Kreis Ludwigsburg Neues Organspende-Register: „Jede Information entlastet“

Von Yannik Schuster
Die analogen Organspendeausweise könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Ein neues Organspende-Register soll für mehr Sicherheit und Klarheit sorgen. Foto: dpa/Caroline Seidel-Dißmann

Alexander Kempf vom RKH-Klinikum Ludwigsburg findet die Idee der neuen Online-Datenbank gut, sieht aber noch Kinderkrankheiten. 

Rund 8400 Menschen warten in Deutschland auf eine Organtransplantation. Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zufolge haben im Jahr 2023 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet – eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr. Mit den insgesamt 2985 entnommenen Organen wurde demnach 2866 Patientinnen und Patienten geholfen. Insgesamt ist die Bereitschaft zur Organspende jedoch immer noch durchwachsen und der Wille der Verstorbenen nicht immer einfach festzustellen, etwa wenn der Organspendeausweis im entscheidenden Moment nicht auffindbar ist. Abhilfe schaffen soll ein neues Online-Register, in dem Bürgerinnen und Bürger seit März freiwillig und kostenlos ihren Willen – für oder gegen eine Organspende – dokumentieren können.

Alexander Kempf, Oberarzt für Anästhesie und Transplantationsbeauftragter am RKH Klinikum Ludwigsburg, findet die Idee dahinter grundsätzlich gut. Dennoch übt er Kritik am neuen Instrument: „Aktuell ist es in meinen Augen so sperrig für den Bürger zu bedienen, das nur wirklich gut informierte und mit neuem Personalausweis ausgestattete sich eintragen können.“ Tatsächlich benötigt man derzeit noch einen Personalausweis mit Online-Funktion und Pin, zwischen Juli und September soll die Abgabe einer Erklärung dann auch über die App der Krankenkassen, mittels einer Gesundheits-ID, möglich werden. Ursprünglich war geplant gewesen, sich auch über die Bürgerämter der Kommunen registrieren zu können, dieser unbürokratische Zugriff scheiterte jedoch an der fehlenden technischen Ausstattung der Ämter.

Auch für die Kliniken war die Einführung des Registers mit Herausforderungen verbunden, sagt Kempf. „Der Aufbau der dazu nötigen Infrastruktur und die nötigen Einstellungen durch die IT in jedem Entnahmekrankenhaus waren sehr langwierig – auch bei uns.“ Sei Mitte März sei es nun auch in der Klinik in Ludwigsburg möglich, das Register aktiv abzufragen. „Der Weg dorthin war aber durchaus holprig.“

Die Berechtigung zum Zugriff auf das Online-Register erhalten in Ludwigsburg alle in der Intensivmedizin tätigen Oberärzte der Anästhesie und Kardiologie, im weiteren Verlauf werde man gegebenenfalls auch die Fachärzte mit einem Zugang ausstatten.

Wille sicher dokumentiert und abfragbar

Alexander Kempf sieht in den hohen Sicherheitsstandards jedoch auch eine Chance: „Ein Missbrauch wird so sehr unwahrscheinlich und die dort dokumentierte Einstellung zur Organspende kann verlässlich genutzt werden. Der Bürger kann sicher sein, das seine Willensäußerung sicher dokumentiert und abfragbar ist.“

Eine bedeutsame Zunahme möglicher Spender erhofft sich Kempf dennoch nicht. In anderen Ländern, die ähnliche Register führen – teils freiwillig, teils verpflichtend – wurde bisher kein nennenswerter Anstieg der Spender festgestellt. Die recht hohe Ablehnungsquote in der Praxis unterscheide sich in dieser Hinsicht deutlich von den in der Öffentlichkeit erhobenen Zustimmungs- und Ablehnungsquoten, so Kempf.

„Für die Bevölkerung scheint Organspende etwas nicht Normales zu sein. Das ist aber immer noch bei vielen Themen rund um Tod, Sterben und das eigene Lebensende der Fall.“ Es müsse sich vielmehr die Information, Meinung und Betreuung der Bevölkerung hinsichtlich der Organspende ändern – frei nach Dr. Axel Rahmel, dem medizinischen Vorstand der DSO: „Wir brauchen eine Kultur der Organspende“.

In den vergangenen 18 Jahren verzeichne man in Ludwigsburg durchschnittlich sechs Organspenden pro Jahr, in Bietigheim-Bissingen ist der Vorgang noch seltener. Im Jahr 2023 gab es dort eine Organspende, in den Jahren davor oft keine, berichtet Kempf.

Liegt eine infauste Prognose vor, die besagt, dass der Patient unter keinen Umständen überleben wird, werde zunächst das Gespräch mit den Angehörigen gesucht, erklärt Kempf. „Überredet wird niemand. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, mit der alle Beteiligten auch noch in Jahren leben können. Wir können Bedenken ausräumen und Fragen beantworten.“ In seltenen Fällen komme es vor, dass Angehörige sich gegen den Willen des Verstorbenen aussprechen und die Organentnahme ablehnen, meistens könne eine mögliche Dissonanz aber innerhalb der Familie geklärt werden.

Jede Information entlastet Hinterbliebene

Grundsätzlich gelte aber: „Jede vor dem eigenen Tod dokumentierte, kommunizierte oder bekannte Information über die eigenen Wünsche im Falle des Versterbens entlastet die Hinterbliebenen.“ Ein Organspenderegister, das eine große Prozentzahl der Bevölkerung abbildet, sei da durchaus hilfreich.

Ist der Hirntod – ein sicheres Todeszeichen – festgestellt und die Entscheidung zugunsten einer Spende ausgefallen, wird ein Koordinator der DSO hinzugezogen, der als Schnittstelle mit der Vermittlungsplattform Eurotransplant fungiert. „Nach erfolgreicher Vermittlung erfolgt die Entnahmeoperation, zumeist schon innerhalb von zwölf Stunden nach Feststellung des Hirntods.“

 
 
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