Ludwigsburger Schlossfestspiele „Ich ziehe zum Schluss alle Register“

Von Gabriele Szczegulski
Voller Elan hat Jochen Sandig in den letzten Jahren die Ludwigsburger Schlossfestspiele geprägt. Foto: /Martin Kalb

Intendant Jochen Sandig steht vor seiner letzten Saison bei den Schlossfestspielen und will einen „tollen Schlussstrich“ ziehen.

Vorfreude, nicht Abschiedsgefühle, würden bei ihm vorherrschen, sagt der Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, Jochen Sandig. Es ist seine letzte Saison, die er am Samstag, 1. Juni, eröffnen wird.

Herr Sandig, wie fühlen Sie sich vor Ihrer letzten Saison bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen?

Jochen Sandig: Ich bin aufgeregt, voller Vorfreude und ich kann sagen, mein Team und ich ziehen noch einmal alle Register mit dem diesjährigen Programm.

Kein bisschen Abschiedsschmerz?

Der kommt sicher noch, vor allem, wenn ich daran denke, mich von meinem Team zu verabschieden, da steckt schon Wehmut drin. Meine beste Entscheidung als Intendant war, 2022 eine Doppelspitze in der Geschäftsführung mit Gabriele Zerweck einzuführen. Daraus ist auch ein neues Wir-Gefühl im Team entstanden, das sich aus lauter tollen Einzelspielern entwickelt hat. Jeder im Team hat eigene Visionen, die sich auch mit meinen eigenen ergänzen. Uns allen gemeinsam ist es gelungen, die Schlossfestspiele zu transformieren und fest in der Gesellschaft zu verankern. Dieses kreative Zusammenspiel wird mir sehr fehlen. Aber im Moment freue ich mich nur auf die vielen tollen Veranstaltungen.

Auf welche am meisten?

Da gibt es einige. Mein neues Lieblingsformat ist die „Frei Luft Musik“ jeden Freitag ab 18 Uhr, die ja schon auf dem Ludwigsburger Marktplatz gestartet ist. So nah kommen wir unserem Publikum bei keiner Veranstaltung und wir können hier die ganze Breite der Musikgenres zeigen. Durch die „Frei Luft Musik“ wurden die Schlossfestspiele zum Stadtgespräch und wir haben dadurch definitiv neue Zuschauer hinzugewonnen.

Wie beginnt die Saison?

Mit dem Ausnahmetalent Ryan McAdams, den ich bei unserem letztjährigen Abschlusskonzert vom Fleck weg für die Eröffnung engagiert habe. Er leitet das Orchester der Schlossfestspiele und sie führen von Komponistin Cassandra Miller das Konzert für Viola „I cannot love without trembling“ als Deutsche Erstaufführung auf. Dieser Vorschlag kam von ihm. Cassandra Miller wird auch selbst anwesend sein.

Was meinen Sie noch mit „alle Register ziehen“?

Nun, wir haben während meiner Amtszeit Fäden gesponnen, die nun zusammenlaufen. Dass Alondra de la Parra endlich zu uns kommt und das Orchester der Schlossfestspiele beim „Monrepos Open Air“, unserem Abschlusskonzert, dirigiert, ist einer dieser Fäden, da sie ja bereits 2020 kommen sollte. Wegen Corona musste dieses Konzert ausfallen. Sie leitet zudem den letzten Auftritt des Orchesters der Ludwigsburger Schlossfestspiele, das es danach nicht mehr geben wird – ein großes emotionales Finale.

Bei welchen Künstlern mussten sie noch „Fäden ziehen“?

Seit drei Jahren versuche ich, die Sopranistin Asmik Grigorian zu verpflichten und endlich ist es gelungen. Diese große Sängerin wird im intimen Rahmen des Ordenssaals Höhepunkte russischer Romantik singen. Den Cellisten und Dirigenten Klaus Mäkelä und größten aktuellen jungen Klassikstar, der bekannt für seine ausgefallenen Konzertprogramme ist, wollte ich unbedingt nach Ludwigsburg holen. Hinter Martina Gedeck war ich lange her, nun kommt sie und rezitiert Rilke und Camus – das ist jedoch bereits ausverkauft.

Was war Ihnen in den Jahren Ihrer Amtszeit wichtig?

Wesentlicher Punkt in meiner Intendanz war es, inhaltliche Kontinuitäten voranzutreiben, sodass man ein wiederkehrendes Muster sieht, wie auch die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Die Schlossfestspiele sollten einen Transformationsprozess zu einem demokratischen, nachhaltigen Festival durchlaufen, sodass sie den Anforderungen der Zeit standhalten, bunter werden und auch bisherige Nicht-Festival-Besucher neugierig machen. Ich hoffe, das ist mir gelungen, denn ich möchte schon Spuren in Ludwigsburg hinterlassen – auch für mich war die Zeit hier sehr prägend.

Waren Eigenproduktionen wichtig für Sie?

Ja, sehr, denn damit kann man klare Signale setzen. „Made in Ludwigsburg“ sollte sichtbar werden. Mit Sasha Waltz’ Choreografien beispielsweise. „In C“ wurde hier zum ersten Mal vor Publikum gezeigt und die Aufführung in den Barockgärten des Schlosses mitten in Corona war spektakulär. Deshalb werden wir auch in dieser Spielzeit einen Community-Workshop über „In C“ geben. Sasha Waltz wird am Anfang des Festivals „Beethoven 7“ aufführen. Uns war es wichtig, die „Education“-Programme auszubauen. Im Fokus standen auch immer stärker die „Artists in Residence“, die mehrere Konzerte geben, aber auch mit anderen Künstlern zusammen auftreten und eigene Programme nur für Ludwigsburg machen.

Welche der Nachhaltigkeitsziele wurden am besten realisiert?

Die Hälfte aller unserer Künstler, die bei den Schlossfestspielen auftreten, sind Frauen. Zudem greifen viele Aufführungen Themen unserer Zeit wie den Klimawandel auf, wie Choreograf Akram Khan in „Junglebook reimagined“, in dem Mowgli ein Mädchen und eine Klimaflüchtende ist.

Gibt es drei Konzerte, die man in diesem Jahr nicht verpassen darf?

Sasha Waltz’ „Beethoven 7“. das Abschlusskonzert Monrepos Openair, das meine Intendanz zu einem Abschluss bringt, habe ich ja schon genannt, also darf ich noch drei: „Wie klingt Heimat“ mit dem Mahler Chamber Orchestra. Fazil Says Konzert „Dünya Anne“. Auch das Venedig-Programm des Kammerorchesters Basel muss man gesehen haben.

 
 
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