Themenschwerpunkt Depression Selbsthilfegruppe Bietigheim-Bissingen

Von Claudia Mocek
„Ich staune, was die Teilnehmer umtreibt. Der Austausch hilft dabei, mit den Problemen umzugehen, sagt Joachim Schmidt. Foto: /Martin Kalb

Zur Selbsthilfegruppe in Bietigheim kommen Betroffene und Angehörige.

Vor zwei Jahren hat Joachim Schmidt eine Selbsthilfegruppe zur Bewältigung von Depressionen und Ängsten in Bietigheim-Bissingen gegründet. Alle zwei Wochen treffen sich 14 Betroffene und Angehörige mittwochabends im Gemeindehaus der Friedenskirche. Derzeit gibt es eine Warteliste. Außer zum regelmäßigen Austausch unternimmt die Gruppe gemeinsame Spaziergänge oder grillt zusammen.

Die Treffen, zu denen Männer, Frauen und Paare zwischen Mitte 20 und 70 Jahren kommen, starten mit einer Blitzumfrage, bei der alle Schulnoten für ihr Befinden vergeben. Anschließend können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen über ihre Anliegen sprechen oder Joachim Schmidt bringt Themenvorschläge ein – über die Weltlage etwa und die Frage, was diese mit einem macht.

„Der Austausch in der Runde relativiert einiges“, sagt Schmidt, der selbst an einer endogenen Depression erkrankt ist: „Ich staune, was die Teilnehmer umtreibt. Der Austausch hilft dabei, mit den Problemen umzugehen.“

Hilfe auch für Angehörige

Schmidt hat die Erfahrung gemacht, dass Frauen sich leichter öffnen als Männer. Ihm war es wichtig, auch für Angehörige von Depressiven ein Hilfsangebot zu schaffen. „Das gab es damals kaum“, erinnert er sich. „Angehörige müssen sich schützen“, ist er überzeugt. Denn die Krankheit verlange auch ihnen einiges ab. Der 65-Jährige hat mehrere Suizidversuche und Klinikaufenthalte hinter sich, besucht seit mehreren Jahren eine ambulante Psychotherapie und ist medikamentös gut eingestellt. Doch die Depression „hat viele Kollateralschäden bewirkt“, sagt er. Freunde gingen zu ihm auf Distanz. Um die Krankheit nicht weiter zu vererben, verzichtete er auf eigene Kinder. Der Gartenbauingenieur wurde mit 37 Jahren schließlich arbeitsunfähig. Um der Gesellschaft dennoch etwas zurückzugeben, hat er sich bis vor einigen Jahren beim Bietigheimer Tafelladen als Fahrer engagiert, „bis die Kraft nicht mehr reichte“, sagt er: „Jetzt mache ich den Hausmann.“ Joachim Schmidt ist seit sieben Jahren verheiratet, für ihn „das größte Glück seines Lebens“.

Professionelle Unterstützung

Immer wieder kämpft Joachim Schmidt gegen kleinere und größere Krisen. Das erfordere von der Familie viel Geduld. Auch wenn psychische Erkrankungen gesellschaftlich mittlerweile anerkannter seien als früher, wünscht sich der 65-Jährige mehr Toleranz. „Sprüche wie ‚Reiß Dich mal zusammen’, helfen Menschen mit Depressionen nicht weiter“, sagt Schmidt. Betroffenen rät er, sich so rasch wie möglich professionelle Hilfe zu holen. Auch wenn es nicht einfach sei, Termine bei guten Therapeuten und Ärzten zu bekommen. Bei den Treffen der Selbsthilfegruppe in der Friedenskirche kennen sich die Teilnehmer nur unter ihren Vornamen. „Für uns ist es wichtig, dass wir miteinander reden – nicht übereinander.“ Claudia Mocek

 
 
- Anzeige -