Prozess: Schüsse in Asperg In einem „Wimpernschlag“ getötet

Von Von Petra Häussermann
LKA-Beamte bei der Spurensicherung am Tatort in Asperg. Foto: /Martin Kalb

Im Verfahren um die Schießerei zwischen Jugendlichen in Asperg sagten am Donnerstag Forensiker und Gutachter aus. Der mutmaßliche Haupttäter ist demnach schuldfähig.

Mit mindestens zehn Schüssen in weniger als drei Sekunden hat der Haupttäter im Prozess um die tödlichen Schüsse in Asperg ein Menschenleben ausgelöscht – und fast noch ein zweites. Das ergaben die Gutachten der Sachverständigen, die am Donnerstag in dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gehört wurden. Neben dem Rechtsmediziner und einem Fachmann des Landeskriminalamtes für Multimediaforensik erstattete auch ein psychiatrischer Gutachter Bericht.

Pöbeleien im Gerichtssaal

Aus Rücksicht vor den Eltern, die Nebenkläger sind, entschied sich der Vorsitzende Richter Matthias Merz gegen das Zeigen der Bilder des rechtsmedizinischen Gutachters auf der großen Leinwand im Gerichtssaal. Als dieser ansetze, den Tatort mit dem getöteten Lukas zu beschreiben, verließ dessen Mutter den Saal. Die Polizei musste während der Gerichtsverhandlung einige Personen wegen Pöbeleien des Saales verweisen, die sie vor dem Gerichtsgebäude fortsetzten.

Dem Rechtsmediziner Tobias Marx zufolge führten die beiden Schüsse, die den „gesunden jungen Mann“ am Kopf trafen, innerhalb „eines Wimpernschlages“ zum Tod, dadurch stürzte er ungebremst auf den Schotter des Parkplatzes. An seinen beiden Händen fand er keine Schmauchspuren, die auf einen Waffeneinsatz seinerseits hätten schließen lassen. Ebenso wenig hatte das Opfer zuvor Alkohol getrunken. Laut Untersuchung habe der junge Mann wahrscheinlich kurze Zeit zuvor einen Joint geraucht; für eine regelmäßige Einnahme von Cannabis gebe es keine Hinweise.

Nur mit Glück überlebt

Das zweite Opfer wurde von mindestens zehn Schüssen getroffen und befand sich dem Experten zufolge daraufhin „im Sterbeprozess“. Der junge Mann habe nur durch Glück überlebt, weil er sehr schnell vor Ort eine gute Versorgung erhielt und zügig in der Klinik notoperiert wurde. Bleibende Schäden an Lunge und Schulter seien jedoch wahrscheinlich.

Die beiden jungen Männer waren vorige Ostern auf einem Schotterparkplatz mitten in Asperg niedergeschossen worden. Weder in den Vernehmungen der Polizei noch in der Anhörung zahlreicher Zeugen im Prozess vor der 2. Großen Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart fand sich bislang stichhaltige Anhaltspunkte für den Auslöser der Tat. Von den drei Angeklagten im Alter von 18 und 21 Jahren hat sich einer zu den Schüssen bekannt, ein anderer fuhr ihn und der dritte will nicht dabei gewesen sein.

Nach Befund des Rechtsmediziners wurden die beiden Opfer von vorne von sogenannten Vollmantelprojektilen getroffen. Aus der Art der Verletzungen leitete er zudem ab, dass der Schütze mehrere Meter entfernt gestanden haben muss.

Innerhalb der drei Sekunden wurden dem LKA-Experten zufolge insgesamt 21 Schüsse abgegeben. Der Fachmann für Multimediaforensik hatte die Knallgeräusche, die eine Dashcam, also eine Kamera auf einem Armaturenbrett, aufgezeichnet hatte, mit drei unterschiedlichen Messmethoden ausgewertet.

Nach Durchsicht von Akten einem Gespräch mit dem Schützen und dessen Vater stellte der psychiatrische Sachverständige Professor Michael Günter weder eine krankhafte seelische Störung noch eine wesentliche Beeinträchtigung durch den vorherigen Alkohol- und Kokainkonsum des Haupttäters fest; er sah somit keine verminderte Schuldfähigkeit.

Zwischen dem langjährigen Drogenkonsum und der Tat besteht auch kein kausaler Zusammenhang im Sinne des Gesetzes, erläuterte der Kinder- und Jugendpsychiater. Vielmehr sei die Tat „ein singuläres Ereignis“ gewesen. Der Angeklagte sei eher geordnet und klar gewesen, etwa mit der Eingangsfrage beim Aufeinandertreffen der Jugendlichen „Wer macht Stress mit meinem Cousin“. Die Mitnahme der Waffe zeige, dass „eine gewisse Bereitschaft zur Auseinandersetzung“ vorhanden war.

Urteil im April erwartet

Nach nunmehr 16 Verhandlungstagen seit Januar schloss der Vorsitzende Richter nach dem Bericht der Jugendgerichtshilfe und der Verlesung der Vorstrafen der Betroffenen die Beweisaufnahme in dem Verfahren. Demnach hat der 21-jährige Schütze keinen Eintrag. Der gleichaltrige Fahrer musste vor einigen Jahren wegen unerlaubten Tragens einer Schreckschusswaffe 40 Arbeitsstunden leisten. Der jüngste Angeklagte hat drei Einträge wegen versuchter Nötigung, Körperverletzung und Beleidigung.

So werden in den kommenden Verhandlungstagen die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage sowie die sechs Anwälte der Angeklagten ihre Plädoyers vortragen, bevor die Kammer voraussichtlich noch im April ihr Urteil spricht.

 
 
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