Konzert in Bietigheim Kriwanek-Feeling und viel mehr

Von Jörg Palitzsch
Gitze und seine Band hielten mit ihrem Programm in der Bietigheimer Kelter die Mundart hoch, ein immer stärker verblassender Fleck württembergischer Musikgeschichte. Foto: /Oliver Bürkle

Gitze und seine Band ließen in der Kelter Bietigheim vor einem begeisterten Publikum das Genre „Schwobarock“ wieder aufleben. Neben Klassikern schwäbischer Rock- und Bluesmusik wie den „Badewannen-Blues“, „Es schneielet“, „Reggae di uf“, „Ufo“ und „Stroßaboh“ überzeugten die Musiker auch mit eigenen Songs.

Wenn Gitze auf der Bühne steht, wirkt er nicht wie ein älterer Herr mit zu langen Haaren, sondern wie ein Jungspund, der noch einiges auf Lager hat. Sein „Schwobarock“ hat inzwischen ein Eigenleben entwickelt, das beim Publikum am Freitag in der Kelter bestens ankam.

Man merkte von der ersten Note an, dass der Frontmann mit seiner Band – dem rhythmusverliebten Schlagzeuger Oliver Schmandke, dem exzellenten Gitarristen Göran Jäck, dem bodenständigen Bassisten Werner Müller und dem Keyboarder Helmut Nothum, der alle Tastenläufe und Klangfarben beherrscht – das Live-Gefühl lieben, gerne auch als Solisten ihre Visitenkarte abgeben und nicht ausschließlich nach der schwäbischen Retro-Musik schielen.

Starke Bühnenpräsenz

Als Wolle Kriwaneks Lordsiegelbewahrer bedient sich Gitze zwar beim Songkatalog des 2003 verstorbenen Musikers, das Lebensgefühl der württembergischen Bevölkerung spiegelt sich bei ihm aber ebenso durch eine starke Bühnenpräsenz wider, auch was die sprachliche Härte und Schnelligkeit des Genres angeht.

Eigene Songs wie „Helga“ im Soundkleid von Bad Company und „Wenn i wieder draußa ben“ zu Manfred Mann’s „Davy’s on the Road again“ zeigten ein sicheres Händchen für knackige Arrangements. Vor dem Song „Frisör“ erfuhr das Publikum auch, warum der Frontmann so lange Haare hat. Nachdem er als Jugendlicher „Hair“ in einem Ludwigsburger Kino gesehen hatte, ging er eben nicht mehr zum Frisör und stopfte sich auch sein Hemd nicht mehr in die Hose.

Die Sachen mit den Haaren

Der gebürtige Höpfigheimer, der eigentlich Günter Deyhle heißt, und sich immer auch ein Stück weit gegen das Establishment aufgelehnt hat, kommt viel herum, denn für ihn ist „Ein Leben ohne Musik wie ein Körper ohne Seele“. Mit seinen eigenen Songs, den Songs von Paul Vincent und Kriwanek wirft Gitze trotzdem ein Schlaglicht auf einen immer stärker verblassenden Fleck württembergischer Musikgeschichte.

Dabei war Kriwanek vor allem auch in Bietigheim-Bissingen aktiv. Sein zweites Staatsexamen legte er von 1976 bis 1980 an der „Metter“-Schule (Schule für Lernbehinderte) in der Stadt ab. Er war oft zu Gast im Gasthaus Storchen, wohnte im Giebel des Hauses neben dem Unteren Tor, organisierte die ersten Kunstwochenenden in der Stadt, hob Anfang der 1980er Jahre die Festivalreihe „Rock Around The Enz“ im Bissinger Liederkranzhaus mit aus der Taufe und setzte schließlich, beurlaubt vom Schuldienst, zu einer beachtlichen Musikkarriere an.

Der Blues jener Zeit sagt viel über das Leben von Jugendlichen aus, das oft lustig, für viele aber auch schwierig bis albtraumartig war. Nicht nur Kriwanek erzählte davon, schwäbischen Bands wie Schwoißfuaß und Grachmusikoff betrachteten ihre Landsleute mit ihren Befindlichkeiten ebenso unter dem Brennglas. Gitze und seine Band bewegen sich vollkommen in dieser Tradition ohne beinharte Traditionalisten zu sein. Sie bleiben diesem Blues treu, auch wenn sie ab und an zu anderen Genres wie Rock, Rock 'n' Roll und Reggae wechseln. Verstanden werden sie immer.

Das Publikum als Chor

So jagten Gitze und seine Band nicht nur die Klassiker schwäbischer Rock- und Bluesmusik wie den „Badewannen-Blues“, „Es schneielet“, „Reggae di uf“, „Ufo“ und „Stroßaboh“ über die Rampe in die Kelter, das Publikum wurde immer wieder im Chorgesang mit eingebunden.

Nach über zwei Stunden Spielzeit gab es am Ende laute Zugabe-Rufe und Gitze legte mit Band nochmals richtig nach. Mit dem Liebeslied „Trybguet“ der Schweizer Mundart-Band Patent Ochsner, zu dem er die Mitsing-Zeile „Ich lieb dich mehr als mich“ gedichtet hat, und dem „Rastaman“. Zum Schlussstück „Oiner isch emmer dr Arsch“ von Grachmusikoff gab es tanzende Gäste auf der Bühne, bis sich die Band unter lautem Applaus endgültig verabschiedete. 

 
 
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