Schießen in der Pandemie: Zu Besuch bei der Schützengilde Ludwigsburg „Der Funke springt kaum über“

Von Andreas Eberle
Obwohl keine Zuschauer erlaubt waren, hatten die Französin Sandrine Goberville (links) und die Bietigheimerin Julia Hochmuth beim Heimwettkampf der Schützengilde ihren Spaß.⇥ Foto: Avanti

Die Pandemie stellt die Sportschützen vor vielfältige Herausforderungen. Die Bundesliga-Wettkämpfe werden ohne Fans zum sterilen Wettschießen. Ein Besuch bei der SGi Ludwigsburg in Hoheneck. Von Andreas Eberle

Schüsse aus zehn Luftpistolen knallen monoton im Stakkato, während im Hintergrund „Take on me“ von A-ha aus den Boxen scheppert. Ansonsten ist lange nichts hören. Bis drei Vereinsmitglieder der SGi Ludwigsburg zu ihren Ratschen greifen und klappern, was das Zeug hält. Mit dem Lärm wollen sie ihre fünf Schützen im Bundesliga-Wettkampf gegen den KKS Hambrücken anspornen.

Dieser kurzzeitige Stimmungsausbruch kann aber nicht übertünchen, dass das Wettschießen unter Pandemie-Bedingungen nur wenig mit einem normalen Wettkampf zu tun hat. Zuschauer in dreistelliger Zahl fiebern dort gewöhnlich mit. In Corona-Zeiten sind hingegen Geisterduelle angesagt, sprich: Publikum ist nicht erlaubt. Wo sonst Trommeln, Schrapinstrumente, Applaus, Gejohle und Anfeuerungsrufe für Volksfest-Flair sorgen, herrscht jetzt eine Atmosphäre wie beim Arzt: Es geht steril und leise zu.

Saison 2020/21 fiel aus

„Der Funke springt kaum auf die Sportler über, aber wir sind froh, dass wir überhaupt die Saison schießen durften“, sagt Ludwigsburgs Teamchefin Kathrin Hochmuth und verweist auf die Runde 2020/21, die pandemiebedingt komplett ausgefallen war.

Ihre Tochter Julia, die seit 18 Jahren für die Schützengilde in der Bundesliga antritt, nimmt die Situation pragmatisch. „Wir sind Leistungssportler. Sobald wir im Wettkampf sind, geben wir alles und blenden das Drumherum aus“, sagt die 34-jährige Bietigheimerin. Die zwischenmenschlichen Begegnungen abseits des Schießstands fehlen aber auch ihr: „Ich vermisse das Plaudern mit dem Gegner und den Fans, das gegenseitige Abklatschen, die herzlichen Umarmungen.“ Immerhin sechs Vereine der Bundesliga Süd waren am Wochenende bei den letzten beiden Wettkämpfen in Hoheneck gefordert. Jeder durfte allerdings höchstens zehn Personen mitbringen – die fünf Luftpistolenschützen, Trainer und Betreuer inklusive.

Premiere im Schützenhaus

Für ihren Heimwettkampf war die Schützengilde erstmals an einen anderen Ort ausgewichen. Geschossen wurde nicht in der geräumigen Halle der KSV Hoheneck, sondern im eigenen kleinen Schützenhaus, das eigentlich gar nicht für die Bundesliga zugelassen ist. Um den Klubs finanzielle Belastungen zu ersparen, drückte der Deutsche Schützenbund ausnahmsweise ein Auge zu. Kathrin Hochmuth zufolge wären sonst Kosten von 1600 Euro für Miete und Anlage entstanden. Mangels Besucher stünden diesen Ausgaben keine Einkünfte, etwa durch die Bewirtung, gegenüber. „Ohne Zuschauer keine Einnahmen“, bringt die Funktionärin das Dilemma auf den Punkt.

Einsatzplanung als Puzzlespiel

Eine weitere Herausforderung betraf die Ausländer. Für den einen internationalen Startplatz pro Wettkampf hatte der Verein mit Joonas Kallio (Finnland), Richard Zechmeister (Österreich) sowie den Schwestern Celine und Sandrine Goberville (Frankreich) zwar gleich vier Topleute in petto. Die Einsatzplanung geriet aber zum Puzzlespiel. Denn in jedem Land galten andere Quarantäne-, Impf-, Ein- und Ausreisevorschriften, die sich auch noch ständig änderten. Von den beruflichen, privaten und sonstigen sportlichen Verpflichtungen der Stars ganz zu schweigen. „Wir haben bis zum letzten Tag mit der Buchung der Flüge und des Hotels gewartet, um auf Nummer sicher zu gehen“, berichtet Hochmuth. Konkurrenten, die auf Verstärkungen aus Osteuropa gesetzt hatten, waren noch schlimmer dran: Schützen, die mit einem in der EU nicht zugelassenen Impfstoff wie Sputnik geimpft waren, blieben ganz außen vor, ebenso wie alle Nicht-Immunisierten.

Käsespätzle bei der Teamkollegin

Frankreichs Nationalschützin Sandrine Goberville flog am Freitag extra aus Paris ein, um beim Rundenabschluss dabei zu sein – und nach fast zwei Jahren Zwangspause mal wieder für den Meister von 2019 zu schießen. Da die Rückreise aufgrund des ausgedünnten Flugplans erst am Montag möglich war, nahm die 37-jährige Sekretärin sogar zwei Tage Urlaub. „Ich habe das Team so lange nicht mehr gesehen und es vermisst. Außerdem liebe ich es, in der Bundesliga zu schießen“, sagt Goberville. Und ein bisschen Geselligkeit war schließlich auch noch möglich: Mitstreiterin Julia Hochmuth lud die Französin am Sonntag nach dem 3:2-Sieg gegen Dynamit Fürth zu sich nach Hause zum Käsespätzle-Essen ein.

Das Teilnehmerfeld fürs Bundesliga-Finale

Die besten vier Teams der Bundesligen Süd und Nord ermitteln am 5. und 6. Februar auf der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück (bei München) den neuen Deutschen Meister. Mit dem ESV Weil am Rhein und Rekordchampion SGi Waldenburg nehmen auch zwei Teams aus Baden-Württemberg am DM-Finale teil – die beiden Klubs belegten im Süden Platz eins und zwei. Qualifiziert sind zudem der SV Kelheim-Gmünd und die SSG Dynamit Fürth sowie aus dem Norden der SV 1935 Kriftel, der SV GK Hannover, die Sportschützen Raesfeld und der SV Falke Dasbach. Der aktuelle Titelträger Braunschweiger SG hat sich vor der Saison aus der Eliteklasse zurückgezogen. ⇥ae

 
 
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