Porträt Bernhard Schneider „Ich bin sehr verwurzelt in Freudental“

Von Gabriele Szczegulski
Bernhard Schneider, der Geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, hat seine Laufbahn in seinem Geburtsort Freudental, im Kreisaltenheim im Schloss,  begonnen. ⇥ Foto: Evangelische Heimstiftung

Bernhard Schneider ist Geschäftsführer der Evangelischen Heimstriiftung in Stuttgart und damit verantwortlich für 145 Standorte. Sein Werdegang begann in seiner Heimat – ein Porträt.

Morgens um 5 Uhr fährt Bernhard Schneider von Freudental zu seinem Arbeitsplatz in Stuttgart als Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung. Nach einem langen Arbeitstag kommt er abends gegen 19 Uhr zurück, wenn er Glück hat. „Wenn ich nach Freudental komme, fühle ich mich als ob ich im Urlaub bin, das ist für mich Heimat, ich bin tief verwurzelt im Ort“, sagt der Herr über 156 Einrichtungen mit 12 350 Heimbewohnern und 9300 Mitarbeitern. Schneider ist in Freudental bekannt. Nicht nur, weil er dort geboren und aufgewachsen ist, sondern weil er auch lange Jahre Heimleiter des ehemaligen Kreisaltenheims sowie Gemeinderat und Kreisrat war.

Theater gespielt im Schloss Freudental

Das Schloss, ehemals Sitz des Kreisaltenheims, ist für ihn die Wiege seines beruflichen Lebens. „Im Schloss wurden meine beruflichen Weichen gestellt“, sagt er. Schon als Freudentaler Grundschüler spielte er auf der großen Schlossterrasse vor den Heimbewohnern Theater. „Die Stute Helene“ hieß das Stück. Er spielte darin den Stallknecht des Königs, der sehr an seiner Stute hing. Derjenige, der ihm den Tod der Stute überbringen müsse, sei auch des Todes, sagte der König. Und genau das war Aufgabe des Stallknechts. Der griff zu einem Trick und erzählt dem König, dass Helene nicht fresse, nicht trinke, sich nicht bewege, nur rumliege. Darauf der König: „Na, dann isch se wohl hee“ und überbrachte sich also selbst die traurige Botschaft. „Das sind so schöne Erinnerungen an meine Jugend“, sagt Schneider.

Nachdem er bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert hatte, war für ihn klar, dass er bis zum Studium im Pflegeheim im Schloss arbeiten wollte. Ein Jahr lang betreute er die Senioren. „Das prägte meine Lebenslinie und ich spürte so was wie eine Berufung, mich um ältere Menschen zu kümmern“, sagt er.

Nach seinem Studium zum Sozialpädagogen und einer Verwaltungsausbildung bewarb er sich im Freudentaler Kreisaltenheim als Heimleiter. „Das war in Freudental damals der drittwichtigste Job nach dem Bürgermeister und dem Pfarrer“, sagt Schneider. Hier habe er das Rüstzeug bekommen für seine weitere berufliche Entwicklung.

Nach sechs Jahren als Leiter des Heimes wurde er Referent bei der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft. Dort war er maßgeblich für die Umsetzung der 1996 eingeführten Pflegeversicherung zuständig, lernte Dutzende Pflegeheime kennen. Ab 2000 übernahm er die Geschäftsführung der städtischen Pflegeheime in Stuttgart. Und dann kam „die Kirsche auf dem Sahnekuchen“: Ihm wurde die Stelle als Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung angetragen. Die große Verantwortung und die Möglichkeit, sich als Christ in einem diakonischen Unternehmen einzubringen, sei ein Argument für den Job gewesen, aber genauso die Gestaltungsmöglichkeiten. „Die größte Herausforderung ist es doch, die Pflege menschlich und professionell zu gestalten und weiter zu entwickeln“, so Schneider.

Individualität der Einrichtungen muss erhalten bleiben

Vor allem gehe es bei seiner Aufgabe darum, Kommunikation so zu organisieren, dass alle Menschen in seiner Organisation, die Informationen haben, die sie für ihre Arbeit brauchen. Und natürlich sei es auch eine Herausforderung, dass die Individualität der jeweiligen Einrichtung nicht verloren gehe. „Die Qualität entsteht nicht in der Zentrale in Stuttgart, sondern vor Ort“ sagt Schneider, der immer wieder einen Praxiseinsatz macht, um den Bezug zur Basis nicht zu verlieren. Er hält regelmäßig Kontakt zu den Mitarbeitern, die von Mannheim bis Friedrichshafen und von Kehl bis Heidenheim in ganz Baden-Württemberg arbeiten.

„Wir organisieren jeden Tag etwa 100 000 Begegnungen mit Menschen und in jeder einzelnen entscheidet sich gute Pflege. Ich frage mich, was kann ich heute tun, dass jede Begegnung optimal gelingt“, sagt Schneider. Er hat auch die Antworten: „Beste Rahmenbedingungen für Bewohner und Mitarbeiter zu schaffen“. Dazu gehörten moderne, wohnliche Einrichtungen, die optimal ausgestattet sind. „Seit etwa 20 Jahren sollen Pflegeeinrichtungen möglichst mitten im Ort gebaut werden, wie in Ingersheim, Walheim, Sersheim, oder mit unserem neuen Projekt in Bönnigheim“, so Schneider. Andererseits müsse für genügend und gut ausgebildetes Personal gesorgt werden. „Ich bin sicher wir haben die besten Personalschlüssel bundesweit und mit dem Diakonietarif eine sehr gute Bezahlung“. In den vergangenen Jahren sei das Personal deutlich aufgestockt worden, was sich leider auch in hohen Pflegesätzen niederschlage.

So sei es den Heimen auch gelungen, die Herausforderungen, die mit der Pandemie kamen, anzunehmen. „Wir konnten als großer Träger die Heime sehr früh mit Schutzkleidung und Masken ausstatten, Besuchs- und Testkonzepte ausarbeiten und zusätzliche Mitarbeiter einstellen, die sich nur ums Testen oder ums Besuchsmanagement kümmern.“ Er wolle nie mehr die Bewohner so isolieren wie das im Frühjahr 2020 notwendig war, „das war schlimm und hat uns allen das Herz gebrochen“, sagt Schneider.

Er arbeite sehr strukturiert, sagt er. So sei es möglich, dass er morgens bis neun Uhr seine Post, Mails oder Unterschriften erledigt hätte. „Dann kommt die Zeit zu reden und zuzuhören.“ Für die Zukunft der Altenpflege sei es immens wichtig, Antworten auf die zunehmend individuellen Bedürfnisse der Menschen auch im hohen Alter zu finden. Der demografische Wandel und der berechtigte Anspruch auf Selbstbestimmung und Lebensqualität, seien eine Herausforderung. Auch die Digitalisierung werde in der Pflege eine größere Rolle spielen. „Die 80-Jährigen der Zukunft haben andere Erwartungen als heute – dem müssen wir gerecht werden“, sagt Schneider, der die Lösung in smarten, betreuten Pflegewohnungen sieht, wie in der WohnenPLUS-Residenz in Ingersheim. Dort können alte Menschen in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben, auch wenn sie auf Pflege angewiesen sind. Aber:  „Auch in der Pflege muss übers Geld gesprochen werden“ so Schneider. „Das Problem ist aber nicht, dass die Pflege zu teuer ist, sondern dass die Pflegeversicherung zu wenig bezahlt.“ Deshalb muss nach Ansicht von Schneider der Eigenanteil, den die Pflegebedürftigen zahlen müssen, gedeckelt werden.

Entspannung für all diese Aufgaben findet der 62-Jährige zu Hause, bei der Gartenarbeit in seinem Gartenstückle in Freudental, beim Wandern oder Biken im Stromberg oder beim Lesen. Außerdem hat er drei Enkelkinder mit denen er gerne spiele. „Und ich bin seit 40 Jahren glücklich verheiratet, das erdet“, sagt Bernhard Schneider.

 
 
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