Neuer Unverpacktladen in Bietigheim-Bissingen „Schütte dir ein“ in der Altstadt

Von Rena Weiss
Noch ist der Laden von Iva und Ondrej Vyroubal eine Baustelle. Mitte Mai soll der neue Unverpackt-Laden „Schütte dir ein“ eröffnen.⇥ Foto: Oliver Bürkle

Iva und Ondrej Vyroubal aus Bietigheim-Bissingen eröffnen Mitte Mai in der Schieringer Straße ein neues Lebensmittelgeschäft. Der Clou: Es wird auf Verpackungen verzichtet.

Pro Kopf wurden im Jahr 2019 bei privaten Endverbraucherinnen und -verbrauchern in Deutschland 72 Kilogramm Verpackungsmüll eingesammelt. Das waren pro Person durchschnittlich vier Kilogramm mehr als noch 2018. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Für Iva und Ondrej Vyroubal aus Bietigheim-Bissingen ist das zu viel. Deswegen bauen sie derzeit ein ehemaliges Büro in der Schieringer Straße 20 zu einem Unverpacktladen um. Die Eröffnung ist Mitte Mai geplant.

„Die Idee ist ja keine neue“, sagt Ondrej Vyroubal. Es müsse mindestens 20 Jahre her sein, da habe er in Frankreich oder Italien bereits einen derartigen Laden entdeckt und war begeistert. „Das hat mich damals angesprochen. Hier entstand ein Einkaufserlebnis fürs Auge und die Nase.“ Zwar blieb die Begeisterung für das Konzept, doch die Idee vom eigenen Laden sei dem Entwicklungsingenieur damals noch nicht gekommen. Jetzt mit 50 Jahren jedoch schon. „Ich habe 2019 meine sehr intensive Karriere beendet, weil ich etwas anderes machen wollte.“ Dass ihn ausgerechnet eine Pandemie zur neuen Geschäftsidee brachte, damit habe Vyroubal nicht gerechnet.

Mehr auf Essen geachtet

„Am Anfang der Pandemie haben wir keinerlei Gebrauchsgegenstände gekauft, sondern fast nur Lebensmittel.“ Doch wenn schon nur Essen gekauft werde, dann wollte die Familie darauf achten, was sie kaufen und essen. Das habe er auch von anderen erfahren. „Ich habe mich dann an den kleinen Laden erinnert“, sagt der 50-Jährige, der Unverpacktläden auch aus seiner Heimat, der ehemaligen Tschechoslowakei kennt. Gemeinsam mit seiner Frau Iva Vyroubal und ihren Söhnen kamen sie 2009 nach Deutschland – eigentlich nur für zwei Jahre. Mittlerweile ist Bietigheim-Bissingen ihre Heimat, die sie mit ihrem neuen Geschäft „Schütte dir ein“ bereichern wollen. „Wir wollen Plastik und Verpackungen reduzieren.“

Dabei wäre der Unverpacktladen fast in Sersheim entstanden. „Es ist nicht einfach, in Bietigheim-Bissingen Räume zu finden.“ Doch gemeinsam mit der Bietigheimer Wohnbau fanden sie den perfekten Ort für ihren Laden in der Schieringer Straße 20. Auf 70 Quadratmeter, davon 50 Quadratmeter Verkaufsfläche, entsteht das „Schütte dir ein“. „Ein bisschen größer wollten wir den Laden schon“, sagt Iva Vyroubal, „allerdings brauchen wir in Bietigheim-Bissingen kein Obst, Gemüse oder eine Frischetheke anbieten.“ Das sei alles mit den Wochenmärkten abgedeckt. So werde es bei Familie Vyroubal vor allem trockene Lebensmittel, wie Nudeln, Hülsenfrüchte, Müsli, Reis und Gewürze geben, sowie Drogerieartikel und Utensilien.

Während die Geschäftsidee also von der Pandemie nicht betroffen war, sah es bei den Handwerkern und den Ämtern anders aus. „Die Senkung der Mehrwertsteuer hat uns gebremst, da dadurch viele Handwerker ausgebucht waren“, sagt der 50-Jährige. Und Sonja Haak, Innenarchitektin von paul Generalplaner, ergänzt, dass auch die Ämter mit Genehmigungen länger brauchten, da Mitarbeiter für die Kontaktnachverfolgung eingesetzt worden seien. Zudem steht das Gebäude unter Denkmalschutz und ein altes Fachwerkhaus hat so seine Tücken. „Der Grundriss ist nicht quadratisch“, so Vyroubal. Ein weiterer Dämpfer sei Feuchtigkeit in der Mauer gewesen. „Das haben wir erst beim Umbau gemerkt, als wir den Putz abgeschlagen haben“, sagt Haak und fügt hinzu: „Das hat eine Menge Zeit gekostet.“ Aber es habe sich gelohnt.

Höhepunkte sind nun beispielsweise der Tresen, der das Fachwerk des Gebäudes aufzeigt sowie mit Fliesen gefliest ist, was die Familie Vyroubal an Tschechien erinnern. Dahinter ist eine Tapete aus Moos und Almwiesenblüten. „Das ist ein schöner Dreiklang aus Herkunft, Gebäude und Nachhaltigkeit“, bezeichnet es die Innenarchitektin.

Mit Privatpersonen finanziert

Zwar will das Ehepaar nicht über Finanzen sprechen, doch der ganze Umbau und die für Mitte Mai geplante Eröffnung haben ihren Preis. Um zumindest bei der Beschaffung der Waren eine Finanzspritze zu erhalten, ist das Projekt der beiden bei der Crowdfunding-Platform „Start Next“. Hier haben Vyroubals schon knapp 2500 Euro in Form von Spenden, Einkaufgutscheinen oder vorbestellter Ware erhalten. „Die Bank wollte uns nicht finanzieren, da ist ‚Start Next’ eine einfache Lösung“, erklärt Ondrej Vyroubal. Neben Werbung für den Laden könne er durch die Unterstützung die erste Ware bezahlen – zumindest einen Teil davon. Er könne sich auch vorstellen künftige Projekte, wie die Anschaffung einer Maschine, die direkt im Laden Nussmus herstellt, über Crowdfunding zu finanzieren.

„Gefeiert wird leider nicht“, ist Iva Vyroubal enttäuscht. Das lässt die Pandemie nicht zu. Doch das Ehepaar freue sich dennoch auf „ihr großes Abenteuer“, wie die 50-Jährige es beschreibt. „Das ist ein Herzensprojekt“, beschreibt es auch Sonja Haak.

Info Noch gibt es keinen genauen Eröffnungstag, doch der genaue Termin wird auf der „Schütte dir ein“-Homepage und in der BZ angekündigt.

www.schuettedirein.de

 
 
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