Bietigheim-Bissingen Flugtaxis über der Seine?

Von Jonathan Lung
Schulleiter Stefan Ranzinger und Volocopter-CEO Dirk Hoke mit einem Modell des „VoloCity“ – einem der drei Fluggeräte, mit dem das Unternehmen die Mobilität revolutionieren will. Foto: /Martin Kalb

Bei „Schule trifft Wirtschaft“ bekamen Schüler Einblicke in die Mobilität von morgen. CEO Dirk Hoke präsentierte die elektrischen Fluggeräte der Firma Volocopter.

Wer würde einsteigen? Wer glaubt, dass wir fliegen können?“, wollte Dirk Hoke wissen, als am Dienstagabend in der Aula des Beruflichen Schulzentrums Bietigheim der Vorhang gefallen war und ein Fluggerät enthüllt wurde: Das Flugtaxi „VoloCity“ der Firma Volocopter, im Maßstab 1:3.

Der CEO war zu Gast im Beruflichen Schulzentrum Bietigheim, bei der inzwischen 18. Ausgabe von „Schule trifft Wirtschaft“ – es war sein erster Auftritt in einer Schule, gestand er. Von „Volo…“ waren aber schon 2013 Vertreter zu Gast bei der Veranstaltungsreihe. „Schule trifft Wirtschaft“ führt schon zum 18. Mal bedeutende Entscheider aus Politik und Wirtschaft in das Schulzentrum, unter anderem Roman Zitzelsberger, Cem Özdemir, Uwe Hück und Annette Schavan. Es gehe darum, die Brücke zur Wirtschaft zu schlagen und neue Horizonte zu eröffnen, betonte Landrat Dietmar Allgaier am Dienstag.

Auf Zertifizierung ausgelegt

„Wir fliegen wirklich“, zeigte der CEO in einem Video: In verschiedenen Städten, unter anderem New York, kreiste der „VoloCity“. „In den letzten Schritten“ sei man vor der Zertifizierung, der letzten Hürde vor einer Nutzung. Volocopter wird das erste Unternehmen sein, das für dieses Fluggerät zertifiziert sein wird, ist er überzeugt. Im Gegensatz zur Konkurrenz habe Volocopter seinen ganzen Konstruktionsprozess auf die Zertifizierung hin ausgelegt – andere versprächen schon jetzt Flüge für bis zu acht Personen, die aber „noch lange nicht möglich“ sein werden: Wer noch nie bemannt geflogen sei, so der CEO, werde nur sehr unwahrscheinlich in den nächsten Jahren schon zertifiziert: „Viele werden versagen.“

Das Unternehmen hat dabei einen langen Weg hinter sich: „Beim Skaten“ haben sich die beiden Gründer aus Karlsruhe kennengelernt. Als die ersten fernsteuerbaren Drohnen herauskamen, bastelten sie daran herum und schafften es schließlich, mit einer Konstruktion mehrerer Motoren eine Person anzuheben und über dem Boden zu schweben – das Video davon ging viral und sie entschlossen sich, weiterzumachen. Hoke selbst kam 2022 dazu, nachdem er Führungspositionen unter anderem bei Airbus Defence and Space innehatte.

Drei Fluggeräte geplant

Mit insgesamt drei Fluggeräten plant das Unternehmen nun eine ganze „Familie“: „VoloCity“ für Personenbeförderung in der Stadt, etwa zum Flughafen. Es sind hier mehrere Einstiegspunkte geplant, an denen man per Buchung in der App zusteigen kann – nach einer biometrischen Erfassung, denn der „VoloCity“ fliegt nach der gleichen Rechtslage zur Flugsicherung wie Flugzeuge. Preislich soll das vergleichbar mit einer Taxifahrt sein, so Hoke: Drei Euro pro Kilometer und Sitz. „VoloRegion“ soll dagegen für längere Flüge ausgelegt sein und Tragflächen haben. „VoloDrone“ wird Lasten bis zu einer Tonne befördern können.

„Ich bin fest überzeugt, dass in den 2030ern solche Fluggeräte überall auf der Welt zum Einsatz kommen“, ist Hoke überzeugt. Allerdings: „Die öffentliche Akzeptanz ist neben der Zertifizierung ebenso schwierig.“ Dabei hat „Volocity“ zahlreiche Vorteile: neben seinem voll-elektrischen Antrieb – das Unternehmen setzt auch bei der Batterieherstellung auf erneuerbare Energien – wird er nicht laut sein, man könne sich weiter unterhalten, wenn er neben einem lande. Tiere würden nicht gestört. Der ADAC kooperiert mit dem Unternehmen mit dem Ziel, Notärzte schneller zu Unfallopfern zu bringen. Auch „hohe Autonomie“ sei bei dem Fluggerät möglich – ab 2035 können auch Flüge ohne Pilot möglich sein, so Hoke.

Nächstes Ziel: Paris

Das nächste Ziel ist zuerst Paris: Man hat vor, während der Olympiade in der No-Fly-Zone der Stadt auf einem Ponton in der Seine Flüge zu starten. Das Ponton wird gerade gebaut, trotz der derzeitigen Ablehnung der Stadträte geht Hoke „mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus“, dass es klappen werde.

Die Fragen der Schüler nach dem Vortrag drehten sich neben technischen Punkten auch um ethische: Ist es richtig, dass das Unternehmen China und arabische Staaten als seinen Zukunftsmarkt sieht – trotz einer kritikwürdigen Menschenrechtslage? Und dass Investoren auch aus diesen Ländern kommen? „Wir können die Welt nur verändern, wenn wir im Dialog bleiben“, stellte Hoke klar, wenn man „nicht an der Seitenlinie steht.“

Schließlich bekam auch der CEO eine klare Antwort, als er nach dem Vortrag noch einmal wissen wollte, wer jetzt mitfliegen und investieren würde – eine Verdopplung zählte Schulleiter Ranzinger, „100 Prozent mehr.“

 
 
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