Gemeinderat Tamm Wenig Chancen auf Kinderarzt

Von Michaela Glemser
Der Gemeinderat Tamm berät über die aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und die Zukunft der Ärztelandschaft vor Ort.  Foto: /Martin Kalb

Der Gemeinderat berät derzeit über die aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und die Zukunft der Ärztelandschaft vor Ort in Tamm. 

Zahlreiche Bürger und Vertreter der Stadt wünschen sich einen Kinderarzt vor Ort. Doch die Aussichten auf Niederlassung eines solchen Facharztes sind nicht gerade rosig, wie Sven Gnoth, Referent für strategische Sicherstellung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), in der jüngsten Gemeinderatssitzung feststellte.

Nach seinen aktuellen Erhebungen gibt es im Landkreis Ludwigsburg einen Versorgungsgrad von 108,7 Prozent bei den niedergelassenen Kinderärzten. Von den aktuell 56 Kinderärzten im Landkreis sind 26 unter 50 Jahren, 18 zwischen 50 und 59 Jahren und zwölf Kinderärzte sind 60 Jahre und älter. „Tamm ist umgeben von Kinderärzten, wenn auch in der Stadt selbst sich keiner niedergelassen hat. Die Möglichkeiten dafür sind derzeit auch beschränkt, aber künftig wieder möglich, da mehrere Kinderärzte in den Ruhestand eintreten werden“, betonte Experte Gnoth. Nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses für den Bedarf der ärztlichen Versorgung in Deutschland sind bei einem Versorgungsgrad von 110 Prozent und mehr Neuzulassungen in einem Gebiet nicht mehr möglich, allerdings Praxisübernahmen. Liegt der ärztliche Versorgungsgrad in einer Region unter 110 Prozent können Zulassungsbeschränkungen wieder aufgehoben werden.

Hausärzte gibt es weniger

Im Vergleich zu den Kinderärzten wird bei den Hausärzten der Landkreis Ludwigsburg in mehrere Teilgebiete unterteilt. Im Bereich „Bietigheim-Bissingen und Besigheim“, zu dem auch die umliegenden Gemeinden von Sachsenheim bis Mundelsheim und auch Tamm gehören, beträgt der Versorgungsgrad bei den Hausärzten derzeit 90,3 Prozent, im Bereich „Vaihingen/Enz“ 86,9 Prozent und im Areal „Ludwigsburg/Kornwestheim“ sogar 108,1 Prozent.

71 junge Ärzte befinden sich im Moment in einer Facharztweiterbildung im Landkreis Ludwigsburg, wobei 41 davon Hausärzte und sechs Kinderärzte werden wollen. Obwohl die Arztzahlen bei der ambulanten Versorgung in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren auf nunmehr insgesamt 23 501 stetig gestiegen sind, haben die Stellenzahlen im Gegensatz dazu auf 17 330 abgenommen, sodass es zu Versorgungsengpässen kommen kann.

20 Prozent schon im Rentenalter

9,6 Prozent der Ärzte in der ambulanten Versorgung befinden sich in Baden-Württemberg im Renteneintrittsalter von 65 Jahren und älter, bei den Hausärzten ist es jeder fünfte. Immer beliebter werden bei den Ärzten Teilzeitmodelle und Kooperationspraxen. Auch die Zahl der Ärztinnen nimmt zu.

„Die jungen Ärzte streben nach der Ausbildung in eine Anstellungsposition oder Teilzeitmodelle. Sie wollen sich mit Kollegen austauschen und Familie sowie Berufe vereinbaren können. Außerdem sind die jungen Ärzte sehr heimatorientiert und wollen sich dort auch niederlassen, wo sie ihre Ausbildung gemacht haben“, erläuterte Gnoth im Tammer Gemeinderat. In den zurückliegenden zehn Jahren haben sich, nach den Erhebungen des Fachmanns, in Baden-Württemberg die Zahlen der Großpraxen vervierfacht und die Zahlen der Ärzte in Anstellung und in Teilzeitarbeit jeweils verdreifacht.

Stadt soll selbst aktiv werden

Gnoth riet den Vertretern der Kommune dazu, selbst aktiv zu werden und in Zukunft etwas für die Ansiedlung von Ärzten und besonders Kinderärzten in Tamm zu tun. Dabei kommt es nicht nur auf die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten gerade für Gemeinschaftspraxen an, sondern auch auf gute Rahmenbedingungen wie eine entsprechende Infrastruktur und Familienfreundlichkeit. Auch Nachwuchsinitiativen der Gemeinden innerhalb der Ärzteschaft und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit können von Erfolg gekrönt sein.

„Wir haben bereits Gespräche geführt, doch im Moment sind uns bei der Ansiedlung eines Kinderarztes in Tamm aufgrund des Versorgungsgrads die Hände gebunden“, sagte Bürgermeister Martin Bernhard in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Er verwies auf das Gebiet des Planverfahrens „Südlich des Rathauses“, wo auch neue Praxisräume entstehen sollen. Der Tammer Rathauschef stellte in diesem Zusammenhang ebenfalls klar, dass die Bedarfsplanung des Bundes den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden müsse.  

 
 
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