Neckarwestheim Der Stecker in Neckarwestheim ist gezogen

Von Yannik Schuster
Rund 500 Teilnehmer Foto: /Oliver Bürkle

Anlässlich der Abschaltung des Atomkraftwerks Neckarwestheim 2 fanden sich am Samstag zahlreiche Bürger auf dem Parkplatz des Geländes ein, um den Anlass gebührend zu feiern.

Knapp 50 Jahre nach ihrer Entstehung hatte die Anti-Atom-Bewegung am Samstag Grund zu feiern.

Das Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 ging, zusammen mit den Kraftwerken Emsland und Isar 2, endgültig vom Netz.

Für die Bewegung Anlass für ein Abschaltfest auf dem Parkplatz der Anlage. Doch lange war nicht klar, ob das Abschaltfest überhaupt stattfindet. Zunächst hatte die Versammlungsbehörde des Landratsamtes und der Betreiber EnBW die Nutzung des Parkplatzes untersagt. Schließlich lenkten diese jedoch ein, sodass sich am Samstag, laut Angaben der Veranstalter, rund 500 Teilnehmer vor dem Atomkraftwerk eingefunden hatten.

„Ned blos schwätza – abschalda!“

Zahlreiche Plakate und Banner zierten dabei den Parkplatz und führten Sprüche wie „Endlich ist Schluss“, „Gemeinsam gewonnen“, „Weg mit Kohle und Atom“, dem Dauerbrenner „Atomkraft? Nein Danke“ oder auf schwäbisch „Ned blos schwätza – abschalda!“. Ehe die Kundgebungsbeiträge begangen zelebrierte der Veranstalter endlich-abschalten einen Countdown und das symbolische Steckerziehen und löste damit großen Jubel im Publikum aus. Publizist Wolfgang Ehmke fasste den Tag zusammen: „Wir wollen lachen, nicht strahlen. Heute hört das Strahlen auf.“ In den vergangenen 40 Jahren sei die Anti-Atom-Bewegung verhöhnt und kriminalisiert worden, doch man habe es geschafft die Tür für eine bessere Zukunft weit aufzustoßen. Die aufkommenden Forderungen, unter anderem von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, die Atomkraftwerke betriebsbereit zu halten, lehne er entschieden ab. Es bleibe noch viel zu tun, allen voran in Fragen der Lagerung des Atommülls. Das werde noch eine große Aufgabe für zukünftige Generationen.

In diesem Zuge bedankte er sich besonders bei den jungen Menschen, die das Thema weitergetragen haben in die Klimabewegung. Sein Appell: „Lasst das Uran in der Erde, lasst die Kohle in der Erde und lasst die Sonne scheinen.

Im Anschluss gedachte man den Opfern der Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima und auch allen verunglückten Aktivisten der Anti-Atom-Bewegung. Liedermacher Gerd Schinkel, der selbst die Veranstaltung in Lingen, zur Abschaltung des AKW Emsland, besuchte, hatte extra ein Lied für das Abschaltfest komponiert. Darin heißt es: „Kommt uns jetzt nicht mehr mit Strom aus gefährlichem Atom.“

Auch Wirtschaftswissenschaftler und Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Christian von Hirschhausen war nach Neckarwestheim gekommen und bezeichnete die Atomkraft als gefährlich. „Heute ist ein guter Tag für die Region, für Deutschland, Europa und die Welt. Morgen geht es uns allen besser.“ Gerade die Gefahr, die von der Atomkraft ausgehe, mache diese auch so teuer.

„Keine technischen Perspektiven“

„Die Idee mit mehr Atomkraft künftig günstigen Klimaschutz zu betreiben, entzieht sich jeder ökonomischen Rationalität.“ Da sich keine technischen Perspektiven für die Technologie biete, sei das Ende der Atomkraft ökonomisch sinnvoll, so von Hirschhausen.

Die Atomwende sei dabei eine Bedingung für die Energiewende: „Wir brauchen ein klima- und plutonium-neutrales Energiesystem.“

Franz Wagner, Mitbegründer des Aktionsbündnisses Energiewende Heilbronn, bezeichnete die Anti-Atom-Bewegung als einzig echte Atomaufsicht. Die offizielle Atomaufsicht müsse man eigentlich als „Wegsicht“ bezeichnen, so Wagner. Auch er kritisierte die jüngsten Äußerungen von Politikern wie Markus Söder und Wolfgang Kubicki zur Atomkraft, „die noch die Trump´schen Fake News in den Schatten stellen“. Auch beim anstehenden Rückbau der Anlagen müsse man weiter ein strenges Auge bewahren, so der Aktivist weiter.

Alte Transparente gezeigt

Beim Abschaltfest rückte der Zusammenhalt unterschiedlicher politischer Bewegungen in den Fokus. So wurden Interviews geführt mit Vertretern von Runterfahren.org, Letzte Generation und Fridays for Future. Bei der Bannershow wurden Transparente aus der langjährigen Geschichte der Anti-Atom-Bewegung präsentiert. So etwa zum „Neckarwestheimer Herbst“ 1986, der Menschenkette Stuttgart-Neckarwestheim 2011 und gegen das Atomforum in der Stuttgarter Liederhalle 2012.

Abseits der Bühne boten zahlreiche Organisationen Informations- und Verpflegungsstände an, darunter die Energiewende Heilbronn, der IPPNW Stuttgart, die Bürgerinitiative AntiAtom Ludwigsburg, das Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim und der BUND. 

 
 
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