Sachsenheim/Valréas Der süße Duft des schwarzen Pilzes

Von Michael Soltys
Christian Merin zeigt Kunden auf dem Markt von Riverenches sein Sortiment an Trüffelprodukten. Foto: Michael Soltys

Warum sich ein Besuch in der Partnerstadt Valréas im Department Vaucluse auch im Winter lohnt: Die Region ist das Zentrum des französischen Trüffelanbaus.

Im „Café de la Paix“ am Rande des historischen Zentrums von Valréas riecht es süßlich-intensiv. Das erdige Aroma durchzieht den ganzen Raum, der noch den Charme des frühen 20. Jahrhunderts verbreitet. Unter den hohen Decken mit der rot-beigen Art-Nouveau-Dekoration und den historischen Werbeplakaten sind die Tische an diesem Januartag mitten in der Woche gut gefüllt. Einheimische und Touristen: Sie alle sind wegen des Geruchs gekommen oder vielmehr wegen des Pilzes, der ihn verursacht: Tuber melanosporum, der schwarze Trüffel, der vergrabene Schatz des Departements Vaucluse, in dessen Zentrum Valréas liegt, der Pilz, den sie hier den schwarzen Diamanten nennen.

Hochburg der Trüffelbauern

Mit der Neudekoration um 1900 hatte der damalige Besitzer Louis Faure das Café als Treffpunkt der Honoratioren und der „trufficulteure“ konzipiert, der Trüffelbauern. Das zeigt die Bedeutung dieses Pilzes für die Region, der heute im ganzen Departement professionell angebaut wird. Haine mit Eichen, an deren Wurzeln die kostbaren Pilze wachsen, säumen die Straßen. Hier, auf kalkreichem, wasserdurchlässigem Boden funktioniert die Symbiose aus Eichen und Pilzen besonders gut. Alleine das Touristenbüro von Valréas zählt 14 Trüffelanbauer in seinem Zuständigkeitsbereich, davon drei in Valréas.

Anne Cunty ist eine von ihnen. Auf ihrem weitläufigen Anwesen nahe dem Ort Pernes-les-Fontaines südlich von Valréas geht sie mit ihrem Hund Pepite auf die Suche nach Trüffeln. Schnüffelnd, die Nase dicht über dem Boden, wetzt er zwischen den Eichenstämmen hin und her. Unvermittelt kratzt er den Boden auf. Das ist das Signal für Anne. „Stopp, Pepite, stopp“, ruft sie, stürzt auf den Hund zu, schiebt ihn weg von dem Loch, in das Pepite seine Schnauze gesteckt hat.

Mit einem Stecheisen fängt Anne selbst an zu graben und kratzt die Erde weg, bis sie auf den Trüffel stößt, ein kleines schwarzes runzeliges Etwas. Jetzt, wo er an der frischen Luft ist, verbreitet der Rabasse, wie er im Vaucluse genannt wird, seinen süßlich-intensiven Duft zwischen den Bäumen.

1400 Euro für ein Kilo Trüffel

Zehn Zentimeter tief im Boden versteckt konnte ihn nur Pepites feine Nase aufspüren. Der kleine Hund ist blind, dafür funktioniert sein Geruchssinn umso besser. Sein Spürsinn wird mit einem Leckerli belohnt. Der schwarze Wintertrüffel bildet die Speerspitze der Qualität. Er ist begehrt in der Gastronomie - und bei den Dieben. Annes Eichenhain ist videoüberwacht, kein Wunder bei Preisen, die von 600 bis zu 1400 Euro das Kilo variieren, je nach Saison. Die beginnt um Weihnachten und dauert bis Ende Februar. Trüffeldiebstahl ist kein Kavaliersdelikt. Das bekam auch der Dieb zu spüren, den Anne mit Hilfe der Polizei kürzlich mit 300 Gramm in der Tasche erwischt hat. Zehn Monate auf Bewährung lautete das Urteil für den Wiederholungstäter.

Vielleicht liegt es am Wert des schwarzen Pilzes, vielleicht auch an der Geheimnistuerei von Pilzsammlern, dass Trüffelhandel ein verschwiegenes Geschäft ist. Einen Eindruck davon bekommt man in Richerenches. Ein paar Autominuten von Valréas entfernt, decken sich dort jeden Samstag die professionellen Händler, die „courtier“, mit Ware ein. Stolz werden besonders große Exemplare präsentiert, die ein Pfund oder mehr wiegen.

Geschäfte aus dem Kofferraum

Das Geschäft selbst findet versteckt unter dem Kofferraumdeckel statt, „am Hintern der Autos“, wie es Muriel Pellegrin, die Vize-Chefin des Touristenbüros aus Valréas und Mitglied im Partnerschaftskomitee Sachsenheim-Valréas, bei einem Rundgang ausdrückt. „Man kennt sich, häufig schon seit Jahren.“

In abgegriffenen Rucksäcken und verschmutzten Einkaufstaschen wird die teure Ware angeboten. Schnell wechseln ein paar hundert, wenn nicht gar Tausende Euro bar den Besitzer. Noch am selben Tag gehen die wertvollen Pilze an Zwischenhändler, an regionale Bistros wie das Café de la Paix, aber auch an Luxusrestaurants in Paris.

Nur eine Straße weiter bieten Händler wie Christian Merin Trüffelprodukte für die breite Kundschaft an: Trüffelbutter, Trüffelkäse, Trüffelpastete, Trüffelöl. Neugierige Kunden lässt Merin schon mal gerne an dem Pilz riechen. Und es kommen genügend, die sich für das Wochenende eindecken wollen. Der aktuelle Preis: 900 Euro das Kilo. Die Summe ist relativ. Zehn Gramm des Pilzes reichen, um Gerichte für ein bis zwei Personen mit dem Aroma des Pilzes einzudecken, erläutert Muriel, grob gerechnet, je nach Tagespreis also fünf bis acht, vielleicht auch zehn Euro pro Person.

Richerenches: Trüffelmarkt und Templersitz

Der Trüffelmarkt in Richerenches findet von Mitte November bis Mitte März jeden Samstag statt. Die Preise für den Pilz sind vor allem im Dezember sehr hoch, ihre eigentliche Reife erreichen die Trüffel jedoch erst Mitte Januar. Grundlegende Informationen über den Trüffelanbau erhält man im kleinen Museum der 700-Seelen-Gemeinde, die früher ein Sitz der Tempelritter war. Das Touristenbüro in Valréas, www.grignanvalreas-tourisme.com, vermittelt auf Anfrage die Teilnahme an einer „Cavage“, der Trüffelsuche mit einem Hund. sol

 
 
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