Kreis Ludwigsburg Viel Rausch um Nichts?

Von John Patrick Mikisch
Rauschzeichen: Die Bundesregierung möchte das Kiffen für Erwachsen legalisieren. Doch das geplante Cannabis-Gesetz gilt als kompliziert und überfrachtet. Ob es am Freitag den Bundesrat passiert, scheint fraglich. Foto: /Martin Kalb

Die Bundesregierung will das Kiffen zum 1. April legalisieren. Doch das Cannabis-Gesetz ist kompliziert – und könnte sogar noch scheitern.

Mal sehen, ob wir das wirklich durchziehen“, sagt Michael Tizzano. Der 54-Jährige Unternehmer will eigentlich mit 40 bis 50 Gleichgesinnten einen sogenannten Cannabis Social Club (CSC) in Ludwigsburg gründen. Die sind das Herzstück des neuen Cannabis-Gesetz, mit dem die Ampel-Regierung den Cannabis-Genuss für Erwachsene zum 1. April legalisieren will. Erwachsene, die Cannabis konsumieren wollen, sollen sich in CSCs organisieren, um dort gemeinsam Cannabis anzubauen und an Mitglieder abzugeben.

Große Verunsicherung

Ob es so kommt, ist derzeit unklar: Diesen Freitag wird der Gesetzesentwurf aus Karl Lauterbachs Gesundheitsministerium im Bundesrat verhandelt. Es gibt Bedenken aus verschiedenen Bundesländern. Gut möglich, dass das Gesetz daher im Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag landet. Das könnte die geplante Legalisierung verzögern – oder sogar zum Scheitern bringen.

Für Menschen, die wie Michael Tizzano einen CSC gründen wollen, eine unbefriedigende Situation. Viele potenzielle Mitglieder seien verunsichert, sagt Tizzano. Denn um einen CSC auf die Beine zu stellen, seien größere Investitionen nötig, etwa für den Anbau und ein Clublokal, über das das Cannabis an die Mitglieder ausgegeben wird.

Zudem seien die rechtlichen Auflagen für Gründung und Betrieb eines Cannabis Social Clubs erheblich und sehr kompliziert. Mit der Verunsicherung ist Tizzano nicht alleine. Denn so überreguliert das Cannabis-Gesetz bereits ist, so wenig ist bislang geklärt, wie es in der Praxis umgesetzt werden soll. Völlig offen ist beispielsweise, wo sich Cannabis Social Clubs überhaupt ansiedeln dürfen. Das sei baurechtlich noch gar nicht geklärt, heißt es seitens des Städtetags Baden-Württemberg. Unklar also, ob die Clubs in Gewerbegebieten, Wohn- oder Mischgebieten eröffnen dürfen. In die letzte Kategorie fallen auch Fußgängerzonen. CSCs auf dem Ludwigsburger Marktplatz oder in der Bietigheimer Altstadt?

Das würde Kommunen und Städten vor neue Probleme stellen. Denn weder ist klar, welche Behörde für die Überwachung der CSCs zuständig ist: die Lebensmittelüberwachung? Das Ordnungsamt? Oder doch die Regierungspräsidien? Noch ist geregelt, wer die Einhaltung der Regeln fürs Kiffen in der Öffentlichkeit kontrolliert. Muss etwa der städtische Ordnungsdienst einschreiten, wenn jemand vor einer Schule verbotenerweise einen Joint raucht? Oder muss er die Polizei verständigen. Wie misst die nach, ob ein Konsument beispielsweise tatsächlich den vorgeschriebenen 100-Meter-Abstand zu einer Fußgängerzone einhält?

Kritik von den Bundesländern

„Die Kontrolle der Vorgaben der bevorstehenden Cannabislegalisierung wird mit Sicherheit eine Herausforderung“, heißt es seitens der Stadt Ludwigsburg auf BZ-Anfrage. Der kommunale Ordnungsdienst werde die Vorgaben aber umsetzen und kontrollieren und auf die entsprechenden Ausführungshinweise des Gesetzgebers achten. Auch die Städte Bietigheim-Bissingen und Sachsenheim verweisen auf ausstehende Regelungen.

Für diese zuständig sind die Bundesländer. Doch deren Innenminister haben den Gesetzesentwurf bereits im vorigen Juni einstimmig und parteiübergreifend aus Sicherheitsbedenken abgelehnt, wie ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums mitteilte. Diese Bedenken hätten die Innenminister kürzlich in einem Brief an die Bundesregierung wiederholt.

„Zuerst steht also das Gesetzgebungsverfahren an, dann eventuelle Fragen zur Zuständigkeit. wir werden hier nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen“, heißt es aus dem Stuttgarter Innenministerium. Kurz: Geregelt wird erst einmal nichts. Lediglich die Staatsanwaltschaften sind bereits schwer beschäftigt. Denn das Gesetz enthält auch eine Amnestie für Drogendelikte, die unter der neuen Regelung nicht mehr strafbar wären. 25 000 Verfahren sind dies allein in Baden-Württemberg, die laut Justizministerium alle einzeln überprüft werden müssen. Viel Arbeit, die möglicherweise umsonst ist.

Was ist künftig erlaubt? Das sind die wichtigsten Cannabis-Regeln

Für Minderjährige
 bleibt der Besitz und der Konsum von Cannabis verboten. Erwachsene dürfen im öffentlichen Raum 25 Gramm zum Eigengebrauch bei sich tragen; der Besitz von bis 50 Gramm trockener Blüten ist legal. Privat dürfen maximal drei weibliche Pflanzen angebaut werden. Edibles wie Haschkekse oder cannabishaltige Gummibärchen bleiben verboten.

In Fußgängerzonen ist der Konsum von 7 bis 20 Uhr untersagt. Öffentlich gekifft werden darf nur im Umkreis von etwa 100 Metern bzw. außer Sichtweite von Kitas, Schulen, Spielplätzen, Sportstätten und Jugendeinrichtungen,

Cannabis Social Clubs (CSC) dürfen Hanfpflanzen anbauen und an Mitglieder ausgeben: 25 Gramm am Tag und maximal 50 Gramm pro Monat. Bei Mitgliedern bis 21 Jahre liegt die Höchstmenge bei 30 Gramm pro Monat, der THC-Gehalt ist auf zehn Prozent beschränkt. CSC sind eingetragene Vereine. Im Club darf nicht konsumiert werden. CSC müssen einen Präventionsbeauftragten benennen und ein Jugendschutzkonzept vorlegen und dürfen nicht für sich werben. 

 
 
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