Wechselhafte Geschichte der Kleiningersheimer Georgskirche Trauung auf der Baustelle

Von Jörg Palitzsch
1941 wurde die große Glocke der Georgskirche für Kriegszwecke vom Turm geholt. Foto: Friedrich Einkörn

Das 200 Einwohner zählende Dorf Kleiningersheim bekam 1591 eine eigene Pfarrei. 1601 rissen die Einwohner eine kleine Kapelle beim Schloss ab, im selben Jahr wurde die Georgskirche gebaut.

Die Georgskirche in Kleiningersheim wurde im Land vor allem als Drehort der Serie „Die Kirche bleibt im Dorf“ bekannt. Dabei hat das Gotteshaus eine lange Geschichte und kann mit einer ganzen Reihe von runden Jahreszahlen aufwarten. Vor 430 Jahren bekam das 200 Einwohner zählende Dorf 1591 eine eigene Pfarrei. Zehn Jahre später wurde in unmittelbarer Nähe ein Kirchenneubau in Angriff genommen, von 1599 bis 1603 war M. Theodor Wunderlich Pfarrer in Kleiningersheim.

Kapelle im elften Jahrhundert

Eine Kapelle gab es schon seit dem elften Jahrhundert, die an das Schloss angegliedert war. So sollte auch die neue Kirche in der Nähe des Schlosses und anstelle einer Scheune im Stil der Frührenaissance gebaut werden. Die alte Kapelle, so berichtet Richard Stein in seiner Geschichte über Groß- und Kleiningersheim, sei am 10. Juni 1601 von der Bürgerschaft abgebrochen worden, „weil sie hinter dem Flecken gar ungelegen am Rain gestanden und gar baufällig gewesen“ sei. Das Material der Kapelle und der Platz wurden verkauft. Zum anschließenden Neubau der Georgskirche, der noch 1601 begann, waren 1500 Gulden nötig. Gelder dafür kamen unter anderem vom Landherren Herzog Friedrich aus den Mitteln der Geistlichen-Verwaltung Bietigheim, aus einem Vermächtnis, dem Steueraufkommen und von Privatleuten, die durch die Kirchenpfleger eingezogen wurden. Nur 100 Gulden wurden als Schulden aufgenommen.

Bauleiter Hans Braun

Der Bau schritt unter der Leitung von Hans Braun, ein Mitarbeiter des Heinrich Schickhardt, Hofbaumeister des Herzogtum Württembergs, zügig voran. Die Maurerarbeiten lagen in den Händen von Hans Scherlin, Steinmetz aus Marbach, und dem Pleidelsheimer Maurer Michel Koch, für die Zimmererarbeiten war Michel Regelin aus Bietigheim zuständig. Am 25. August 1601 konnte schon das erste Brautpaar auf der Baustelle der Georgskirche getraut werden, Hans Heck aus Enzweihingen und Katharine Kaspar Freihart aus Kleiningersheim.

Danach wurde weitergearbeitet. Ein Boden in die Kirche gelegt, ein weiteres Stockwerk auf den Turm gesetzt und die Glocken angebracht, eine von der alten Kirche, eine Glocke kaufte man in Benningen. Der Turm erhielt blau-grünlasierte Ziegel, Kreuz und Hahn auf der Spitze wurden vergoldet. Das Baujahr 1601 ist in den Schlussstein des Chorbogens gemeißelt und auch auf den Eichenpfeilern zu sehen, auf denen die Empore ruht. An die alte Kapelle erinnern zwei Dinge: zwei kleine Fenster auf der Nordseite und der Name „Georgskirche“, schon die abgerissene Kapelle war dem heiligen Georg gewidmet. Auffällig ist, wie oft die Kirchenglocken ins Visier gerieten.

Glocken zwei Mal ruiniert

Als 1693 die Franzosen ins Land einfielen, stahlen sie bei ihrem Durchzug die Glocken, ruinierten die Uhr, brachen Kirchenstühle, Fenster und Läden heraus und verbrannten sie. 1819 und 1850 wurden die Glocken umgegossen und 1871, vor 150 Jahren, das Innere der Kirche restauriert.

Die großen Glocken weckten auch das Interesse der Nazis. Die ließen das Geläut 1941 zu Rüstungszwecken herunterholen, der Bedarf an Metall war enorm, um Kriegsgerät herzustellen. Neue Glocken wurden erst wieder 1953 von der ganzen Bevölkerung an einem Seil auf ihren Turm in Kleiningersheim gezogen.

 
 
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