Lilian Egloff vom VfB Stuttgart Wie der VfB sein Toptalent bei den Profis integrieren möchte

Von Gregor Preiß
Gegen den KSC nahm Lilian Egloff (re. neben Silas Wamangituka und Roberto Massimo) erstmals auf der Bank der Profis Platz. Foto: Baumann

Der 17-jährige Lilian Egloff steht beim VfB Stuttgart vor dem Sprung zu den Profis. Doch wie genau dieser Schritt erfolgen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Stuttgart - Lilian Egloff ist seinem Traum wieder ein Stück näher gekommen. Seit kurzem darf der 17-Jährige fest bei den Profis des VfB Stuttgart mittrainieren. Sich mit Hamadi Al Ghaddioui im Toreschießen messen oder mit Holger Badstuber in die Zweikämpfe werfen. Am Sonntag wurde er von Cheftrainer Tim Walter beim 3:0 gegen den Karlsruher SC erstmals für den Profikader nominiert, im Winter hat er die Zusage für die Teilnahme im Trainingslager in Südspanien. Sofern die Schule zustimmt.

Lilian Egloff scheint mit seinen 17 Jahren nah dran an einer Profikarriere. Aber ist er das wirklich? Die Abstände zwischen den Stufen auf der Karriereleiter werden nicht kleiner, je weiter man sie nach oben klettert. Beispiele von Jungstars, die für einen kurzen Moment die große Bühne betreten und wieder verschwinden, gibt es schließlich zuhauf.

Beim VfB hießen die letzten angehenden Profikicker Antonis Aidonis und Leon Dajaku. Der 18-jährige Aidonis hatte vergangene Saison zwei Einsätze in der Bundesliga, die Wirren des Abstiegs samt Neuaufbau beförderten den Griechen fürs Erste zurück zur zweiten Mannschaft. Der ebenfalls 18-Jährige Dajaku, über dessen zahlreiche Schulterklopfer am Trainingsgelände Ex-Trainer Markus Weinzierl die Nase rümpfte, bevorzugte eine Zukunft beim FC Bayern München. Stammspieler in der Drittligamannschaft bei gleichzeitiger Teilnahme am Profitraining lautet Dajakus Status Quo.

Benannt nach einem französischen Weltmeister

Egloff hat nun die inoffizielle Nachfolge des Deutsch-Kosovaren Dajaku angetreten. Als bestes Jungpferd im Stuttgarter Stall, als größtes Versprechen auf eine bessere Zukunft beim Zweitligisten. Jugendtrainer bezeichnen ihn als „den Besten“ seit Jahren. Einer, der klassischerweise „alles mitbringt“.

Der Junge aus Bretzfeld, von seinen Eltern nach dem französischen 98er-Weltmeister Lilian Thuram benannt, verfügt über eine natürliche Fußballbegabung. Ein Zehner mit hohem Fußball-IQ. Ihm gehorcht der Ball am Fuß auch unter größten Drucksituationen, meist hat er den nächsten Spielzug schon vor der Annahme im Kopf. U-19-Trainer Nico Willig sagt über ihn: „Li hat klare Waffen. Und er beherrscht die Basics wie Balleroberung und Zweikampfführung. Das hebt ihn von vielen Jugendspielern ab.“

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Schon früh hat Egloff Altersklassen übersprungen. Was dazu geführt hat, dass der Mittelfeldspieler sich seiner Segnung mit großem Talent durchaus bewusst ist. Egloff weiß, dass er kicken kann. Und hat vielleicht auch deshalb die körperliche Komponente in der Vergangenheit eher mal vernachlässigt. Ein asketischer Lebenswandel wurde ihm jedenfalls nicht nachgesagt, was sein Trainer Nico Willig so kommentiert: „Man muss auch mal was ausprobieren dürfen. Der Junge ist 17!“

Doch jetzt beginnt der Ernst des Fußballlebens. „Mit Lilian gibt es einen klaren Fahrplan. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass er regelmäßig am Training teilnimmt“, sagt VfB-Sportchef Sven Mislintat. Egloff soll „vernünftig herangeführt und aufgebaut“ werden, um irgendwann „vollwertiges Mitglied des Teams“ zu sein.

Große Herausforderungen sind das – für das Talent wie für den Verein, der sich die Jugendarbeit so groß auf die Fahnen geschrieben hat. Für Egloff (Vorbild: Lionel Messi) heißt das: Noch mehr arbeiten, vor allem an seinen athletischen Schwächen und an seinem linken Fuß. Der Verein wiederum muss beweisen, dass er die Königsdisziplin der fußballerischen Ausbildung besser beherrscht als in der Vergangenheit: Den Jungen dauerhaft in die Profimannschaft zu integrieren.

Wie genau das geschehen soll, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten – auch innerhalb des Clubs. Die sportliche Führung hält die dauerhafte Spielpraxis bei der U19 bei gleichzeitigen Trainingseinheiten mit den Profis für den aktuell gangbarsten Weg. Andere fragen sich, ob nicht die Oberliga-Reserve die bessere Zwischenstation sein könnte. Dort ist für Egloff im Moment aber kein Platz vorgesehen, im Gegensatz zu anderen jungen Spielern auf dem Sprungbrett zu den Profis wie Mateo Klimowicz und Tanguy Coulibaly. Die Sorge, die mitschwingt, lautet: Egloff könnte bei den Profis als Feigenblatt für die Nachwuchsarbeit benutzt und verheizt werden. Weil er entweder zu früh ins kalte Wasser geworfen wird oder – was nicht besser wäre – sich für längere Zeit mit dem olympischen Motto begnügen müsste: Dabei sein ist alles.

Egloff und der Vergleich mit Timo Werner

Mahnende Beispiele gibt es genug: Joshua Kimmich konnte es beim VfB nicht schnell genug gehen – er suchte das Weite, weil er nicht den Umweg über die zweite Mannschaft nehmen sollte. Berkay Özcans Entwicklung geriet ins Stocken, als er bei den Profis nur sporadisch zu Einsätzen kam. Und Timo Werner war die Last, die er als 17-Jähriger im Kampf gegen den Abstieg tragen musste, in fast jedem Spiel anzumerken.

Werner war mit 17 Jahren und vier Monaten der jüngste Pflichtspieldebütant in der VfB-Geschichte. Egloff ist 17 Jahre und drei Monate alt. Es ist wie so oft im Sport: Alles eine Frage des richtigen Timings.

 
 
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