Mobilitätswende in Freiberg? Fahrradzone: Rat stimmt Testphase zu

Von Heidi Vogelhuber
Der Bereich Talstraße/Wernerstraße in Freiberg birgt ein hohes Konfliktpotenzial zwischen Auto- und Radverkehr. Gerade ältere Bürger fühlen sich unsicher und steigen lieber vom Rad ab und schieben. Abhilfe soll eine Fahrradzone schaffen. ⇥ Foto: Martin Kalb

Freiberg ist unzufrieden mit seiner Radverkehrsführung. Helfen soll eine Fahrradzone, die zeitlich begrenzt am Wasen getestet werden soll.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Freiberg fordert in einem offenen Brief an die Stadt Freiberg eine „Pop-Up-Fahrradzone“. Hinter diesem pfiffigen Begriff verbirgt sich der Wunsch nach einer Änderung der Radverkehrsführung über das Gelände am Wasen, Ecke Talstraße/Wernerstraße. „Das wäre die erste Fahrradzone Baden-Württembergs, wenn wir uns ein bisschen sputen“, erklärte der Verkehrsexperte Professor Dr. Christoph Hupfer in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstag.

Durchgangsverkehr reduzieren

Hupfer wurde nach der ergebnislosen Sitzung des Technischen Ausschusses im März 2018 beauftragt, eine Variante mit reduziertem Autoverkehr auszuarbeiten. Denn in der Werner- und Talstraße treffen Durchgangsverkehr sowie Autos, die zu den dort ansässigen Einrichtungen, wie dem Häckselplatz, der Landschänke und dem Sportzentrum Wasen fahren, auf Radverkehr, der stetig zunimmt. Letzteres freue den Freiberger Bürgermeister Dirk Schaible zwar, jedoch erhöhe sich dadurch auch das Konfliktpotenzial zwischen Auto und Rad an der Stelle.

Hitzig und ausgiebig wurde über das Thema im Gremium diskutiert, obgleich Bürgermeister Schaible vorab dazu aufrief, sich schnell zu einigen, ob man der Sache in einer zeitlich begrenzten Testphase bis Ende Oktober eine Chance gebe – ohne lang zu diskutieren. Fest stehe, so Hupfer zu Beginn seiner Präsentation: „In Freiberg hat das nichts mit einer zeitgemäßen Radverkehrslage zu tun.“

Gerade die Talstraße stelle ein großes Sicherheitsrisiko für Radfahrer dar, ebenso im Kurvenbereich am Sportheim. Hupfer schlägt vor, eine Fahrradzone mit einer Absperrung für den Autoverkehr auf Höhe des Bauhofs zu errichten. Für landwirtschaftliche Fahrzeuge könnte eine Schleuse mit Bremsschwellen, die nur von dementsprechenden Fahrzeugen überwunden werden können, eingerichtet werden. Der Verkehrsexperte rät der Stadt, das neue Instrument der Straßenverkehrs-Ordnung – besagte Fahrradzone (siehe Infobox) – im Reallabor auszuprobieren. Das Polizeipräsidium Ludwigsburg hat dieser Testmaßnahme bereits zugestimmt.

Umfahrung einrichten

Um den Durchgangsverkehr aus der Zone auszuschließen, empfiehlt Hupfer, Umfahrungsmöglichkeiten auszuschildern sowie Sackgassen-Beschilderungen aufzustellen – Radfahrer dürften natürlich durchfahren. Das alles sollte dann via Medienpräsenz, aber auch erhöhte Kontrollen durch das Ordnungsamt begleitet und dadurch etabliert werden. Die Kosten dafür liegen bei 3000 Euro, die bereits im Haushalt 2020 einstellt sind.

Die Umfahrung, also der Umweg, der von den täglich rund 300 Autofahrern auf sich genommen werden müsste, hat für Stadtrat Willi Zimmer (CDU) nichts mit einer Mobilitätswende zu tun. „Wo ist da die CO2-Einsparung?“ Dem hielt Schaible entgegen: „Deshalb sind wir ja in einer Erprobungsphase. Danach sind wir schlauer und kommen weg vom Schätzen, Glauben, Meinen.“ Stadträtin Dr. Tanja Pauer (FW) widersprach: „Wir sind nach der Erprobungsphase nicht schlauer als davor. Wir wissen nicht, wo der Durchgangsverkehr hin schleicht“. Ohne Zahlen, Daten, Fakten sei die Fahrradzone eine „reine Gefühlssache. Das funktioniert so nicht.“

Variante ausprobieren

„Eine große Verkehrsuntersuchung ist weder schnell noch zielführend“, so Schaible. Er spreche sich dafür aus, die Variante einfach auszuprobieren. „Jeder beobachtet die Situation und dann wird’s im Gremium diskutiert.“

Walter Bläßer (Freie Wähler) schlug eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 20 vor sowie ein „Anlieger frei“-Schild. „Die Polizei selbst hat kein Zutrauen zu anderen Lösungen als der Fahrradzone“, argumentierte Hupfer. Auch der dementsprechende Antrag Bläßers wurde vom Rat abgelehnt. Letztendlich wurde mehrheitlich beschlossen, zu Testzwecken die Fahrradzone einzurichten und nach Ende Oktober zu entscheiden, ob sie dauerhaft bestehen bleiben soll.

 
 
- Anzeige -