Wengerter in den Bietigheimer Steillagen schlagen Alarm Im Weinberg wächst der Ärger

Von Uwe Mollenkopf 
Machen sich Sorgen um die Bietigheimer Steillagen (von links): die Wengerter Carsten Majer, Bernhard Schnaufer, Markus Zahner und Stefan Muck im Gebiet „Dürrer Berg“. Hinter ihnen einer der Weinberge, in denen sich Schädlinge ausgebreitet haben.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Weil einzelne Rebflächen sich selbst überlassen werden, breiten sich im Gewann „Dürrer Berg“ in Bietigheim Schädlinge aus. Auch der städtische Weinberg ist derzeit verwaist.

Ein Jahr Arbeit – und alles umsonst. Für Carsten Majer, der im Steillagengebiet „Dürrer Berg“ am Ortsausgang von Bietigheim Richtung Kammgarnspinnerei eine zehn Ar große Fläche bewirtschaftet, sind seine Trollinger-Reben dieses Jahr ein Totalausfall. Der vor zwei Wochen festgestellte Befall mit Mehltau hat den Trauben den Garaus gemacht. Was Majer dabei besonders ärgert: Der Schädling hat sich in seinen Rebstöcken trotz korrekt angewendeter Pflanzenschutzmaßnahmen ausgebreitet. Denn: „Der beste Pflanzenschutz zeigt wenig Wirkung, wenn die benachbarten Rebflächen nicht gepflegt und sich selbst überlassen werden.“

Wer entlang des Bergwegs durch die Steillagen über der Enz geht, sieht schnell, wo die Probleme liegen. Zwischen sauber bearbeiteten Flächen fallen immer wieder buschige, sich selbst überlassene auf. Markus Zahner zeigt auf eine Fläche, auf der der Bewuchs eineinhalb Meter hoch ist. Unkraut, Dornen und Gestrüpp breiten sich aus. Einige der aufgelassenen Weinberge werden als Freizeitgrundstücke genutzt, andere verwildern.

Nun hat auch noch der Mehltau, ein Pilz, Blätter und junge Trauben befallen und lässt Teile der Pflanzen absterben. Seine Sporen liegen in der Luft, verbreiten einen unangenehmen Geruch. „Man kann das Elend sogar riechen“, meint Carsten Majer.

Die Gründe sieht Bernhard Schnaufer, einer der Bietigheimer Wengerter, darin, dass es durch den nahezu kompletten Rückzug eines der größeren Bietigheimer Weinbaubetriebe aus der Bewirtschaftung der Steillagen sowie die Aufgabe weiterer Flächen im Privatbesitz im letzten Jahr „zu einer großflächigen, unkontrollierten Auflassung von Weinbauflächen“ gekommen sei. Er schätzt, dass von den sechs Hektar Rebfläche im Dürren Berg nur noch vier bewirtschaftet seien.

Mit der Folge, dass sich die Flächen, auf denen nicht mehr gespritzt wird, zu Infektionsherden entwickelt haben, beklagen die Wengerter. Brombeerhecken beispielsweise seien Brutstätten für die Kirschessigfliege. „Vom Mehltau bis zur Reblaus haben wir hier alles“, so Schnaufer. Der Infektionsdruck auf die gesunden Rebflächen sei extrem hoch. Mit dem Mehltau „kämpfen wir fünf Jahre lang“, macht Schnaufer auf die längerfristigen Folgen aufmerksam.

Alarmiert von der Situation im Dürren Berg gab es am Dienstag ein Treffen der Besitzer, um über die notwendigen Maßnahmen zu beraten, berichtet Wengerter und Stadtrat Stefan Muck. 30 Personen nahmen teil. Man will erreichen, dass Lösungen für die unbewirtschafteten Weinberge gefunden werden.

Carsten Majer verweist dabei auch auf die rechtliche Seite. Laut Paragraf 26 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes in Baden-Württemberg seien Besitzer von landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücken verpflichtet, ihre Grundstücke zu bewirtschaften oder zu pflegen, um die Pflege benachbarter Grundstücke nicht unzumutbar zu erschweren.

Dabei sehen die Wengerter auch die Stadt Bietigheim-Bissingen in der Pflicht, die für die Umsetzung dieser Bestimmungen zu sorgen habe. Immerhin habe man nun die Zusage, dass alle Betroffenen angeschrieben würden. Notwendig sei, dass sehr schnell die nichtbewirtschafteten Rebflächen beschnitten würden. Im Extremfall müsse gerodet werden, so die Forderung.

Die Wengerter ärgern sich insbesondere darüber, dass auch der 20 Ar große und mit Trollingerreben bestockte städtische Weinberg zu den Flächen gehört, die sich selbst überlassen wurden. Dieser war bis Ende 2019 verpachtet, danach wurde kein neuer Pächter gefunden.

Die Stadt sei „verzweifelt auf der Suche nach einem Pächter“, teilt Ina Klein vom Presseamt der Stadtverwaltung auf BZ-Anfrage mit. Auf diversen Portalen sei nach einem fachkundigen Interessenten gesucht worden. „Es wurden auch Kellereien angefragt beziehungsweise wurde versucht, über die Kommunikationskanäle der Kellerei einen Winzer zu finden.“ Zudem sei versucht worden, einen Experten gegen Entgelt zu finden. Doch auch das gelang nicht. „Der Weinberg ist durch die terrassierte Steillage unwirtschaftlich, da die Pflege hauptsächlich Handarbeit ist und einen hohen Arbeitseinsatz erfordert“, so Ina Klein.

Immerhin wurden jetzt vorläufige Maßnahmen wegen des Mehltaus ergriffen, nachdem auch eine Weinbauberaterin vor Ort war. Die Reben im Stadtweinberg wurden zurückgeschnitten, mit einem sogenannten Zapfenschnitt. Wenn trotz der weiteren Anstrengungen kein Pächter gefunden werde, werde die Stadt weitere Überlegungen zur Vorgehensweise anstellen, heißt es aus dem Rathaus.

Seitens der Wengerter hätte man sich schon viel früher Gegenmaßnahmen durch eine Neuordnung der Rebflur gewünscht (siehe Infokasten). Nach einem Beschluss des Gemeinderats Ende 2018 seien die vorbereitenden Arbeiten geleistet, sagt Ina Klein. Doch: „Nachdem sich ein größerer gewerblicher Winzer zurückgezogen hat und seine Grundstücke zum Verkauf angeboten hat, ruhen die Vorarbeiten zu einer Flurneuordnung bis alles abgewickelt ist. Man muss abwarten, was die neuen Eigentümer möchten.“ Dagegen erwarten die Wengerter nun von der Stadt, dass sich diese „eindeutig positioniere“. Nämlich, ob sie die Steillagen als Teil der Kulturlandschaft erhalten wolle oder nicht. Da die Steillagen derzeit nicht wirtschaftlich seien, müsse deren Sicherung auch Aufgabe der Gesellschaft sein, sagt Schnaufer. Umweltvereine, Tourismus und Verbraucher, die den hiesigen Wein kauften, seien gefragt. „Die verbliebenen Weinbauern können diese Aufgabe nicht alleine leisten“, so Schnaufer.

 
 
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