Kreis Ludwigsburg VdK: Fehlerhafte Bescheide

Von Claudia Mocek
Rechtsberatung beim VDK Ludwigsburg: Sozialrechtsberaterin Petra Raithelhuber im Gespräch mit einer Klientin. Foto: /Martin Kalb

Der Sozialverband bemängelt die personelle Unterbesetzung der Abteilung Soziale Hilfe. Das Landratsamt widerspricht.

Aufgabe der Sozialhilfe ist es, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, heißt es auf der Homepage des Landratsamts. Doch der Sozialverband VdK im Kreis Ludwigsburg schlägt Alarm: Landesweit seien immer mehr Leistungsbescheide fehlerhaft. Im Landratsamt Ludwigsburg seien die Sachbearbeiter zwar sehr engagiert, aber die Abteilung Soziale Hilfe „sei personell leider so überlastet, dass wir Zweifel daran haben, ob diese noch Ihre Aufgaben erfüllen können.“ Dem widerspricht das Landratsamt.

Eine junge Frau erhält zunächst Bürgergeld, schildert der VdK einen aus Datenschutzgründen anonymisierten Fall. Ihre Lebensumstände ändern sich, sie beantragt Sozialhilfe. Doch weil das Jobcenter in der Zwischenzeit die Zahlungen eingestellt hat, bekommt sie über mehrere Monate kein Geld überwiesen – und verliert ihre Wohnung. Wie kann das sein?

„Die Sachbearbeiter im Landratsamt Ludwigsburg strengen sich sehr an“, heißt es aus dem VdK, „aber sie sind ganz stark unterbesetzt.“ Die Folge: Die Bearbeitungszeit erhöhe sich, die Erreichbarkeit der Mitarbeiter sei massiv eingeschränkt. Und: „Die Zusammenarbeit des Jobcenter und die Abteilung Soziale Hilfe könnte nach unserer Erfahrung besser sein“, kritisiert der Sozialverband.

Von der Sozialhilfe zum Wohngeld

„Ohne Namensnennung können wir die genannte Fallkonstellationen leider nicht nachvollziehen“, heißt es aus dem Landratsamt: „Sollte es tatsächlich so vorgekommen sein, sind dies Einzelfälle, die wir sehr bedauern.“ Die Mitarbeiter im Jobcenter und in der Sozialhilfe arbeiteten „verlässlich mit einem guten Blick auf die sozialen Situationen der Antragstellenden“. Dabei sei der Erhalt der Wohnung sehr wichtig. Selbst wenn es zu Mietrückständen durch verzögerte Leistungsgewährung komme, ziehe dies in der Regel nicht direkt eine Kündigung nach sich. Die rechtlichen Schutzmechanismen vor Wohnungsverlust seien zahlreich und würden in solchen Fällen greifen.

Hinsichtlich der Schnittstelle Jobcenter und Sozialhilfe gibt es aus laut dem Sprecher des Landratsamtes, Dr. Andreas Fritz, ein abgestimmtes Verfahren, damit Schwierigkeiten im Übergang bei den Leistungsarten vermieden werden.

Der VdK schildert einen weiteren anonymisierten Fall, bei dem es zu Problemen zwischen Wohngeldstelle und Sozialamt gekommen ist: Ein älteres Ehepaar bezog Sozialhilfe und wechselte zum Wohngeld. Die Wohngeldstelle und das Sozialamt hätten sich aber nicht ausgetauscht. Die Wohngeldstelle forderte Geld zurück. Hätte diese sich direkt beim Sozialamt erkundigt, hätte sie gewusst, dass die Sozialhilfe schon eingestellt und eine Rückforderung somit überflüssig sei. Der VdK wundert sich, dass das Amt lieber einen Rückforderungsbescheid erstellte, statt vorher bei der anderen Behörde nachzufragen.

„Den Fall können wir aufgrund der fehlenden Angaben zum Wohnort und zum Namen der Betroffenen nicht nachvollziehen“, sagt der Pressesprecher: „Nicht klar ist auch, ob das Landratsamt Ludwigsburg oder eine andere Wohngeldstelle im Landkreis mit dem Fall befasst war. Es wird aber geprüft, ob ein Empfänger von Sozialhilfe bessergestellt wird, wenn Wohngeld bezogen werden würde. Hierzu stehen die zuständigen Bereiche für Sozialhilfe und Wohngeld in Kontakt und stimmen das Verfahren miteinander ab.“

Zehn Euro im Geldbeutel

Der dritte anonymisierte Fall betrifft eine Mutter von zwei kleinen Kindern, die sich an einem Freitag beim VdK meldete. Ihr Erstantrag werde nur schleppend bearbeitet, klagte sie, sie habe nur noch zehn Euro im Geldbeutel und wisse nicht, wie sie ihre Kinder über das Wochenende ernähren soll. Der VdK empfahl ihr, sich an die Kirchengemeinden zu wenden.

Der Fachkräftemangel treffe das Landratsamt ebenso wie Unternehmen, sagte Sprecher Fritz. Die Anzahl offener Stellen differiert, liege aber etwa im Leistungsbereich eher im niedrigen einstelligen Bereich pro Geschäftsteil. Der Mangel an Fachkräften zeige sich vor allem darin, dass Stellen zum Teil mehrfach ausgeschrieben werden müssten, um gute Bewerber zu finden. „Deshalb weichen wir auch zunehmend auf geeignete Quereinsteiger aus, die dann aber zeitaufwendig eingearbeitet werden müssen“, sagte er.

„Gleichwohl arbeiten unsere Mitarbeitenden mit vollem Engagement, damit Leistungen ausgezahlt werden können und die Einwohner und Einwohnerinnen des Landkreises versorgt sind. Die Sachbearbeiter seien während der telefonischen Sprechzeiten grundsätzlich erreichbar. „Zudem sind wir mit den Vertretern des VdK im regelmäßigen Austausch“, sagt Fritz.

Dass die Abteilungen funktionsfähig seien, belegten die Zahlen: Was Widersprüche gegen Entscheidungen beim Bürgergeld anbelangt, lag die Quote in Ludwigsburg im Februar bei 3,2 Prozent (landes- und bundesweit: 3,3 Prozent). Teilweise stattgegeben worden sei diesen Widersprüchen in 22 Prozent der Fälle (landesweit: 34 Prozent, bundesweit: 33 Prozent). Zurückgewiesen seien die Widersprüche in 70 Prozent der Fälle (landesweit: 65 Prozent, bundesweit: 67 Prozent).

Weniger Widersprüche als im Landesdurchschnitt

Geklagt wurde in 2,2 Prozent der Fälle in Ludwigsburg (landesweit: 2,1 Prozent, bundesweit: 3,5 Prozent). Die Quote der Zurückweisung und sonstigen Erledigung von Widersprüchen gegen Entscheidungen des Jobcenters habe im Februar bei 70 Prozent (landesweit: 65 Prozent, bundesweit: 67 Prozent) gelegen. Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie zum Lebensunterhalt gab es 2023 insgesamt 3267 Fälle. Gegen Entscheidungen aus diesem Bereich gab es 152 Widersprüche (4,65 Prozent). Davon mussten 32 Bescheide (0,98 Prozent), zurückgenommen werden. Den Widersprüchen stattgegeben wurde in 14 Fällen (0,42 Prozent). Zurückgestellt wegen Klageverfahren wurden 16 Fälle (0,48 Prozent). Widerspruchsbescheide ergingen in 90 Fällen (2,77 Prozent). „Die Quote der stattgegebenen Widersprüche beziehungsweise Abhilfen ist mit 0,42 Prozent sehr niedrig“, so Pressesprecher Fritz.

„Zynische Verhaltensweise“

„Der Staat versucht, das Sozialsystem zu drücken, um möglichst wenig Geld zu geben“, kritisiert der der Kreisvorsitzende des VdK, Bernhard-Michael Gärtner: „Wir haben es mit einer zynischen Verhaltensweise zu tun.“

Der VdK helfe Mitgliedern bei fehlerhaften Leistungsbescheiden. Dabei sei die erste Beratung kostenlos, für alles Weitere müsse man Mitglied beim VdK werden. Beim Kreisverband Ludwigsburg habe es im vergangenen 270 neue Mitglieder gegeben, insgesamt sind es dort nun 8300. Landesweit seien rund 68 000 Beratungen durch Juristen des VdK vorgenommen worden, laut Bernhard-Michael Gärtner so viele wie nie zuvor. Die Folge seien landesweit 12 200 Widersprüche, Klagen und Berufungen gewesen. Zahlen für den Kreis Ludwigsburg liegen dem Sozialverband nicht vor.

Gegen Rentenbescheide, abgelehnte Krankenkassenleistungen und Pflegekassen habe der VdK-Landesverband im letzten Jahr 18,4 Millionen Euro an Nachzahlungen erstritten. Vor der Pandemie seien es 8,5 bis zwölf Millionen Euro pro Jahr gewesen.

 
 
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