Rückblick auf die Biomüll-Diskussion in Bietigheim-Bissingen Vor fünf Jahren: Bürger wollen entscheiden

Von Uwe Mollenkopf
Der Steinbruch Fink aus der Luft. Die Arbeiten zur Rekultivierung laufen. Foto: Werner Kuhnle

Im Frühjahr 2016 war der geplante Bau einer Biomüllvergärungsanlage im Steinbruch Fink Diskussionsthema Nummer 1 in Bietigheim-Bissingen.

Während sich in diesem Frühjahr fast alles nur noch um Inzidenzwerte, Lockdown und Impfungen dreht, beherrschte im Frühjahr vor fünf Jahren ein ganz anderes Thema die Schlagzeilen in Bietigheim-Bissingen. Damals ging es darum, ob im Steinbruch Fink eine Biomüll-Vergärungsanlage errichtet würde oder nicht. Ein Rückblick.

Das Bürgerbegehren

Rathaus Bietigheim, 10. März 2016. Nachdem ihre Mitglieder wochenlang aktiv waren, übergibt die Bürgerinitiative „Weder Bio noch gut“ Oberbürgermeister Jürgen Kessing eine Liste von 7899 Unterschriften. So viele haben sich dafür ausgesprochen, einen Bürgerentscheid über die geplante Biomüllvergärungsanlage im Steinbruch durchzusetzen. Die Zahl entspricht 22,8 Prozent der wahlberechtigten Bürger der Stadt, und damit mehr als drei Mal so viel wie nötig.

Damit sind die Weichen dafür gestellt, dass die Bürger über das umstrittene Projekt abstimmen können. Am 10. Mai legt es der Gemeinderat per Mehrheitsbeschluss in die Hand der Bietigheim-Bissinger, am Sonntag, 17. Juli, zu entscheiden, ob der Beschluss des Gemeinderats aus dem vergangenen Jahr, eine solche Anlage im Steinbruch zu bauen, bestätigt oder gekippt wird.

Die Entscheidung

Der erste Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt sollte einen Ausweg aus der Spaltung, welche die Stadt in Sachen Biomüll ergriffen hatte, herbeiführen. Die Befürworter lobten das Projekt, das  auf einer Ausschreibung der kreiseigenen AVL beruhte. So sollte mehr Ökologie im Landkreis verwirklicht werden. Zum einen mit Blick auf die Transportwege, da der Biomüll bis dahin in Richtung Odenwald gefahren wurde, um dort zu Kompost verarbeitet zu werden. Zum anderen als Zeichen der Energiewende. Denn aus dem Bioabfall sollten Strom und Wärme hergestellt werden.

Die Gegner befürchteten hingegen mehr Lärm und Verkehr vor Ort und bezweifelten, dass das Ganze, wie vom Betreiberkonsortium, zu dem auch die Stadtwerke gehörten, versichert wurde, geruchlos von sich gehen werde. Schlussendlich siegten die Kritiker. Beim Bürgerentscheid im Juli stimmte eine klare Mehrheit gegen das Projekt. Knapp 81 Prozent lehnten die Biomüllanlage ab, bei einer Wahlbeteiligung lag bei 45 Prozent.

Die Alternative

Das Votum der Bürger hat bis heute nachwirkende Folgen. Ein Jahr nach dem Bürgerentscheid, im Juli 2017, gab das Landratsamt bekannt, dass ein neuer Standort für eine Biomüllvergärungsanlage gefunden sei. Die Alternative liegt rund 100 Kilometer entfernt in der Pfalz auf der Gemarkung der kleinen Gemeinde Westheim im Kreis Germersheim. Der Kreis Ludwigsburg könnte 28 000 Tonnen Biomüll dorthin liefern, so der Plan. Nach eineinhalbjähriger Bauzeit konnte der Bauherr, die Biogutvergärung Bietigheim GmbH, die rund 17 Millionen Euro teure Anlage dort im Oktober 2019 einweihen. Damit gibt es nun doch eine Vergärungsanlage für den Biomüll aus dem Landkreis, doch muss dieser über weite Strecken zu seinem Zielort transportiert werden.

Die Rekultivierung

Für den Steinbruch hatte der Bürgerentscheid folgende Konsequenzen: Die Genehmigung für den Gesteinsabbau war bereits 2012 ausgelaufen, dadurch hatten auch die nachgelagerten Betriebe (Betonwerk, Recyclinganlage plus Schüttgutumschlag) die Privilegierung im Außenbereich verloren, das heißt, auch für sie tickte die Uhr. Im Bebauungsplan, der im Zusammenhang mit der Vergärungsanlage aufgestellt worden war, waren diese Betriebe berücksichtigt worden, doch der Plan war durch das Bürgervotum Geschichte. Das bedeutete, dass die Genehmigung auch für diese Tätigkeiten auslief. Das Makadamwerk Schwaben, dessen Ende 2017 sein sollte, kämpfte zwar um seinen Weiterbetrieb und erreichte mit rechtlichen Mitteln die Sicherung des Betriebs bis Ende 2019, doch dann war auch hier Schluss. Das Anrufen des Petitionsausschusses war vergeblich.

Somit muss der gesamte Steinbruch wieder rekultiviert werden, wie auch in den Jahrzehnten davor schon abgebaute Flächen wieder verfüllt und der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt wurden. Seit dem Jahr 2018 läuft diese Arbeit in Abstimmung mit den Behörden, und mit unbelastetem Erdaushub-Material wird das Gelände nach und nach aufgefüllt.

 
 
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