Olympia 1972 Eberhard Gienger war damals dabei

Von Jörg Palitzsch
Eberhard Gienger bei der Bodenkür im Mannschaftswettkampf bei den Olympischen Spielen 1972. Seine Wettkämpfe fanden alle vor dem Attentat statt. Foto: picture alliance/dpa/Karl Schnoerrer

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Region um Bietigheim erinnert sich an das Event an dem er als Turner teilnahm.

Der „Schwarze Dienstag“, 5. September 1972, beendete die bis dahin „fröhlichen“ olympischen Spiele in München, die am 26. August gestartet waren. Eberhard Gienger war damals Mitglied im deutschen Olympia-Team, das 13 Goldmedaillen errang. Im Interview mit der Bietigheimer Zeitung erinnert er sich an das Attentat und den sportpolitischen Kampf zwischen Ost und West. Ebenso spricht er sich für die Bewerbung Deutschlands für Olympische Spiele im Jahr 2040 aus.

Herr Gienger, Sie waren 1972 mit 21 Jahren der jüngste Turner im deutschen Olympia-Team. Wie haben die Sportlerinnen und Sportler damals auf den Überfall palästinensischer Terroristen auf das israelische Team reagiert?

Eberhard Gienger: Das ist etwas zwiespältig. Es gab eine Reihe von Sportlerinnen und Sportlern, die mit ihren Wettkämpfen schon fertig waren. Da haben wir auch dazugezählt, weil wir schon in der ersten Woche dran waren. Und es gab welche, die ihre Wettkämpfe nach dem Attentat hatten. Es lief ja noch einige Zeit ganz normal weiter, bis man die Spiele dann unterbrochen hat. Wir hatten das Glück, die heiteren Spiele, so wie sie geplant waren, miterleben zu können. Aber nach dem Attentat gab es sehr viele, die keine Freude mehr am Wettkampf hatten, nicht mehr teilnehmen wollten und zum Teil schon abgereist waren.

Gab es in den Mannschaften eine politische Diskussion über das Attentat?

Politische Diskussionen eher nicht. Es gab natürlich Diskussionen über das Attentat selbst und wie furchtbar dies alles ist. Das Schlimme war ja, dass wir an dem 5. September abends mit der Meinung ins Bett gegangen sind, dass der Überfall im Olympischen Dorf durch die Polizei im Sinne des Fortgangs der Olympischen Spiele beendet worden sei, die Attentäter tot und alle Geiseln frei sind. So kam es bei uns im Olympischen Dorf an. Woher dieses Gerücht kam, oder wer es in Umlauf gebracht hat, weiß man bis heute nicht so richtig. In jedem Fall war es auch das, was man hören wollte, und somit hat es sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Wir waren dann vollkommen überrascht, als am nächsten Tag alles anders war. Da hat man darüber diskutiert, aber weniger über die politische Lage der Palästinenser oder die besondere Situation der Israelis. Diese Themen kam an diesem Tag noch nicht zum Tragen.

Die damalige DDR trat in München 1972 erstmals mit einer eigenen Mannschaft an, Ziel war es, die Überlegenheit gegenüber der Bundesrepublik zu demonstrieren. Wie hat sich dies bemerkbar gemacht?

Dies hat sich kaum bemerkbar gemacht, außer im Medaillenspiegel. Da hat man schon gesehen, dass die DDR dem westdeutschen Sport überlegen war. Westdeutschland hatte 13 Goldmedaillen, die DDR 20. Insgesamt gab es für die BRD 40 Medaillen, für die DDR 66. Dass war für uns mehr, als zu erwarten war.

Es gab ja damals den goldenen Tag in der Leichtathletik, an dem Speerwerfer Klaus Wolfermann, Hochspringerin Ulrike Meyfarth und Fünfkämpferin Heidi Rosendahl Gold geholt haben. Also drei Goldmedaillen in der Leichtathletik waren damals schon eine tolle Sache. Das hat den Erfolg der DDR, mit Blick auf den Medaillenspiegel, dann doch etwa übertüncht. Dazu zählt auch die DDR-Sprinterin Renate Stecher, die damals als unbesiegbare Größe galt, aber von Heide Rosendahl niedergelaufen wurde. In den folgenden Jahren zeigte sich dann doch, wie erfolgreich die DDR gegenüber der Bundesrepublik war.

Im Jahr 2036 könnte in Deutschland wieder eine Olympia stattfinden, nach sieben erfolglosen Versuchen seit 1972. Eine gute Idee?

Ich würde es befürworten, aber nicht für das Jahr 2036.

Warum nicht?

Weil die Beziehung zu den Spielen vor 100 Jahren sehr stark wäre. Selbst wenn man ein Konzept finden und die Olympischen Spiele 2036 als etwas ganz anderes darstellen würde, ist zu befürchten, dass der Missbrauch, wie damals von den Nazis, immer mitschwingt. Deshalb bin ich dafür, dass sich Deutschland für Olympische Spiele im Jahr 2040 bewirbt. Das hätte auch den Vorteil, dass man sich längerfristig vorbereiten kann.

Wie könnte in der Bevölkerung ein breiter Konsens dafür geschaffen werden?

Momentan ist es ja so, dass es Gegner von solchen Großveranstaltungen und vor allem der Olympischen Spiele gibt. Da meine ich, sollte die Bevölkerung mitgenommen werden, indem man die Begeisterung und die Notwenigkeit für den Sport den Menschen näherbringt. Die Olympia-Bewerbung 2040 müsste deshalb von unten getragen werden. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Bewerbungen, bei denen man versucht hat, Olympia der Bevölkerung aufzusetzen und sie nicht als die Träger der Idee mitzunehmen.

 
 
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