Landkreis Ludwigsburg Die Kliniken könnennur auf Sicht fahren

Von Uwe Mollenkopf
Der Eingangsbereich des Bietigheimer Krankenhauses. 2024 wird ein Verlust von 2,8 Millionen Euro erwartet. Foto: /Helmut Pangerl

Aufgrund der geplanten Krankenhausreform bestehen auch bei den Kliniken im Kreis erhebliche Unsicherheiten. Das Defizit steigt.

Die Gespräche über die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach initiierte Krankenhausreform stocken, wie die Finanzierung der Kliniken zukünftig geregelt wird, ist unsicher, die Auslastung ist nicht mehr gegeben – so fasste Prof. Dr. Jörg Martin, der Chef der RKH-Kliniken, am Freitag bei einem Pressegespräch zur Unternehmensplanung 2024 die aktuelle Lage der Krankenhäuser zusammen. „Wir haben keine Perspektive“, kritisierte er die Hängepartie um die Reform.

Hinzu komme die angespannte Haushaltslage des Bundes, weshalb keine Mittel zur Unterstützung der Strukturveränderungen zu erwarten seien. Die Preisspirale drehe sich weiter, und es kämen erschwerend der Fachkräftemangel und überdurchschnittlich hohe, krankheitsbedingte Personalausfälle mit entsprechenden Leistungs- und Erlöseinbrüchen hinzu, so Martin. Kurzum: Die aktuellen Rahmenbedingungen könnten für die Kliniken in Deutschland kaum schlechter sein.

Kalte Strukturbereinigung?

Wenn, wie aktuell der Fall, bis zu 80 Prozent aller Krankenhäuser Verlusten machen würden, „dann stimmt doch etwas nicht“, sagte der Geschäftsführer der „RKH Gesundheit“. Einzelne hätten inzwischen sogar Insolvenz angemeldet. Böse Zungen würden behaupten, das sei eine kalte Strukturbereinigung. Die Frage sei dabei, ob die richtigen Kliniken durchhalten würden.

Aus Sicht von Landrat Dietmar Allgaier wäre es daher wichtig, dass die angekündigte Krankenhausreform nun mit Nachdruck vorangetrieben werde, damit die Kliniken Planungssicherheit bekämen. Notwendig wäre auch ein sogenanntes Vorschaltgesetz zur Krankenhausreform, so Allgaier, das heißt ein Gesetz, das vorläufige oder vorbereitende Regelungen für ein später zu erlassendes Gesetz enthält. Aufgrund der Finanzlage des Bundes seien die Chancen dafür aber weiter gesunken. „Damit rechne ich jetzt nicht mehr“, sagte der Landrat.

Im laufenden Jahr haben die Kliniken außerdem noch die Folgen der Coronapandemie belastet. die Personalausfälle und zahlreiche unbesetzte Stellen führten zu Einschränkungen in der Versorgung. Als Gegenmaßnahme musste auf Leiharbeit zurückgegriffen werden. Die Kosten-Erlös-Schere ging weiter auseinander, der Landkreis muss 2023 einen Verlust von rund 13 Millionen Euro ausgleichen.

Ambulante OPs nehmen zu

Für 2024 müsse man aufgrund des unklaren Regelwerks „auf Sicht fahren“, erklärte Axel Hechenberger, der Kaufmännische Direktor der Regionalen Kliniken Holding. Er geht unter anderem davon aus, dass es keine neuen Bundes- oder Landeshilfen gibt und dass die bereits wirksame „Ambulantisierung“ weitergeht. Das heißt, es werden weniger Patienten stationär und mehr ambulant behandelt. Bereits 2013 ist beispielsweise im Bietigheimer Krankenhaus die Zahl der stationären Fälle im Zeitraum von Januar bis Oktober um 14 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 zurückgegangen (von 15 072 auf 13 011). Die Zahl der ambulanten Operationen ist hingegen allein von 2022 auf 2023 um 183 Prozent gestiegen (von 940 auf 1717).

Verlust von 14,5 Millionen

Hechenberger rechnet für 2024 mit einem Verlust von fast 14,5 Millionen Euro. Die Summe setzt sich aus einem Defizit von über 10,5 Millionen im Klinikum Ludwigsburg, von 2,8 Millionen im Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen und von 1,1 Millionen im künftigen Gesundheits- und Ausbildungscampus Marbach zusammen. Auch die Orthopädische Klinik Markgröningen rechnet mit einem Minus, das Hechenberg auf eine Million Euro bezifferte.

Digitalisierung und Telemedizin

Klinikenchef Martin gab gleichwohl die Devise aus, dass man die Zukunft auch als Chance sehen müsse. Es gelte jetzt, die „Transformationsjahre“ von 2024 bis 2026 zu bewältigen, in denen es auch ein „gewisses Gesundschrumpfen“ geben werde. An geplanten Maßnahmen nannte er untere anderem die Ermittlung der zukünftigen Bettenzahl, die Zuordnung der vorgesehenen Leistungsgruppen zu den Standorten und die Anpassung von Strukturen und Personal an die neue Bettenzahl. In Teilbereichen werde es zu einer Personalreduktion kommen, sagt Martin. Die Digitalisierung und die Telemedizin sollen weiter ausgebaut werden, ebenso Kooperationen und Vernetzung. Die Künstliche Intelligenz sei eine „echte Revolution“ in der Medizin, so Martin, der als Beispiel einen „Diagnosechecker“ nannte. In der Notaufnahme sei im ersten Quartal 2024 eine Wartezeitenanzeige vorgesehen.

Hechenberger bezeichnete es trotz der schlechten Rahmenbedingungen als gute Nachrichten, dass 2024 in den Kliniken des Landkreises dank der Unterstützung durch den Kreis voraussichtlich 60 000 Patienten stationär und 210 000 Patienten ambulant „auf einem sehr hohen medizinischen Niveau“ versorgt würden. In den Kliniken gebe es 5100 Arbeitsplätze, 400 Ausbildungsplätze würden angeboten.

 
 
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