten schon Projekte nach hinten verschieben. Beim Kindergartenausbau hinken wir beispielsweise bereits hinterher, weil wir das Material nicht herbekommen. Ansonsten versuchen wir, unsere Pflichtaufgaben zu erfüllen. Von den beschlossenen Projekten mussten wir bisher keines stoppen. Aber von denen, die wir auf dem Schirm hatten, können wir das eine oder andere vorerst nicht umsetzen. Zum Beispiel ein neues Sportplatzkonzept. Da waren bereits 3 Millionen Euro in der mittelfristigen Finanzplanung eingestellt. Wir haben keine Kunstrasenplätze in der Stadt. Aber das geht im Moment nicht. Aber es war in den vergangenen Jahren nie so, dass wir Projekte umgesetzt haben, die „nice to have“ waren.
Wirklich nicht?
Nein. Auch bei der neuen Sporthalle für zehn Millionen Euro stand im Vordergrund, dass sie für den Schulsport gebraucht wird. Dass die Vereine davon mit profitieren, ist ein positiver Nebeneffekt. Das Thema Fahrradweg, für den wir 2021 den zweiten Abschnitt in Richtung Kleinglattbach und Enzweihingen beschlossen haben, könnte man vielleicht als „nice to have“ bezeichnen. Aber hier spielt natürlich die Verkehrswende eine Rolle. Und über den Radweg wird eine gute Verbindung für die drei großen Stadtteile Kleinglattbach – Vaihingen – Enzweihingen mit 18 000 Menschen geschaffen.
Was sind denn die Pflichtaufgaben für 2022?
Wir verlegen aktuell das Jugendhaus in die Stadtmitte ins Kinder- und Jugendzentrum in unmittelbarer Nähe zu den Innenstadtschulen. Zudem bauen wir weitere Kitas im Zentrum und in Ensingen. Dazu sollen 2022 die Planungen für das Feuerwehrhaus in Roßwag zum Abschluss gebracht werden. Dann sind noch in der Pipeline die Innenstadtgestaltung am Stadtbahnhof. Wir haben da ein attraktives Konzept, das die Aufenthaltsqualität erhöht und eine kleinklimatische Aufwertung darstellt. In Kleinglattbach wird eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Der Bedarf steigt wieder. Dazu wird es eine Machbarkeitsstudie für die Weiterentwicklung der Innenstadtschulen geben. Hier fehlen insbesondere Fachräume. Und ein kleines Baugebiet in Vaihingen mit knapp zwei Hektar wird entwickelt. Hier wollen wir auch das Dauerthema kostengünstiges Wohnen angehen.
Wie geht es bei den Themen Internationalen Bauausstellung IBA und Gartenschau weiter?
Unsere große Aufgabe ist die Gartenschau 2029. Dafür haben wir 2019 bei einer Haushaltsbefragung, bei der 2500 Haushalte geantwortet haben, also 5000 bis 6000 Bürger involviert waren, ein klares Ja mit einer Quote von über 90 Prozent vernommen – und zwar von Gündelbach bis Riet. Dieses Votum wollen wir wahrnehmen. Wenn wir aber die IBA 2027 vorantreiben, würden wir die Leistungsfähigkeit der Stadt so in Anspruch nehmen, dass für die Gartenschau nicht genügend übrig bliebe. Beides wird nicht gehen. Das haben wir als Verwaltung von Anfang an gesagt. Dennoch haben wir eine aufwändige Bürgerbeteiligung durchgeführt. Und der Gemeinderat hat an deren Ende ein klares Votum für die Gartenschau abgegeben. Da geht es auch um die Akzeptanz von Gemeinderatsentscheidungen.