Bietigheim-Bissingen Bandprobe im Projektorraum

Von Jonathan Lung
Sie wollen aus dem früheren Bissinger Kino im Sommer den „Zeitraum“ machen (von links:) Tufan Cenberoglu und Boris Kolman Foto: /Martin Kalb

Das Bissinger Kino wird wiedereröffnet: Unter dem Namen „Zeitraum“ soll es zum Knotenpunkt für Kunstschaffende und Musiker werden.

Auf der Bühne vor den Reihen der roten Sessel, steht eine in die Jahre gekommene Schreibmaschine, Kartons mit alten Utensilien stapeln sich auf dem Boden – dass es seit knapp einem Jahr keine Vorführung mehr gab, merkt man: Das Bissinger Kino musste Ende vergangenen Jahres schließen. Dass das Gebäude leer steht, soll sich nun ändern – auch wenn es keine Filme sein werden, die dort zukünftig Zuschauer anlocken.

Poetry Slam und Kabarett

Eher schon werden im großen Vorführsaal, in dem die Originalbestuhlung erhalten bleiben soll, in Zukunft Poetry Slam, Open Stage, Kabarett und mehr auf die Bühne gebracht werden. Das Foyer vor dem Vorführsaal wird vergrößert, die Wände beim Kassenhäuschen dafür entfernt, erklärt Tufan Çenberoglu, der mit acht Jahren das erste Mal in dem alten Kino war und das Projekt „Zeitraum“ nun zusammen mit Kristina Çenberoglu und Boris Kolman betreiben wird. Dass das Lichtspielhaus schließen musste, bedauern sie sehr.

Probenräume für Bands im Keller

In der früheren Privatwohnung unter dem Dach sollen Räume für Künstler eingerichtet werden, die angemietet werden können: von Musiklehrern, von Künstlern als Atelier, vielleicht auch von einer Band – „wenn sie nicht gerade Metal spielt“, lachen Çenberoglu und Kolman. Denn die eigentlichen schallisolierten Bandproberäume sollen im Keller entstehen, im kleinen Vorführungssaal, der durch einen Durchbruch zum Projektorraum noch erweitert wird.

Hier sollen dann mehrere Kabinen eingebaut werden, in denen einzelne Musiker oder, eben im ehemaligen Projektorraum, ganze Bands auch relativ spontan üben können: Eine Online-Buchung und Einlass per Code seien möglich. „Sehr viel Interesse“ gebe es bereits, staunen die beiden – denn sie haben noch gar nicht begonnen zu werben. Zahlreiche, durchaus konkrete Nutzungsanfragen kämen über ihre Homepage bereits herein: Eventveranstalter mit Ideen, die im großen Vorführungssaal stattfinden könnten, aber auch Firmen, die die Räume für Seminare nutzen wollen, hätten sich schon gemeldet. Da gebe es wohl ein Defizit an solchen Räumen, haben die beiden den Eindruck, auch bei den Proberäumen: „Wenn du selber nicht die Räumlichkeiten hast, hast du keine Möglichkeit zu üben“, weiß Çenberoglu, gerade wenn man Schlagzeug oder Klavier spiele.

„Es wird kein Partybunker“, sei jedoch klar: Die Lärmschutzverordnung schreibt das Veranstaltungsende um zehn Uhr vor, gegen halb zehn werde man zum Ende kommen. Die Nachbarn, mit denen sie bereits gesprochen hätten, seien aber eher interessiert-erfreut über das Projekt als skeptisch ob der künftigen Besucher. Mit Çenberoglu und Kolman haben ein Architekt und ein Informatiker das ehemalige Kino als zweites Standbein neben ihren Berufen erworben, nach insgesamt drei Jahren Suche für eine geeignete Immobilie – viele Gebäude wären für ihre Ideen nicht infrage gekommen. Doch bei der ersten Begehung des Bissinger Kinos hätten sie sich gleich in das Gebäude verliebt. Hier seien keine Kompromisse nötig gewesen, man habe quasi direkt anfangen können.

Eröffnung im Sommer geplant

Die Eröffnung ist für nächsten Sommer geplant. Die groben Arbeiten wollen sie selbst übernehmen – neben der Schreibmaschine befinden sich noch viele weitere Antiquitäten und alte Einrichtungsgegenstände im Gebäude – und dann sollen die Handwerker anrücken. Auch eine Teileröffnung eines Gebäudeteils sei möglich.

Dass das neue Konzept gut ankommt, zeige sich bei den Anfragen bereits. Könnte das eine Gegenbewegung zu den Besucherrückgängen in den Kinos sein? Kolman vermutet: Vielleicht sei ein Poetry Slam doch eher ein Event für die Zuschauer als ein Hollywoodfilm, den man sich auch auf streamen könne.

 
 
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