Konzert in der Stadtkirche Besigheim Individueller Hörgenuss aus der Orgelwelt

Von Heike Rommel
Ludger Lohmann riss in seinem Konzert in der Stadtkirche das Publikum in den Bann, Foto: /Oliver Bürkle

Professor Dr. Ludger Lohmann begeisterte mit Bach, Raphael, Glasunow, Reger und seinem Lehrer Heiler.

So viele Menschen zusammen in der Besigheimer Stadtkirche und jeder einzelne bekommt sein ganz individuelles Konzerterlebnis: Besser als bei Ludger Lohmann geht es kaum im internationalen Orgelzyklus.

Die Besigheimer bekamen schon einmal einen Vorgeschmack auf sein Preisträgerkonzert – im Juli bekommt er als einer der weltbesten Organisten den Preis der europäischen Kirchenmusik und steht damit mit Pärt, Penderecki, Rilling, Rutter oder dem Leipziger Thomanerchor in einer Reihe.

An den Start mit Bach

Ludger Lohmann, bereits zum vierten Mal in Besigheim, begann mit dem Orgelbüchlein von Johann Sebastian Bach („Durch Adams Fall ist ganz verderbt“). Die vierstimmige Fantasie in c-Moll brachte der technisch perfekte Organist virtuos zu einem Halbschluss, um daraus elegant in die Fuge hinüberzugleiten. Zuhörer, die auf der Empore der Stadtkirche saßen, konnten sehen, dass Lohmann die Orgel wie ein Gentleman behandelt, an welcher er auch noch selber umblätterte.

Mit Günther Raphael hatte sich Ludger Lohmann einen Komponisten ausgesucht, der als sogenannter „Halbjude“ im dritten Reich unterdrückt war und erst spät in seiner Bedeutung erkannt wurde.

Lohmann spielte dessen Variationen über den Basso continuo von Bachs gleichnamigen Orgelchoral gekonnt mal mehr und mal weniger wohlklingend im Wechsel von Konsonanten und Dissonanten.

Gregorianischer Requiem

Viele immer wieder in den Bass gebrachte Variationen gaben den Zuhörern, die das Konzert teilweise mit geschlossenen Augen geradezu in sich aufsaugten, Halt. Wie in sich selbst versunken, konnten sie, bis in die Seele berührt, ihrer Fantasie bei Ludger Lohmanns Orgelmusik vor dem filigranen, spätgotischen Schnitzaltar der Stadtkirche mit ihrer gut klingenden Scharfe-Orgel freien Lauf lassen. So auch bei der „Fantasie“ von Alexander Glasunow: Davon, in diesem gregorianischen Requiem unter rhythmischer Veränderung die Terzen fallen und die Sekunden steigen lassen zu können wie Lohmann, können andere Organisten nur träumen.

Traurig, dramatisch, düster und dann munterer werdend schloss der Weltklasse-Organist knackig mit der Fuge in D-Dur.

Den Weltschmerz plagte Ludger Lohmann bei Max Regers Fantasie und Fuge in d-Moll, für das Auditorium alles andere als leichte Kost. Hier ging der Organist bewusst bis an die Grenzen der Tonalität und zog vom zartesten Pianissimo bis zum donnernden Fortissimo unter einer atemberaubenden Finger- und Fußfertigkeit alle Register. Kurz vor dem Tode des Wiener Organisten Anton Heiler war Lohmann bei diesem zu Besuch. „Das letzte, was er gehört hat, war das Orgelbüchlein von Bach, von mir gespielt“, gab Lohmann Einblick in das Verhältnis zu seinem Lieblingslehrer, bei dem er Privatunterricht hatte.

Beeindruckt von Anton Heiler

Dass Anton Heiler seinen Schüler Ludger Lohmann mehr beeindruckt hat als alle anderen Lehrer, war in der Stadtkirche aus Heilers Partita „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ herauszuhören.

Wie versprochen entschädigte Lohmann das Publikum mit Dur-Akkorden für harte Dissonanzen und arbeitete die Pointen im ersten Satz brillant heraus. In den teilweise kanonal angelegten Variationen nahm er seine Zuhörer mit in die Zwölftonmusik, um mit einer Art Toccata ins Finale zu gehen, was in Besigheim mit frenetischem Applaus für den exzellenten Interpreten von Orgelwerken belohnt wurde. Ludger Lohmann ist übrigens nicht nur konzertant unterwegs.

Er sieht es als seine Aufgabe an, seine pädagogische Arbeit gleichberechtigt neben seine Konzerttätigkeit zu stellen und hat schon viele erstklassige Musiker hervorgebracht. Heike Rommel

 
 
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