Schneewittchen im Kronenzentrum Bietigheim Anti-Aging-Mittel wird Lebenselixier

Von Sandra Bildmann
„Schneewittchen – das Musical“, begeisterte im Kronenzentrum Bietigheim das Publikum mit einer modernen Version des Grimmschen Märchens.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Mit einer abgewandelten, modernen Form von „Schneewittchen“ begeistert das Theater Liberi im Kronenzentrum.

Ein Prinz mit langem wallendem Haar, bartlose Zwerge ohne Zipfelmütze und ein Schneewittchen, das mittels Zaubertrank ins Leben zurückkehrt: Es war eine etwas abgewandelte Form des Märchen-Klassikers, die das Theater Liberi am vergangenen Freitag bei seinem Gastspiel im Kronenzentrum den rund 180 Zuschauern zeigte. Das Team um Regisseurin und Choreografin Carolin Pommert setzte auf eine lebensfrohe Gestaltung in Musicalform.

Mehrere Versionen
der bekannten Frage

„Spieglein, Spieglein, …“ – jedes Kind vermag diesen Satz zu vervollständigen: „… an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Doch die Königin dieser Version fragt immer wieder neu und anders. Es antwortet stets ein schemenhaftes Frauengesicht auf Videowänden recht emanzipiert und erlaubt sich, Rückfragen zu stellen. Und weil der Spiegel vehement darauf beharrt, dass ihre Stieftochter Schneewittchen tausendmal Mal schöner ist, verbannt die Königin jene in den Wald.

Man stelle sich ein traumatisiertes, verängstigtes Mädchen vor, mutterseelenallein in der kalten Finsternis. Plötzlich taucht aus dem Dickicht ein unbekannter Mann auf. Das Mädchen müsste einen Riesenschreck bekommen und panisch davonlaufen. Doch zu einer misstrauischen, zurückhaltenden Person wurde Schneewittchen nicht erzogen.

Der Prinz – den man Fynn getauft hatte – findet ihren Namen ziemlich „cool“ und so fliegt ihm Schneewittchens Vertrauen in Windeseile zu. Ob das für die Kinder-Zielgruppe pädagogisch sinnvoll ist? In einer Märchenwelt so zwischen vorstellbarer Realität und Fiktion mag das für den einen oder anderen auch nicht die entscheidende Frage sein. Denn wirklich glaubwürdig sind Märchen schließlich nie. Da sind einfach zu oft alle zur richtigen Zeit am richtigen Ort, damit am Ende alles gut ausgeht.

Zwerge tragen extravagante Mooshüte

Während das blau-gelbe Kleid Schneewittchens dem Disney-Klassiker nachempfunden war, trug der Prinz (Leonhard Lechner) ein ausgesprochen bürgerliches Gewand. Auch die Zwerge waren mit extravaganten Mooshüten, aber ohne Zipfelmützen und Bärte individuell kostümiert.

Sieben Akteure auf der Bühne stemmten die gesamte Produktion – was dazu führte, dass Schneewittchen nie sieben Zwerge sah. Nur einmal tanzten sieben grüne Männlein durch den Wald: Bei der Ensemble-Szene kurz vor der Pause, als sich auch die Königin, der Prinz und Schneewittchen in Zwerge verwandelten.

Für eine Umsetzung im Musical-Stil gibt der Märchenstoff – für den die Gebrüder Grimm einst mehrere Geschichten ineinander verwoben hatten – einiges her. Während sich Schneewittchen (Nicole Elisabeth Lehmann) im Wald Mut ansang („Ich weiß nicht weiter, kusch wie ‘ne Maus, wenn ich nichts tue, dann ist es aus“) waren die Zwerge (besonders herrlich anzusehen: Sandra Naleppa als Bomrin) erwartungsgemäß für den launigen Teil der Aufführung zuständig und hopsten mit ihren dicken Bäuchen nicht nur komödiantisch durch die Gegend, sondern erheiterten auch damit, sämtliche Sprichworte durcheinanderzubringen.

Kitschgeflutete
Liebesgeschichte

Und weil in nahezu jedem guten Märchen auch eine Liebesgeschichte eingebaut ist, wurde auch am Freitagabend kitschgeflutet geflirtet. Aber Stopp: Vor dem Happy End muss Schneewittchen ja noch in den vergifteten Apfel beißen. Sie tat es und sackte praktischerweise direkt vor der Zwergenhütte zusammen.

Der Prinz müsste das Mädchen eigentlich durch einen Kuss wieder zum Leben erwecken, doch das übernahm – Achtung, coronakonformer Clou! – ein Zaubertrank. Das Anti-Aging-Mittelchen der Königin wird kurzerhand zum Lebenselixier Schneewittchens.

Das Publikum feierte das Ensemble des Bochumer Theater Liberi, das sich auf Familien-Musicals spezialisiert und eigenen Angaben nach bereits über eine Million Zuschauer begeistert hat.

Die 2008 gegründete Firma zeigt ausschließlich Eigenproduktionen und hat derzeit fünf weitere Musicals im Repertoire. Für „Schneewittchen“ gab es von den Bietigheim-Bissingern mächtig Applaus, so dass die Darsteller noch zwei energiegeladene Zugaben drauflegten und in viele glückliche Kindergesichter blickten.

 
 
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