Kreis Ludwigsburg Nach der Krise stärker als zuvor

Von Claudia Mocek
Die Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst, sagt Julian Pflugfelder. Foto: /Oliver Bürkle

Die Innovationskraft der Unternehmen wird ausreichen, um die Transformation auch beim Thema Energie hinzubekommen. Davon ist der neue IHK-Präsident der Bezirkskammer Ludwigsburg und Ex-Handball-Profi Julian Pflugfelder überzeugt.

Julian Pflugfelder ist der neue Präsident der IHK Bezirkskammer Ludwigsburg. Der 36-jährige Geschäftsführer der P Immobilien GmbH folgt auf Thomas Wiesbauer. Mit der BZ hat er über die Schwerpunkte seiner Arbeit gesprochen.

Welche drei Eigenschaften als Ex-Profi-Handballer helfen Ihnen als Geschäftsführer und IHK-Präsident?

Julian Pflugfelder: Der Teamgeist, die Erfolgsorientierung, aber auch das Durchsetzungsvermögen.

Wie sind Sie zum IHK-Präsidentenamt der Bezirkskammer gekommen?

Ich bin seit mehr als fünf Jahren Mitglied in der IHK-Bezirksversammlung Ludwigsburg und habe dort quasi die Nachfolge meines Vaters angetreten, der dort langjährig engagiert war. Nachdem Thomas Wiesbauer, den wir als Präsidenten sehr geschätzt haben, unerwartet verstarb, habe ich zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht, für dieses Amt zu kandidieren. Letztlich wurde ich von Bezirksversammlungsmitgliedern gefragt, ob ich das machen möchte. Ich habe nach einer Bedenkzeit ja gesagt und erfolgreich kandidiert.

Ich habe mich intensiv mit der Aufgabe beschäftigt und dazu auch Informationen der Geschäftsführung eingeholt. Mir ist klar, was für eine große Herausforderung es ist, ein so wichtiges Amt parallel zur Führung eines Unternehmens zu übernehmen. Überzeugt hat mich letzten Endes, dass mich das komplette und kompetente IHK Team unterstützt, genauso wie im Bezirkskammerpräsidium Birgit Werner-Walz und Professor Dr. Stefan Mecheels.

Was wollen Sie als junger Präsident anders machen als ihre Vorgänger?

Ich sehe es zunächst einmal als Chance, etwas zu verändern. Es gibt immer viele, die sich über die Zustände in der Wirtschaft und Politik beschweren und behaupten, dass sie dieses oder jenes Amt besser ausüben würden – sich dann aber leider nicht engagieren. Neben der Zustimmung meiner Kollegen im Unternehmen und meiner Frau war das auch ein Grund, der mich dazu bewogen hat, für das Amt zu kandidieren.

Welche Themen sind Ihnen wichtig?

Mir geht es inhaltlich vor allem um die Themen Digitalisierung, Stärkung des Bildungswesens, Verhinderung einer Deindustrialisierung und ganz wichtig die Beschleunigung der Entbürokratisierung. Diese Themen sind miteinander verknüpft und werden auch helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ich sehe da jetzt meine Generation gefordert, die immer mehr Verantwortung übernehmen muss, damit wir zukunftsfähig bleiben.

Gibt es zum Fachkräftemangel schon konkrete Initiativen?

Ja. Ich glaube, es gibt viele tolle Firmen und Berufe, die sich oft zu wenig zeigen und die die jungen Menschen gar nicht erreichen. Das ist ein großes Kommunikationsthema, das wollen wir gemeinsam mit den Unternehmen angehen. Das sehe ich auch als Aufgabe einer IHK an, dort zu unterstützen und die Unternehmen nach vorne zu bringen.

Darüber hinaus haben wir rein demografisch betrachtet zu wenig junge Menschen. Allgemein haben wir das Problem, dass die meisten der jungen Menschen studieren. Das ist für den Mittelstand schwierig, weil man nicht nur Akademiker unterbringen kann. Da müssen wir, die IHK, die Unternehmen und vielleicht auch der Staat, die Ausbildungsberufe – auch die dualen Ausbildungen – wieder attraktiver machen.

Darüber hinaus brauchen wir die Zuwanderung, die Situation ist eklatant. Durch Corona wurde das Problem noch einmal beschleunigt. Jetzt stehen wir politisch und gesamtwirtschaftlich vor großen Herausforderungen, die hinzukommen. Wir brauchen jeden, die Herausforderung bei der Zuwanderung wird es sein, die Menschen zu integrieren.

Ein weiteres Potenzial sind Frauen – ist das für die IHK ein Thema?

Das ist generell ein großes Thema, vor allem bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich bin jetzt selbst junger Vater, meine Frau hat nach zehn Monaten wieder angefangen zu arbeiten, das ist eine brutale Herausforderung. Aber es wird nicht anders funktionieren, da unsere Wirtschaft möglichst viele qualifizierte Frauen, egal ob dual oder akademisch ausgebildet dringend benötigt. Das Beheben der Engpässe bei bei Kitaplätzen, Erzieherinnen und Erziehern sind eine große Aufgabe des Staates.

Was kann die IHK für den Wandel in kleineren Unternehmen tun?

In der Coronaphase mussten sich alle Unternehmen anpassen. Viele haben da schon den Sprung zum Homeoffice und zu mehr Flexibilität geschafft. Einige haben leider auch negative Erfahrungen gemacht. Die IHK ist da eine gute Austausch- und Informationsplattform und bietet auch Beratungen zu Fördermöglichkeiten an. Auf jeden Fall müssen die Unternehmen offen für Veränderungen sein und sich den neuen Gegebenheiten anpassen.

Ist diese Offenheit im Kreis bei den IHK-Unternehmen vorhanden?

Viele Unternehmen sind bemüht, aber die Umsetzung ist nicht mit dem Anwerben von jungen Leuten getan. Dann muss man umsetzen, was man versprochen hat, da tun sich große Unternehmen mit Human Ressouce-Abteilungen sicherlich leichter. Ich bin aber überzeugt, dass Mitarbeiter es zu schätzen wissen, wenn sich Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern weiterentwickeln.

Was ist den Unternehmen bei der Entbürokratisierung wichtig?

Das ist ein Querschnitt vieler Themen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten von der kommunalen bis zur europäischen Ebene. Ganz wichtig ist auf jeden Fall mal die Beschleunigung von Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, insbesondere auch für Produktionsbetriebe. Ein früher Dialog mit allen Beteiligten ist sicher sinnvoll. Unternehmen können durchaus in ein „Silodenken“ verfallen, dies sage ich selbstkritisch. Sie denken, dass das, was sie machen, richtig ist – ohne die andere Seite ausreichend zu bedenken.

Sehen Sie die Firmen durch die Pandemie für weitere Krisen gestärkt?

Zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg gibt es aktuell eine Polykrise, bei der jetzt schon klar ist, dass ein Wohlstandsverlust für die Gesellschaft, aber mit Sicherheit auch für die Wirtschaft, real droht. Was sich mit Corona angebahnt hat, wird durch den Ukraine-Krieg und seine Folgen verstärkt. Nichts wird mehr sein wie vorher. Insofern glaube ich schon, dass die Krise in der Konsequenz dazu führen wird, dass wir beginnen, stärker über den Tellerrand hinauszuschauen. Immer mehr fordern, ohne mehr zu leisten, funktioniert auf Dauer nicht.

Auf Dauer muss alles, was ausgegeben wird, ob von Unternehmen, privaten Haushalten oder dem Staat, zuerst erwirtschaftet werden. Wenn dies sowohl bei unseren Bürgern aber auch in der Wirtschaft ankommt, sind wir nach der Krise stärker als vor der Krise. Doch wird dies noch ein langer Weg sein.

Leider wird immer wieder vergessen, dass unser aufgebauter Wohlstand insbesondere der Industrie zu verdanken ist und dass es extrem wichtig ist, diese Unternehmen zu stärken, um Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Die Innovationskraft der Unternehmen wird, wenn man sie denn lässt, die Transformation auch beim Thema Energie hinbekommen.

Die Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Es ist aber fünf vor zwölf und wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Unternehmen auch in den nächsten Jahrzehnten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben und sie nicht durch die höchsten Energiepreise und längste Verfahrenszeiten weiter belasten. Auch dies ist eine meiner Motivationen für mein IHK-Engagement: Ich will für die Anliegen und Probleme von Industrie, Handel und Dienstleistung sensibilisieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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