Sersheim Cowboys, Mohawks und Hollywood

Von John Patrick Mikisch
Ranger und Indianer: Felix Donsdorf als Mohikaner beim Pow-Wow am Sersheimer Lagerfeuer mit dem Roger’s Ranger Adrian Horvath. Foto: /Martin Kalb

Schwarzpulverdampf, Cowboys und Indianer: Am Schützenhaus trifft sich zum 44. Mal die Westernszene. Manche Teilnehmer waren schon als Kinder dabei.

Die Stimmung ist gut im „Rusty Spur“. Cowboys, Soldaten der verfeindeten Nord- und Südstaaten sitzen friedlich beim Frühstück zusammen. Es gibt Weißwurst und Brezeln, in den Bechern dampft der Kaffee, im Kuchenbüffet steht eine Schwarzwälder Torte. Ein Mexikaner in Poncho und Sombrero öffnet durch die Schwingtür und fragt, ob jemand den „Hans gsähe hätt“. Draußen wabert der Geruch von Lagerfeuern zwischen Zelten und Tipis herum: Westerntreffen in Sersheim.

Bereits zum 44. Mal trifft sich die Szene der Westerndarsteller hier, immer um den ersten Mai herum. „So entspannt wie dieses Jahr war es noch nie“, sagt Christian „Stony“ Steinebronn, der als Marshal für Ordnung auf dem Platz sorgt. Das gelte sowohl für die Teilnehmer wie für die Besucher, von denen bereits die ersten mit großen Augen zwischen Zelten und Tipis herumspazieren.

Zu Fuß in die Vergangenheit

150 bis 200 sind es dieses Jahr, schätzt der Teilzeit-Marshal. „Es gibt einige neue Gesichter“, sagt Steinebronn. Am Bodensee wurde eine ähnliche Veranstaltung eingestellt. Deswegen sind manche Teilnehmer jetzt ins 200 Kilometer entfernte Sersheim ausgewichen.

Ganz so weit hat es Adrian Horvath nicht. Der 24-Jährige kommt aus der Nähe von Maulbronn. Zum Treffen ist er mehr als 20 Kilometer zu Fuß auf Nebenwegen von Diefenbach nach Sersheim gelaufen – und zwar so bekleidet und ausgerüstet wie ein Angehöriger der „Roger’s Rangers“.

Handarbeit statt Stangenware

Die legendenumwobene Infanterieeinheit kämpfte während des sogenannten Indianerkrieges Mitte des 18. Jahrhunderts auf Seite der Briten gegen die Franzosen und ihre indianischen Verbündeten um die Vorherrschaft in Nordamerika. Ihr Markenzeichen: der tiefgrüne Uniformrock. Den hat Horvath selbst genäht. Per Hand und ohne Nähmaschine. „Gab es ja damals auch nicht“, sagt er.

Darsteller von Cowboys haben es da einfacher, erklärt Felix Donsbach. Im Laufe des 19. Jahrhunderts sei auch die Kleiderherstellung industrialisiert worden. „Da gab es Hemden, Hosen, Chaps und Hüte schon von der Stange“, führt der 20-Jährige Backnanger aus, der einen Waldlandindianer der Mohawk darstellt. Der Stamm war während der Indianerkriege mit den Briten verbündet. Ihre Nachfahren leben heute im Upper State New York sowie in den kanadischen Provinzen Quebec und Ontario.

In Hemd, Lederleggins und Mokassins sitzt er neben Horvath am Lagerfeuer, die Kugelkeule aus Ahorn lässig im Arm, eine Steinschlosspistole im Gürtel. Das Hemd stammt ebenfalls von Horvath. Das Aussehen solcher Kleidungsstücke recherchiert er akribisch in Bücher und im Internet, etwa auf Museums-Webseiten.

Denn in Deutschland gibt es kaum professionelle Hersteller für die Kleidung aus der amerikanischen Kolonialzeit, wie der 24-Jährige erklärt. In den USA und Großbritannien sei das völlig anders. Doch zum Bestellen fertiger Kleidungsstücke sei der Zoll einfach zu teuer. „Da bleibt nichts übrig, außer die Sachen selbst zu machen“, sagt Horvath, der im September eine Lehre als Herrenmaßschneider an der Staatsoper in Stuttgart beginnt.

Schon als Kinder dabei

Die Ausbildung zum Reenactor, also zum historischen Darsteller hat er wie Felix Donsbach praktisch schon als Kind abgeschlossen: „Unsere Eltern haben das schon gemacht“, erzählt der„Mohawk“ Donsbach. „Am Sersheimer Westerntreffen habe ich im Bauch meiner Mutter teilgenommen.“ Schon als Kinder seien sie hier herumgelaufen, ergänzt Adrian Horvath: „Sersheim ist immer ein wenig wie Zuhause.“ Auch wenn hier die Darstellung des amerikanischen Bürgerkriegs und der Folgezeit überwiegt.

„Das 18. Jahrhundert ist schon eine echte Nische“, gibt Felix Donsbach zu. Dass er und Adrian Horvath sich ausgerechnet dafür entschieden haben, liegt an – Hollywood. Die Filmfabrik ist nicht unbedingt für historische Genauigkeit bekannt. Die Blockbuster „Der Patriot“ und „Der letzte Mohikaner“ begeisterten beide aber als Kinder für ihr jeweiliges Thema.

Das ist jetzt ihr halbes Leben her, die Filme sind sogar noch älter. Inzwischen, so Horvath, hat sich aber auch in Hollywood etwas getan. „Die Filmstudios legen jetzt mehr Wert auf historisch korrekte Darstellung“, sagt er. Dafür lassen sie sich beraten. Unter anderem aus der Reenactment-Szene. Leute wie beim Westerntreff in Sersheim. Das läuft noch bis Sonntag, Besucher willkommen.

 
 
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