„Peer Gynt“ im Forum Ludwigsburg Auf eine Zigarette mit dem Tod

Von Sandra Bildmann
Der weiße Hirsch auf Krücken röhrt. Foto: Ballett Maribor

Das Slowenische Nationalballett Maribor gastierte in Ludwigsburg. Die beiden Vorstellungen waren gut besucht. 

Es ist die Erzählung der Hybris eines Einzelnen, der alles verliert, was er nie hatte. Das Streben nach Selbstverwirklichung und Macht, das ohne Selbsttäuschung nicht auskommt und das nicht nur zum moralischen Scheitern verdammt ist. Es ist die Erzählung über den „nordischen Faust“.

„Peer Gynt“ war zunächst Protagonist in Henrik Ibsens Drama aus dem Jahr 1867. Ihm zugrunde liegt Stoff aus norwegischen Märchen mit mystischen Fabelwesen sowie Elementen des epischen und absurden Theaters. Als Schauspiel war „Peer Gynt“ erstmals 1876 zu sehen, kombiniert mit der Musik des damals zeitgenössischen Komponisten Edvard Grieg. Mehrere Choreografen haben den Stoff seitdem für ein Tanztheater adaptiert. Im Ludwigsburger Forum zu sehen war am Freitag- und Samstagabend das Slowenische Nationalballett Maribor mit der Version seines Ballettdirektors Edward Clug.

Was die Besucher der zwei Aufführungen zu sehen bekamen, war ein modernes Handlungsballett, bei dem sich der Gestus von Bewegungen und Haltungen der Tänzer stark an natürlichen körperlichen Abläufen orientierte und zu einer menschlichen Authentizität bei aller Surrealität führte. Denn die Geschichte wandelt zwischen den Welten. Choreograf Edward Clug empfindet sie als „unwiderstehliche Mischung aus Naturalismus, Realismus, Absurdem und Metaphysischem“, wie im Programmheft zu lesen ist. Jenes übrigens blieb zunächst in der Post hängen und lag am Vorstellungsabend noch nicht vor. Es erklärt, warum zahlreiche Besucher in der Pause Google zu Rate zogen – denn ohne ungefähren Handlungshintergrund wäre die pantomimische Darbietung schwer zu verstehen gewesen. Zu viele symbolische Aspekte verschleierten etwas die konkrete Handlung.

Da war zum Beispiel der weiße Hirsch, der auf Krücken röhrte. Er begleitete Peer als Symbol durch das Leben und stand damit für eines mehrerer Elemente in einer Meta-Welt mit Bezugssystemen zur Realität, die ihrer Ernsthaftigkeit aber ein Schnippchen schlägt.

Peer Gynt (von Milos Isailovic wandlungsfähig verkörpert) ist ein Träumer und Suchender, der die Lüge als probates Mittel auserkoren hat. Das feit ihn nicht davor, selbst Opfer zu werden. Seine Gier nach Frauen erfährt durch Anitra eine Lektion. Das Mitglied eines marokkanischen Beduinenstamms umgarnt ihn nur, um ihn zu bestehlen. Nachts, als er schläft. Ausgeraubt und mittellos liegt er unser einem orientalischen Teppich. Da kriecht der Tod zu ihm unter die Decke raucht mit Peer die Zigarette danach.

Ein genialer Einfall

Weite Teile der Inszenierung kreisen auf und um einen elliptischen Zirkel – ein erhabener Pfad, eine weiße Schiene, die wie ein Karussell stets zum Ausgangspunkt zurückführt. Ein geradezu genialer Einfall, schreitet Peer Gynt in seinem Leben stets voran und kommt doch nicht vorwärts. Peers Leben ist ein ständiges Kokettieren mit dem Tod, der Peer manchmal vor sich selbst rettet, dem Peer immer wieder von der Schippe springt und der den Protagonisten trotz dessen Verfalls bis zum Schluss nicht überwältigt.

Für die beinahe 50 Tänzerinnen und Tänzer umfassende Compagnie gab es am Freitagabend lange anhaltenden Applaus. Berührend waren die solistischen Szenen, unterhaltsam die großen Ensembles wie der wilde Tanz im Tollhaus und einprägsam die schrumpelig-schaurigen Beulen-Kostüme der Trolle. Zum Kreativteam um Choreograf Clug gehören Marko Japelj (Bühne) und Leo Kulas (Kostüme).

Einzig die Tonqualität der Musik konnte nicht überzeugen. Die tänzerische und choreografische Umsetzung der Geschichte jedoch war von allen Beteiligten hohes künstlerisches Vermögen.  Sandra Bildmann

 
 
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