Neue Ausstellung in der Städtischen Galerie Die Tür als Tor zur Welt

Von Gabriele Szczegulski
Der Fotograf Gideon Mendel fotografierte in Überschwemmungsgebieten auf der ganzen Welt Menschen im Wasser vor ihren Haustüren, die im Überschwemmungsfall keinen Schutz bieten.⇥ Foto: Martin Kalb

Unter dem Motto „Keine Schwellenangst“ hat sich die Städtische Galerie des Alltagsgegenstands Tür angenommen. Internationale Künstler zeigen ihre Sichtweise.

Türen – tausendmal haben wir ihre Klinken pro Tag in der Hand und doch, das sagt die Leiterin der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen, Isabell Schenk-Weininger, bei der Führung durch die Ausstellung, ist kaum ein banaler Alltagsgegenstand inhaltlich so aufgeladen. Kaum ein Gegenstand kommt so oft in Sprichwörtern oder Lebensweisheiten vor, das zeigt die Eingangswand in der Galerie, Dutzende, so Schenk-Weininger, hätte man aufführen können: „Offene Türen einrennen“, „Jeder kehre vor seiner eigenen Tür“, „den Fuß in der Tür haben“ oder „mit der Tür ins Haus fallen“.

Zeichen der Isolation

Türen – im Corona-Lockdown, und dieser Umstand macht die Ausstellung inhaltlich noch aufgeladener – waren sie geschlossen, waren ein Zeichen der Isolation, hinter der Türe war eine eigene Welt, in die niemand eindringen konnte. In der Ausstellung im Neubau mit Werken von Künstler aus aller Welt und im Altbau mit Werken aus der Sammlung der Galerie bekommt die Tür einen Stellenwert, der im Alltagsleben nicht bewusst wird.

Der Eintritt in die Ausstellung ist durch eine Tür mit Guckloch versperrt. Ein Blick hinein zeigt einen verwunschenen Wald, den man hinter der Tür gar nicht vermutet hätte. Türen eröffnen also unerwartete Blicke in fremde Welten.

Die Werke sind überraschend, vielfältig und inhaltsschwer. Die finnische Fotografin Marja Pirilä inszenierte mit dem Camera-Obscura-Prinzip Innenräume, in welchem die Welt von draußen hineinprojeziert wurde – auf dem Kopf stehend. Türen, die einen Spalt breit geöffnet sind, lassen Licht und die Verbindung zur Außenwelt hereinscheinen.

Oft kommt das Motiv des leeren Raumes, in dem die Türen dominant sind, vor. Die dänische Künstlerin Trine Sondergaard fotografierte leere Herrenhäuser, die melancholisch aufgeladen sind. Dieses Motiv steigert der deutsche Künstler Simon Schubert noch: Er schafft leere Räume aus längst vergangener Zeit wie mit Stuck verziert, aus Papier. Allein durch Faltung von weißem Papier entstehen imaginäre weiße Räume, in denen man durch Zimmerfluchten wandelt und die eine verlassene Traumwelt suggerieren.

Schwelle zu Rückzugsort

Türen können aber auch die Schwelle zu einem Rückzugsort sein, wie es der russische Künstler Ilya Kabakov zeigt: In sowjetischen Gemeinschaftswohnungen war die Toilette oft der einzige Ort, an dem man alleine sein konnte und beispielsweise singen konnte, wie in der Ausstellung zu hören. Türen bieten also Schutz, aber nicht vor allem: Der Fotograf Gideon Mendel war in der ganzen Welt mit der Kamera unterwegs, besuchte für seine Serie „Drowning World“ Überschwemmungsgebiete und fotografierte Menschen, die sozusagen bis zum Hals im Wasser stehen, vor verschlossenen Türen, in die das Wasser dennoch eindringt. Simon Schubert zeichnete mit Graphit eine Tür, die Opfer von Flammen wird, auch hier bietet sie keinen Schutz.

Überall auf dem Weg durch die beeindruckende Ausstellung finden sich Augapfelgroße Türspione, die einen Blick in das Zimmerinnere erlauben oder das Treppenhaus oder auf den Besucher in Großaufnahme, Maxim Wakultschik aus Belarus hat diese „Bubbles“ als Hinweis auf den Überwachungsstaat geschaffen, in dem er auf die Kugeln eine Sichtweise wie mit der Überwachungskamera malte. Aktueller könnte ein Werk kaum sein.

Die Türen in den Werken in der Städtischen Galerie machen so nicht nur die Tore auf für eine Welt der Kunst sondern für die Welt an sich. Das Motiv der Tür ist hier ein Mittel, Zeitgeschichte und persönliche Befindlichkeiten zu kommentieren.

 
 
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