Bietigheim-Bissingen: Roman entdeckt Glücksfund aus dem Wäschekorb

Von Heidi Vogelhuber
Die Herausgeber des entdeckten Romans, Dr. Christoph Florian (links) und Günther Bentele, im Stadtarchiv, in dem der Nachlass von Hermann Rombach aufbewahrt wird und einsehbar ist. Foto: /Oliver Bürkle

Im Nachlass vom Maler Hermann Rombach aus Bietigheim-Bissingen wird ein Roman entdeckt, der nun von Stadtarchivar Dr. Christoph Florian und Günther Bentele, Autor und Lokalhistoriker, publiziert wurde. Eine wortwörtlich fantastische Geschichte.

Das Telefon klingelt. Am Apparat, der Galerist Rudolf Bayer. Er habe da ein Typoskript in einem Wäschekorb. Dem Bietigheimer Galeristen wurde der Nachlass des Malers Hermann Rombach, Bruder des bekannten Sohns der Stadt Bietigheim-Bissingen, dem Autor Otto Rombach, übergeben. Bayer jedoch stelle keine Schriftstücke aus, daher der Anruf. Der Mann am anderen Ende der Leitung, Schriftsteller und Lokalhistoriker Günther Bentele, ahnt, dass das ein großer Fund sein könnte. Er holt den Papierstapel ab. „Nach den ersten fünf Seiten wollte ich den Roman am liebsten in die Ecke pfeffern“, berichtet Bentele im Gespräch mit der BZ.

Weiterlesen nicht bereut

Er habe dann aber doch weitergelesen und war letztendlich begeistert. Eine fantastische Geschichte – also die des Fundes und auch der Inhalt des entdeckten Buchs.

Gemeinsam mit Stadtarchivar Dr. Christoph Florian hat Bentele nun den Roman herausgegeben. „Welinchen sucht einen Mann“, so der Titel, der von Hermann Rombach selbst stammt. Auch das Titelblatt wurde vom Bietigheimer, der vor allem als Maler bekannt war (siehe Infobox), gestaltet. Der Untertitel, „Humoristischer Liebesroman über Halbtolle, Tolle, Mittel- und Überglückliche“ sei schon sehr eigentümlich, dieses Adjektiv treffe auf den gesamten Roman zu, sind sich die Herausgeber einig.

„Humoristisch ist die trivialste Form der Komik“, erinnert sich Bentele an seine ersten Gedanken, als er den Titel las, die Betitelung als „Liebesroman“ gehe in eine ähnliche Richtung. Auch der Name der Titelfigur, Welinchen, „erinnert eher an ein Dummchen als an eine literarisch gestaltete Frauenfigur“, so der Lokalhistoriker. Doch die ersten Seiten des Buches täuschen. „Er war ein Künstler durch und durch. Ein Maler und ein Wortkünstler“, sagt Florian und beschreibt das Werk als „Entgrenzung des Geistes“.

Das Sehen des Künstlers

Es sei ein Künstlerroman, beschrieben werde die Wahrnehmung der Umwelt durch den Künstler. Der Roman habe einen innovativen und modernen Charakter, der ihn noch heute zeitgenössisch wirken lasse, sagt Florian, auch wenn er sprachlich fordernd sei. Die Geschichte entstand, so rekonstruierten die Herausgeber, in den 1920er- bis 30er-Jahren und wurde in den 50ern leicht überarbeitet. Die Erzählung kreist um das „Welinchen“, das tatsächlich auf der Suche nach einem Mann ist. „Ein furchtbar triviales Thema eigentlich“, sagt Bentele. Der Roman habe keine richtige Handlung, es würden jedoch, durch das Auftreten unterschiedlicher Figuren, viele Themen angeschnitten. Moderne Ansichten werden beschrieben, wie die emanzipierte Frau, die gleichwertige Partnerschaft, aber auch die Warnung, sich in einer künstlichen Scheinwelt (Virtual Reality) zu verlieren. Herauslesbar sind die Kunstströmungen Neue Sachlichkeit und Surrealismus.

Während der Autorenbruder, Otto Rombach, zeitlebens einen konservativen Goethestil pflegte, überrascht Hermann Rombach mit modernen Stilmitteln. „Humorvoll, nicht zynisch, voll feiner Ironie“, sagt Florian und weiter: „Niemand wusste von dem Roman, abgeschickt hat er das Typoskript wohl nie.“ Über die Gründe könne man nur spekulieren. Möglicherweise habe es am Nationalsozialismus gelegen, „die Nazis haben ihn gebrochen. Er hatte Existenzangst“, sagt Bentele.

Buch kam nie in ein Lektorat

Das Schöne sei, dass das Buch nie in ein Lektorat gekommen und deshalb authentisch sei. Für Bietigheim typische Redewendungen ließen sich darin finden, berichtet Bentele, der Hermann Rombach als Kind kennengelernt hatte. Rombach sei ein Freund seines Vaters gewesen. „Er war groß, hager, still“, beschreibt er ihn. „Wenn er jedoch etwas gesagt hat, hatte es Gewicht“, das spiegele sich auch in seiner Schreibweise wider. Dem getippten Manuskript lagen zwei Durchschläge bei, alle drei Exemplare waren mit unterschiedlichen, handschriftlichen Korrekturen versehen. Florian berichtet, dass der Roman, wie er jetzt herausgegeben wurde, die Anmerkungen übernommen hat, in den Text jedoch wurde nicht eingegriffen. „Wir sind so behutsam wie möglich vorgegangen.“ So gibt es beispielsweise, ganz dem Manuskript entsprechend, keine Anführungszeichen bei wörtlicher Rede.

Ergänzt wurde der Text durch Zeichnungen des Künstlers. Insgesamt haben die beiden Herausgeber für die Ausgabe knapp zwei Jahre gebraucht. „Es war viel Arbeit, hat aber Spaß gemacht“, sagen sie. „Das Buch ist es wert.“

Zeichnungen und Reisefotografien des Künstlers Hermann Rombach aus Bietigheim-Bissingen. Auch diese sind im Nachlass im Stadtarchiv Bietigheim einzusehen.

Zum Künstler Hermann Rombach

Hermann Rombach wurde 1890 in Böckingen bei Heilbronn geboren. Als Jugendlicher kam er mit seiner Familie nach Bietigheim. Ab 1909 studierte er an der Kunstakademie Stuttgart.

Als Maler stand er der Neuen Sachlichkeit nahe und erreichte in den 1920/30er-Jahren seinen künstlerischen Höhepunkt. Er war auch Illustrator und schrieb Kurzgeschichten.

1933 wurde er von den Nationalsozialisten aus seiner Stellung als Lehrer an der Höheren Fachschule für das Grafische Gewerbe Stuttgart gedrängt. Sein künstlerisches Werk war danach verändert, gefälliger. Er starb 1970 in Bietigheim-Bissingen

 
 
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