Interview mit Hochschul-Professor zur Greensill-Insolvenz „Die Sicherheit geht vor“

Von Mathias Schmid
Die Greensill-Bank im Fokus der Medien. Das eingeleitete Insolvenzverfahren bringt Kommunen in die Bredouille. ⇥ Foto: Sina Schuldt/dpa

Im Falle der insolventen Greensill-Bank sieht Hochschul-Dozent Walter Buttler eine Verantwortung bei den Kommunen, verweist aber auch auf fehlende Alternativen.

Wegen der Greensill-Insolvenz drohen Sachsenheim und dem Zweckverband Eichwald Verluste von insgesamt 3 Millionen Euro. Hätte man das Geld nicht bei der Privatbank anlegen dürfen? Walter Buttler, Professor für Kommunales, Wirtschaftsrecht und Kommunalabgabenrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg , meint im BZ-Interview: Viele Alternativen gebe es aktuell nicht.

Sind Sachsenheim und andere Kommunen ein zu hohes Risiko eingegangen?

Professor Walter Buttler: Die Greensill Bank AG ist eine Privatbank. Das heißt, die Absicherung von Geldeinlagen erfolgt in gesetzlich vorgeschriebener Höhe über die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) und darüber hinaus über den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken. Aber nach deren Statuten sind Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts nicht abgesichert. Insofern muss eine Stadt bei einer Anlage davon ausgehen, dass bei einer Insolvenz das angelegte Kapital verlorengeht.

Also ja?

In Paragraf 91 der Gemeindeordnung ist das Verwalten von Vermögen geregelt. Dort ist eindeutig gesagt, dass bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten ist und dann erst, dass diese einen angemessenen Ertrag erbringen sollen. Die Reihenfolge ist also klar: Die Sicherheit geht vor. Natürlich sollen Gemeinden Geld nicht brachliegen lassen, wenn sie es vorübergehend nicht liquide benötigen. Aber das darf nicht dazu führen, dass man die Sicherheit außer Acht lässt.

"Immer mit Risiken verbunden"

Sind Anlagen bei Privatbanken unsicher?

Für Privat-Personen nicht. Und auch bei den Kommunen darf man nicht so weit gehen, diese als von vorne herein unsicher auszuschließen. Ein großer Teil der deutschen Bankenlandschaft wird von Privatbanken seriös und zuverlässig abgedeckt. Eine mündelsichere Geldanlage, wie sie ohne Risiko aufgrund der Institutssicherung bei den Sparkassen und den Volks- & Raiffeisenbanken vorgenommen werden kann, wird vom Gesetzgeber nicht gefordert. Die Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen ist immer mit Risiken verbunden.

Die Kommunen berufen sich auf das ehemals gute Rating der Greensill-Bank (A minus). Wie bewerten Sie die Rolle von Rating-Agenturen?

Die Kreditinstitute werden von der Bafin kontrolliert und von Rating-Agenturen bewertet. Wer darauf achtet, auch eigene Recherchen anstellt, was im Zeitalter des Internets besonders leichtfällt, und seine Geldanlagen streut, um das Risiko zu minimieren, sollte den an die notwendige Sorgfalt gestellten Anforderungen gerecht geworden sein. Zulässig ist die Anlage von Tages-, Fest- und Kündigungsgeldern.

Wer trägt in den Gemeinden die Verantwortung für Geldanlagen?

Es ist Aufgabe der Gemeindekasse, die Kassenmittel zu verwalten. Das Liquiditäts-Management gehört zum Geschäft der laufenden Verwaltung. Damit liegt die Entscheidungskompetenz zunächst beim Bürgermeister. Alles Weitere regeln innerdienstliche Zuständigkeitsordnungen.

Sichere Anlagen gibt's aktuell "im Prinzip keine"

Was gäbe es denn für alternative Anlageformen?

Es gibt im Prinzip keine. Geld im Moment – ohne hohes Risiko – noch sinngebend anzulegen, ist eine Kunst, die praktisch keiner beherrscht. Und für eine Anlage Negativzinsen zu bezahlen ist natürlich auch nicht unbedingt die Alternative, die man wählen möchte. Was man den Kommunen vor einigen Jahren geöffnet hat, sind Investmentfonds. Aber auch das ist ein heikles Thema.

Warum?

Die Kämmerer haben gejammert, dass ihnen der Aktienmarkt nicht zugänglich ist. Deshalb hat man den Gemeinden zumindest erlaubt, Geld in Fonds anzulegen. Doch die Anlagen sind an Bedingungen geknüpft. Vor allem dürfen die Fonds maximal 30 Prozent Aktien enthalten, müssen auf Euro lauten und im EU-Raum verwaltet werden. Damit ist das Risiko nicht so hoch und die Fonds-Verwaltung in Hand von Profis und nicht in Händen von einzelnen Kämmerern.

Wäre das die bessere Alternative zu Greensill gewesen?

Die Fondsanteile unterliegen Kursschwankungen und sind damit riskant. Erlaubt ist eine solche Anlage deswegen nur für liquide Mittel, die innerhalb eines fünfjährigen Zeitraums nicht benötigt werden. Eine solche Geldanlage bedarf zudem der Zustimmung des Gemeinderats.

Dürfen Kommunen zumindest noch auf einen Teil ihres Geldes hoffen?

Bei der Pleite der Lehman-Bank 2008 konnten, so eine Literaturquelle, die Kunden der deutschen Tochtergesellschaft aus der Insolvenzmasse vollständig bedient werden. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben.

 

Mehr zum Thema: Bürgermeister Albrich spricht von "Betrug"

In der Greensill-Affäre, die 50 deutsche Kommunen betrifft, geraten auch Bürgermeister und Kämmerer unter Druck. Sachsenheim weist die Schuld auf BZ-Nachfrage von sich: „Haftungsansprüche gegen Handelnde sind nach einer internen Prüfung nicht erkennbar. Die Anlagen wurden nach den kommunalwirtschaftlichen Vorgaben getätigt“ und entsprachen den Richtlinien.

Konkret legte die Stadt, auch für den Eichwald, zwischen Februar und Mai 2020 insgesamt 3 Millionen Euro an. Damals war Greensill mit „A minus“ geratet. Das sei „in keiner Weise im spekulativen Bereich“. Das Rating wurde im Oktober 2020 auf „BBB+“ herabgestuft. „Auch dieses genügte aber immer noch den (…) geltenden Anlagerichtlinien“, betont Bürgermeister Holger Albrich. Deshalb habe „keine Veranlassung, an der Anlage etwas zu ändern“, bestanden. Und: Bis zum Insolvenzverfahren „gab es keine Zwischenschritte, bei denen man dann tatsächlich hätte aussteigen können oder sogar müssen“, so Albrich. Die Schließung sei nicht vorhersehbar gewesen.

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Die Stadt hat noch 16 Millionen Euro angelegt, der Zweckverband Eichwald 15 Millionen, auch bei Privatbanken. Die Anlagen sollen jetzt „noch intensiver und umfassender“ überwacht werden. Doch der Schultes betont: „Vor Betrug, wie er hier im Raum steht, ist niemand gefeit.“ Stadt und Zweckverband Eichwald bedienen sich mehrerer Finanzberater, unter anderem für Geldanlagen. „Die Finanzdienstleister werden nicht von uns bezahlt.“

 
 
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