Katastrophale Situation in den Kreis-Kliniken Eine lange Zeit der Versorgungsengpässe

Von Gabriele Szczegulski
Covid dominiert gerade die Arbeit in den Kliniken.⇥  Foto: Peter Kneffel

Schon jetzt ist in den RKH-Kliniken laut Klinikleiter Prof. Dr. Jörg Martin eine Priorisierung der Patienten nötig. Er forderte einen „Lockdown der Vernunft“.

Die Lage in den Kliniken Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Markgröningen der RKH-Kliniken spitzt sich zu. Ein Ende des sehr dunklen Tunnels sei nicht in Sicht, so der Leiter der RKH-Kliniken, Prof. Dr. Jörg Martin. In den Kliniken befände man sich derzeit in einem starken Anstieg der Zahl der Covid-Patienten. „Der Anstieg wird zwar in den nächsten Wochen weniger, bleibt aber bis Jahresende steigend“, so die Prognose von Dr. Stefan Weiß, Katastrophenschutzkoordinator und Leiter des Corona-Krisenstabsmanagements in den RKH Kliniken. Am Donnerstag, so sagte er, waren 109 Covid-Patienten in den Kliniken.

Für Covid-Patienten, die auf einer Normalstation, dies sind momentan 68, versorgt werden müssten, werden aufgrund der Isoliersituation in den kommenden Tagen weitere Bereiche auf Stationen vorgesehen, die dann für andere Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen. „ein Covid-Patient auf der normalen Station braucht vor dem Testergebnis zwei Betten, da er alleine in einem Zimmer bleiben muss“, so Weiß.

Unter 20 Covid-Patienten
nur ein geimpfter

Auf den Intensivstationen habe man insgesamt eine Auslastung von 95 Prozent, davon seien 40 Prozent Covid-Patienten. „Im Moment ist unter 20 Patienten nur ein geimpfter Patient und dies mit einem chinesischen Impfstoff, alle anderen sind ungeimpft“, so sagt  Prof. Dr. Götz Geldner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie im RKH Klinikum Ludwigsburg und Koordinator der Versorgungscluster in Baden-Württemberg. Intensivpatienten mit anderen Krankheiten oder nach Operationen würden, so Geldner, jetzt schon in die Orthopädische Klinik Markgröningen verlegt.

„Wir sind jetzt so weit, dass wir priorisieren müssen, wer unbedingt auf Intensiv muss und wer eventuell auf eine Normalstation verlegt werden kann“, sagte Weiß. Jeder Patient, der in die Kliniken komme, werde versorgt, aber: „Es gibt für manche Patienten Einbußen in der Versorgung, wir können dann die gewohnte Standard-Versorgung nicht gewährleisten und stufen auf die Sub-Standard-Versorgung herab“, so Geldner. „Das verlangt uns viel ab“, so Geldner.

Eine lange Zeit der Versorgungsengpässe, „bis Ende des Jahres“, stehe den RKH-Kliniken bevor. Planbare Eingriffe werden wieder nach Einzelfallentscheidung verschoben, patientenfernes Personal werde zur Betreuung von Kranken umgeschult, auch aus administrativen Bereichen. „So ist zwar eine Notfallversorgung gewährleistet, zufriedenstellend ist das nicht“, so Martin. „Die Botschaft ist, Covid sticht alle anderen Krankheiten aus“, so Götz Geldner.

Wie lange bleiben die Mitarbeiter bei der Stange?

Stefan Weiß erklärte aber, eine Triage wie in Katastrophenfällen, wo Patienten unversorgt abgewiesen werden, werde es nicht geben. „Ein Riesenthema ist aber, wie lange halten die Mitarbeiter das noch aus“, so Martin.

Das Problem: Es sei kein Ende in Sicht und viele Mitarbeiter müssten Dinge machen, die sie überforderten oder für die sie nicht eingestellt wurden und die sie nicht tun wollen. „Wie wollen wir diese motivieren, um sie bei der Stange zu halten?“, fragte Martin.

Die von der Ampel-Koalition beschlossenen Boni für Pflegekräfte befürworte er, finde aber, dass auch die Mitarbeiter, wie Reinigungskräfte, Labormitarbeiter oder Physiotherapeuten, die in der Covid-Patienten-Betreuung involviert seien, einen Bonus bekommen sollten. „Denn wir laufen Gefahr, dass auch diese Beschäftigten uns verlassen“.

Nur eine Impfquote von 95 Prozent der Bevölkerung hätte diese Situation verhindern können. „Jetzt hilft uns nur noch ein Lockdown der Vernunft, wenn schon die Politik nicht den Mut zu dieser Entscheidung hat, deshalb appelliere ich, Kontakte einzuschränken, damit nicht noch mehr Patienten zu uns kommen“, sagt Jörg Martin.

 
 
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