Themenschwerpunkt Depression Betroffene sollten sich an den Hausarzt wenden

Von Claudia Mocek
Wer in einer depressiven Episode steckt, braucht Behandlung. Der Mediziner Jürgen Knieling empfiehlt Betroffenen, sich mit ihren Symptomen zunächst an den Hausarzt zu wenden. Foto: /Martin Kalb

Erschöpft, niedergeschlagen, antriebsarm: Dr. Jürgen Knieling erklärt Symptome und Ursachen der Krankheit sowie Therapien. „Auch wenn man dadurch nicht jede Depression verhindern kann, sollte man achtsam mit sich und seinen Bedürfnissen umgehen“, empfiehlt der Mediziner.

Antriebsarm, niedergeschlagen und erschöpft – so beschreibt Dr. Jürgen Knieling einige Hauptsymptome einer Depression. Über vier Millionen Menschen sind in Deutschland laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation an einer Depression erkrankt. Im Kreis Ludwigsburg waren unter den AOK-Versicherten 2022 mit 20 858 rund elf Prozent daran erkrankt. Die BZ hat mit dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am RKH-Klinikum Bietigheim-Vaihingen über Ursachen, Entwicklungen und Therapien von Depressionen gesprochen.

Knieling nennt drei Ursachen für Depressionen: Genetik, frühe Traumata und den zunehmenden Druck in der Leistungsgesellschaft, wobei es keine Reinformen gebe: „Die Genetik spielt eine wichtige Rolle, sie ist immer mitbeteiligt“, sagt er. Aus welchem Holz man geschnitzt ist, beeinflusse das Risiko, an einer Depression zu erkranken.

Patienten, bei denen die Genetik eine stärkere Rolle spiele, seien „in einem inneren Ausnahmezustand“, würden körperliche Symptome stärker als andere Erkrankte empfinden und hätten öfter Suizidgedanken als etwa Betroffene, die vor allem aufgrund des Leistungsdrucks erkrankt sind. Letztere könnten einen Grund für die Depression erkennen. Das fehle denjenigen, die vor allem aufgrund ihrer genetischen Veranlagung erkranken.

Traumata aus der Kindheit wie Missbrauch oder Gewalterfahrungen können dem Ärztlichen Direktor zufolge ebenfalls zu einer Erkrankung führen. Bei einigen Menschen würden diese frühen Traumata in einem späteren Lebensalter erneut zu einem belastenden Thema, weshalb es in der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen unter den AOK-Versicherten die meisten Erkrankten im Landkreis Ludwigsburg gebe.

Mehr Frauen als Männer erkrankt

Studien zufolge sind doppelt so viele Frauen wie Männer an Depressionen erkrankt. Laut Jürgen Knieling gibt es Hinweise auf genetische Unterschiede. Es wird aber auch vermutet, dass Frauen eine Depression eher zugeben als Männer.

Bei den Erkrankungen, die auf Genetik oder Traumata zurückzuführen sind, gab es Knieling zufolge in den vergangenen Jahren keine erkennbare Zunahme der Fälle. Bei den Depressionen, die sich auf den steigenden Druck in der Leistungsgesellschaft zurückführen lassen, jedoch schon. „Man darf nicht nur auf die kranken Menschen schauen, man muss auch auf das kranke System schauen“, sagt er. Es gebe einen Zusammenhang zwischen Krankheitstagen und Überlastungen am Arbeitsplatz, etwa durch Personalmangel. „Man darf die Wirtschaftsleistung nicht über die Gesundheit der Menschen stellen“, findet der Ärztliche Direktor und fordert eine stärkere Orientierung am Gemeinwohlgedanken – auch wenn dies bedeute, dass man gesellschaftlich auf manches verzichten müsse.

„Krankheit ist heilbar“

„In der Regel geht eine depressive Episode nach einigen Wochen bis wenigen Monaten wieder vorbei“, sagt Knieling: „Im Normalfall ist die Krankheit heilbar“. Was bleibt, sei das Risiko, erneut daran zu erkranken.

Mit einer Behandlung verlaufe der Heilungsprozess in der Regel schneller als ohne Unterstützung, wobei sich für Knieling die pharmakologische und psychotherapeutische Behandlung ergänzen. Auch Sport und ein aktives Sozialleben seien enorm wichtig.

Wer bei sich Symptome einer Depression entdeckt, dem empfiehlt Knieling zunächst den Gang zum Hausarzt. Dieser könne den Patienten zum Facharzt überweisen und ihn darüber informieren, wo es therapeutische Hilfen gibt. Wem das ambulante Vorsorgesystem nicht ausreiche, könne als Patient auch (teil-) stationär oder in eine Tagesklinik wie die an den RKH-Kliniken aufgenommen werden.

Digitale Apps könnten darüber hinaus dabei helfen, zum Beispiel Wartezeiten auf Therapieplätze zu überbrücken. Bei einer Reha-Maßnahme gehe es weniger um die Behandlung einer akuten Depression, sondern stärker um die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eines Patienten.

Achtsamkeit als Vorsorge.

„Wer in einer depressiven Episode steckt, braucht Behandlung“, betont Knieling. Doch der Ärztliche Leiter empfiehlt auch, sich schon im Vorfeld vor einer depressiven Episode zu schützen: „Auch wenn man dadurch nicht jede Depression verhindern kann, sollte man achtsam mit sich und seinen Bedürfnissen umgehen, Grenzen setzen und eine gute Work-Life-Balance anstreben“, sagt Jürgen Knieling. Außerdem sollte man regelmäßig Sport treiben und ein aktives soziales Miteinander pflegen.

 
 
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