Konzert Aus den Tiefen des Undergrounds

Von Jörg Palitzsch
Die Kultband Guru Guru bot in der Kelter ein Mix aus Rock, Funk, Jazz, Weltmusik und Elektronik. Von links nach rechts Keyboarder Zeus B. Held, Bassist Peter Kühmstedt, Mani Neumaier am Schlagzeug und Roland Schaeffer, der neben der Gitarre auch das Blasinstrument Nadaswaram spielte. ⇥ Foto: Werner Kuhnle

Guru Guru hatten in der Kelter mit ihrer Show leichtes Spiel, große Begeisterung auszulösen. Im Zentrum „Elektrolurch“ Mani Neumeier, Enfant terrible der deutschen Rockmusik.

Begeisterung und Erstaunen sind Emotionen, die ein Stück weit auseinanderliegen. Guru Guru gelingt es in jedem Fall, zwischen beidem leicht die Brücke zu schlagen. Zum einen auf der Bühne innerhalb der Band, zum anderen von der Bühne ins Publikum hinein, das am Samstag zum Teil in die Bietigheimer Kelter mit Seniorenrabatt angereist war.

Kein Wunder. Guru Guru mit Mastermind und „Elektrolurch“ Mani Neumeier haben sich seit der Gründung 1968 Jahrzehnte lang gut gehalten und über viele deutsche Krautrockbands hinweggesetzt, deren Bekanntheitsgrad inzwischen so niedrig ist, dass sie sich im nicht mehr messbaren Bereich bewegen.

Von Free-Music bis Hardrock

Zu Beginn waren es bei Guru Guru noch Sounds, die zufällig entstanden, die in Free-Music-Improvisationen mündeten und angesichts ständiger Umbesetzungen mal hin zum Meditativen, mal hin zum Hardrock pendelten.

Irgendwann wurde die Band dann in die Schublade „Krautrock“ gesteckt. Diesen Begriff benutzte vor allem die britische Presse häufig und sollte angesichts der eigenen großen Musikgeschichte signalisieren, dass man Deutschland in den 1970er Jahren als popkulturelles Entwicklungsland einstufte.

Trotzdem machten Guru Guru zusammen mit Acts wie Kraftwerk, Amon Düül, Can und Tangerine Dream „Krautrock“ weltweit zu einem Markenzeichen. In der Bietigheimer Kelter, coronabedingt ein fast schon verboten wirkender Ort, versuchten Guru Guru erst gar nicht, nostalgisch in alte Soundzeiten zu schwelgen. Ganz im Gegenteil.

Repertoire auf der Höhe der Zeit

Die Band bot vor rund 120 Fans einen modernen Mix aus Rock, Funk, Jazz, Weltmusik und Elektronik. Unterschiedliche Genres, die auf einem hohen künstlerischen Niveau zusammengeführt wurden, das Repertoire auf der Höhe der Zeit. Im Zentrum versiert und voller Elan, Schlagzeuger Mani Neumeier, der kurz vor seinem 81. Geburtstag am 31. Dezember, immer noch jedem jüngeren Trommler die Show stiehlt. Mit Zeus B. Held (Keyboard, Synthesizer), der in „Rock ’n‘ Rollmachine“ auch zur Mundharmonika griff, Peter Kühmstedt, der mit seinem Bass wie ein Baum auf der Bühne stand, und Roland Schaeffer, der mit Saxophon, Gitarre und Nadaswaram, ein indisches Blasinstrument, großen Eindruck machte, tauchten Guru Guru immer wieder aus den Tiefen des Undergrounds zu den Höhen moderner Klänge und vielfältigster Spielweisen auf. Eine Verbindung von Können, Energie, Spielwitz und Ideenreichtum, verbunden mit einer begeisternden Show.

Pop lebt vom Erzählen musikalischer Geschichten, Guru Guru kann diese seicht wie ein Vogelbad präsentieren, dann wieder in wilden Songs, die das Quartett durch den Entsafter presst.

Von Höhepunkt zu Höhepunkt

Nach „Dark Blue Star“ und „Iddli Killer“ war die Betriebstemperatur schnell erreicht, Guru Guru eilte von einem musikalischen Höhepunkt zum nächsten. Nach „Digital Analog“, dem „Space Baby“, das wieder in den Weltraum entschwindet, und dem vielschichtigen „Izmiz“ mit Gummischlangenbeschwörung, die sich zu einer echten Rockshow entwickelte, ging es nach einer Pause in die zweite Runde. In „Tribes and Vibes“ spielte der ständig präsente Schaeffer Saxophon und Nadaswaram gleichzeitig, eine Reminiszenz an die Jazz-Vergangenheit der Band. „Rock ’n‘ Rollmachine“ sorgte für Volldampf und war ein Beleg dafür, dass Rock- und Bluesmusik mit all seinen Posen ewig leben wird. Sehenswert auch Neumeiers Solo an den Drum-Kits und die Einlage, als er kniend Blechdeckel und Glocken mit seinen Schlagzeugstöcken bearbeitete.

Nach dem offiziellen Teil wurde in der Kelter lautstark nach einer Zugabe gerufen, es folgte – unvermeidlich – der Underground-Hit „Elektrolurch“, mit dem Mani Neumeier Musikgeschichte geschrieben hat und der ein fester Bestandteil einer jeden Live-Performance von Guru Guru ist. Fast schon philosophisch sein Text am Ende. „Was macht ihr eigentlich, wenn ihr älter seid“, so die Frage von Neumeier, der gleich in voller Lurch-Montur die Antwort gab: „Weitermachen und freut euch des Lebens“. Dies war ein erneuter Weckruf für die Band, die nach dem pochend dampfenden „Incarnation Stomp“ und zwei Stunden Spielzeit das begeisterte Publikum in die regnerische Nacht entließ.

 
 
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