Schuldnerberatung im Landkreis Ludwigsburg Bedarf an Beratung steigt

Von Von Martin Hein
Die Privatinsolvenz ist eine Möglichkeit, aus der Überschuldung herauszufinden. Sie ist ein gerichtliches Verfahren. ⇥ Foto: Alexander Heinl

In den letzten acht Jahren hat sich der Zahl der Menschen, die Hilfe suchen, etwa verdoppelt. Arbeitslosigkeit ist häufig der Auslöser für die schwierige finanzielle Situation.

Hier ein hübsches Kleid kaufen, dort ein neues Auto finanzieren, Handyvertrag, Krankheit, oder plötzlich ohne Job – der Weg der in die Schulden führt, hat viele Varianten, weiß Alf Scheible, der Leiter der Schuldnerberatungsstelle beim Landratsamt.

Gegenwärtig betreut nach Aussage von Alf Scheible die Schuldnerberatung etwa 360 Personen. Die Zahl der Beratungen ist in den letzten acht Jahren stark gestiegen. Derzeit gibt es im Landkreis drei Beratungsstellen: der Kreisdiakonieverband und Sozialberatung, die TiB-Sozialberatungsstelle und eben die Schuldnerberatungsstelle des Landratsamtes.

Ab wann ist man überschuldet?

Als überschuldet gilt man, wenn nach Abzug der existenzsichernden Zahlungen (Miete, Lebensmittel, Energie), das dann noch verfügbare Einkommen nicht mehr ausreicht, die Verbindlichkeiten zu bezahlen. Der jeweils angehäufte Schuldenstand unterscheidet sich von Fall zu Fall stark, so Alf Scheible. Das kann ein Jugendlicher sein, der zwei- bis dreitausend Euro Schulden hat und Hilfe braucht, oder ein ehemaliger Selbständiger, den eine Schuldenlast in Millionenhöhe drückt. Scheible betont, dass der Leidensdruck nicht zwingend von der Höhe der Schuld abhänge, sondern individuell sehr unterschiedlich sei. Der Beratungsbedarf habe sich in den letzten acht Jahren etwa verdoppelt.

Was führt zur Überschuldung?

Die Ursachen, die zur Überschuldung führen, sind nach Aussage von Scheible,mannigfaltig. Bei Erwachsenen steht tatsächlich die Arbeitslosigkeit an erster Stelle. Krankheiten, die bei längerer Dauer eine Einkommensreduzierung zur Folge haben, spielen ebenfalls eine große Rolle, Trennungen und Ehescheidungen können genauso in die Schulden führen, wenn statt einem, dann zwei Haushalte finanziert werden müssen, oder der Tod eines Partners, wodurch plötzlich ein Einkommen oder eine Rente wegfällt, und die Wohnungskosten trotzdem weiterhin gestemmt werden müssen.

Bei Jugendlichen sieht Alf Scheible oft die wirtschaftliche Unerfahrenheit als Ursache. Vor allem die fehlende Kenntnis, so genannte Konsumimpulse zu kontrollieren, lässt das Konto von jungen Leuten rasch in die roten Zahlen stürzen.

Bei jungen Männern ist das zunehmend die Spielsucht, die in kurzer Zeit großes finanzielles Elend verursacht, bei Frauen beobachtet die Schuldnerberatung häufig eine regelrechte Kaufsucht. Oft belasten auch Handyverträge und viele Internet-Bestellungen massiv die Konten der jungen Menschen. Überhaupt sei das Auto tatsächlich bei allen Altersklassen ein ganz großer Kostenfaktor.

Jugendliche sind besonders bei Online-Spielen gefährdet, ihr Konto zu überziehen. Das tückische dabei sei, so Scheible, dass die Spiele oft bis zu einem bestimmten Level kostenlos sind, aber der Spieler ab da nur über so genannte In-App-Käufe im Spiel richtig weiterkommt. Hier nutzen die Spielehersteller den bei den Spielern einmal geweckten Ehrgeiz aus, möglichst viel im Spiel erreichen zu wollen.

Scheible ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, dass Jugendliche, juristisch betrachtet, eigentlich gar keine Schulden machen dürfen. Die Schuldnerberatungsstelle kann in vielen Fällen helfen, zumindest einen Teil des Geldes zurückzuholen. Scheible ist der Fall eines 14-Jährigen gut in Erinnerung, der innerhalb von zwei Wochen 2000 Euro bei einem Online-Spiel bezahlt hat. In diesem Fall bekam der Jugendliche tatsächlich sein Geld zurück.

Wege aus den Schulden

Es gibt generell zwei Möglichkeiten, aus den Schulden wieder herauszukommen, eines ist das sogenannte Schuldenbereinigungsverfahren. Dabei wird versucht, bei einem Vergleich mit allen Gläubigern, die Schulden zu reduzieren. Das Ziel ist dabei, dass die überschuldete Person die dann reduzierte Schuld in kleinen Raten an die Gläubiger zurückzahlt. Voraussetzung ist, dass die Mehrheit der Gläubiger diesem Verfahren zustimmt. Das Schuldenbereinigungsverfahren wird nicht gerichtlich begleitet, ist sozusagen diskret und nicht öffentlich.

Die zweite Möglichkeit ist das Insolvenzverfahren. Hierbei wird, sofern der Klient das kann, die Schuld in einem Zeitraum von fünf bis sechs Jahren abgetragen. Das Insolvenzverfahren ist ein öffentliches gerichtliches Verfahren. Voraussetzung ist hier, dass der Klient über ein pfändbares Einkommen verfügt.

Hilfestellung

Die Schuldnerberatung kümmert sich im ersten Schritt zunächst um die Existenzsicherung des Klienten. Dies umfasst Wohnraum, Energie und Lebensmittel. Wichtig für die Schuldenabwicklung: Es muss ein Girokonto vorhanden sein. Als nächstes geht es darum, die Schuldenregulierung vorzubereiten. Dazu sichtet die Schuldnerberatung sämtliche relevanten Unterlagen und informiert die Gläubiger.

Danach verhandelt die Schuldnerberatung mit den Gläubigern, erstellt einen Insolvenzplan und führt die Korrespondenz mit dem Gericht. Die Beratungsstelle unterliegt einer Schweigepflicht. Alf Scheible legt großen Wert darauf, dass gegenseitiges Vertrauen hier enorm wichtig ist. Nur so kann der Ausstieg aus der Schuldenfalle gelingen.

Die Corona-Pandemie führte nach Auskunft von Scheible bei Personen, die von einem Berufsverbot betroffen waren, häufig zur Überschuldung. Dazu gehören beispielsweise auch Prostituierte. Da die Corona-Hilfen derzeit noch bis Herbst laufen, rechnet Scheible damit, dass Corona-bedingt,im Frühjahr eine große Welle auf die Schuldnerberatung zukommt. Die Berufsgruppe der Künstler und Veranstalter ist besonders von der Corona-Pandemie betroffen.

 
 
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