Kreis Ludwigsburg Ärger wegen Erstaufnahmestelle

Von unserer Redaktion
Auf der unbebauten Fläche könnte bald eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge entstehen. Sie grenzt an das Tammerfeld (oben), Tamm (links) und Asperg an. Foto: /Martin Kalb

Das Land überlegt auf einem Gebiet zwischen Tamm, Asperg und Ludwigsburg eine Einrichtung für mindestens 1000 Flüchtlinge zu bauen und erntet Unverständnis der Bürgermeister aus Tamm und Asperg. Sie waren erst nach dem Ludwigsburger OB informiert worden, obwohl die Erschließung des Gebiets nur über ihre Kommunen möglich ist.

Wir wissen von gar nichts.“ Martin Bernhard und Christian Eiberger, die Bürgermeister der Städte Tamm und Asperg, sind wütend. Grund ist der Plan des Landes, auf einem Grundstück im Gebiet „Schanzacker“ eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) zu errichten. Das Justizministerium teilte am Mittwoch mit, dass man ergebnisoffen prüfen wolle, ob dort eine LEA angesiedelt werden könne.

Mindestens 1000 Flüchtlinge würden die Pläne vorsehen. Wütend macht die beiden Bürgermeister vor allem, dass sie überhaupt nicht vom Land informiert, geschweige denn in den bisherigen Prozess dazu eingebunden wurden. Am Montagabend hätten Landrat Dietmar Allgaier und der Ludwigsburger Oberbürgermeister bei einem Termin vom Justizministerium von den Plänen erfahren. „Wir glauben Knecht, dass er vorher auch nichts wusste“, sagt Eiberger. Erst am Dienstag wurden die beiden Bürgermeister der umliegenden Städte informiert.

Bahntrasse trennt ab

Das fragliche Areal ist unbebaut, gehört zu einem Großteil dem Land und liegt südwestlich vom Tammerfeld. Es gehört zwar zur Stadt Ludwigsburg, ist aber durch eine Bahntrasse vom Restgebiet der Kommune abgeschnitten. Es ist praktisch eine Enklave in Asperg. „Erreichbar ist das Gelände nur über Asperg und Tamm“, sagt Eiberger. Die beiden Rathauschefs ärgert deshalb das Vorgehen des Justizministeriums besonders. „Wir beide glauben, dass Politik nur mit Ehrlichkeit funktioniert“, bemängelt Bernhard das intransparente Vorgehen des Ministeriums.

Die beiden sind grundsätzlich nicht gegen solche Einrichtungen wie die LEA, aber fragen sich schon, warum gerade diese Stelle dafür in den Fokus rückt. „Wir sind im Landkreis die am dichtest bevölkerten Kommunen“, sagt Eiberger. Und auch Bernhard erklärt, dass durch eine Einrichtung mit tausenden Flüchtlingen gerade auf die beiden Städte besondere Herausforderungen zukämen. „Welche Feuerwehr ist zuständig? Ludwigsburg dürfte zu weit entfernt sein. Wie kommen überhaupt Fahrzeuge dorthin? Das müsste über das Gelände des VfB Tamm geschehen, der ohnehin schon am Rande der Kapazität ist“, sagt Bernhard.

Akzeptanz gefährdet

Beide sehen die Gefahr, dass durch das Vorgehen des Ministeriums die Akzeptanz von Anfang an stark gefährdet ist. Sie weisen auf fehlende Kita-Plätze hin, auf das vorbildliche Engagement der Flüchtlingshelfer in ihren Städten. All das funktioniere derzeit noch, verkrafte aber ohne weitere Hilfen keine zusätzliche Einrichtung. Für die Bürgermeister ist nicht nachzuvollziehen, welche Strategie hinter dem Vorgehen des Ministeriums steckt. „Wir sind die vor Ort, die es erklären müssen, haben aber keine Information“, sagt Eiberger.

Als Nächstes wollen die Bürgermeister eine gemeinsame Sitzung der Gemeinderäte anberaumen, um dann noch klarer Stellung beziehen zu können. Auf die Schnelle konnten die Gremien zwar informiert werden, wie sich die Städte nun aber positionieren – möglich wären etwa die Ausschöpfung rechtlicher Mittel wie ein Normenkontrollantrag – müssten erst die Gemeinderäte festlegen.

Knecht war nicht überrascht

Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht hat „vollstes Verständnis dafür, dass das Land einen Riesenbedarf an Unterbringungsmöglichkeiten“ für Geflüchtete hat und dafür freie Flächen sucht. Daher habe ihn die Information nicht überrascht oder schockiert. Gemeinsam mit Landrat Dietmar Allgaier sei er am Montagabend informiert worden. Die Bürgermeister aus Tamm und Asperg am Dienstagvormittag. Dass das Ministerium nicht alle gleichzeitig informiert habe, sei „unglücklich“, sagt Knecht. Dennoch habe es keine Vorzugsbehandlung von Ludwigsburg gegeben.

Der angedachte Standort auf der Gemarkung in Ludwigsburg tangiere aus Ludwigsburger Sicht das Gewerbegebiet Tammer Feld und die Nutzung des Breuningerlands. Ihm sei klar, dass Tamm und Asperg mit ihrer Wohnbebauung stärker betroffen seien als Ludwigsburg. Doch Knecht verweist auch auf das LEA-Privileg: Die Anzahl der Geflüchteten in einer Erstaufnahmestelle werde den jeweiligen Kommunen gut geschrieben.

Dieses Anrechnung solle nicht nur Ludwigsburg zugute kommen, sondern anteilig auch Tamm und Asperg, sagt Knecht: „Landrat Allgaier und ich sind für ein faires Miteinander“, sagt er, aus dem Justizministerium seien dazu auch schon positive Signale gekommen. Das Privileg bewertet Knecht als „extrem positiv und fast schon als Befreiungsschlag“. Es werde die Kommunen davon befreien, Turnhallen mit Geflüchteten zu belegen und den Vereinen damit die Übungsstätten wegzunehmen.

Der Ludwigsburger OB hofft außerdem, dass die schnelle Bereitschaft, eine Erstaufnahme zu bauen, vom Land auch finanziell belohnt werde. Es könnte eine schöne Geste des Landes sein, wenn die überdurchschnittlich hohen Kosten in den betroffenen Kommunen zum Beispiel im Bildungsbereich durch das Land unterstützt würden.

Baurecht ändern

Knecht geht davon aus, dass das Land die LEA in Ludwigsburg möglichst schnell bauen will, in sechs Monaten oder einem Jahr. Er rechnet nicht damit, dass sie vor 2024 realisiert werden kann. Denn vorher müsste das Baurecht geändert werden, die Region Stuttgart und auch die Stadt Ludwigsburg und ihr Gemeinderat einbezogen werden.

Landrat Dietmar Allgaier erklärte, dass er Erleichterung für den gesamten Landkreis erwarte, wenn dort eine LEA hinkommt. So geht er davon aus, dass in dem Fall der Kreis raus ist bei der weiteren Flüchtlingszuweisung. Allgaier erklärte, dass er sich dafür einsetze und es zur Bedingung mache, dass weitere Gespräche mit dem Ministerium nur gemeinsam mit Tamm und Asperg erfolgen. Es gebe noch viele Fragezeichen und die gelte es nun zunächst anzugehen.

Auf Nachfrage erklärte das Justizministerium am Mittwochabend: „Das Prüfverfahren wird so schnell wie möglich durchgeführt. Der zeitliche Ablauf wird nun im weiteren Prozess festzulegen sein. Weitere Flächen im Landkreis Ludwigsburg, die sich für die Flüchtlingserstaufnahme eignen könnten, werden derzeit nicht geprüft“, teilt eine Sprecherin mit. 

 
 
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