Kirchheim Pfleger droht Abschiebung

Von Claudia Mocek
Pfleger Sedia Kijera wurde am Donnerstag von der Polizei an seinem Arbeitsplatz abgeholt. Foto: /Oliver Bürkle

Sedia Kijera aus Gambia sitzt nun in Polizeigewahrsam in Pforzheim.

Altenpfleger Sedia Kijera ist am Donnerstagvormittag von der Polizei aus dem Haus am Mühbach in Kirchheim abgeholt worden. Der Mann aus Gambia, der in Deutschland geduldet war, sollte abgeschoben werden. Laut seinem Anwalt Stefan Weidner weigerte sich der 28-Jährige jedoch, das Flugzeug zu besteigen, wurde in Karlsruhe einem Haftrichter vorgeführt und sitzt nun in Abschiebegewahrsam in Pforzheim. In dem Aufenthaltslager herrschten keine Haftbedingungen, er könne frei kommunizieren und Besuch empfangen.

„Rechtlich ist alles korrekt gelaufen“, sagte Weidner auf BZ-Anfrage. Jetzt habe er noch einige Wochen Zeit, um zu prüfen, ob zum Beispiel eine Härtefallregelung zum Tragen kommen könne. Noch kann Weidner nicht abschätzen, wie das Verfahren weitergeht. Doch einige Unterstützer hätten sich für den Mann aus Gambia eingesetzt, auf politischer Ebene sei zum Beispiel Justizministerin Marion Gentges von Landtagsabgeordneten angesprochen worden. Denn Kijera ist laut Weidner im Haus der Arbeiterwohlfahrt in Kirchheim sehr gut angesehen. Als ausgebildeter Pfleger sei er voll eingeplant worden und am Donnerstag aus der Frühschicht herausgeholt worden. Damit habe der Mann, der vor der Armut und Perspektivlosigkeit in seinem Heimatland geflohen sei, nicht gerechnet.

Abschiebung angedroht

Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, zuständig für die Abschiebungen im Land, erklärte auf BZ-Anfrage, dass es sich bei Kijera um einen abgelehnten Asylbewerber handelt. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe seinen im Jahr 2015 gestellten Asylantrag 2017 abgelehnt, ihn zur Ausreise aufgefordert und ihm für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung nach Gambia angedroht.

Einen Asylfolgeantrag aus dem Jahr 2020 habe das Bundesamt 2021 abgelehnt. Da Kijera die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise nicht genutzt habe, seien „aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen“. Aufgrund einer Verurteilung wegen des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, besteht für den Mann aus Gambia laut RP „keine Perspektive auf einen rechtmäßigen Aufenthalt“. Anwalt Weidner betonte aber, dass es sich im Fall von Kijera um Marihuana gehandelt habe. Er habe weder mit harten Drogen gehandelt, noch sei er gewalttätig geworden.

Laut RP sollte die Rückführung zum jetzigen Zeitpunkt erfolgen, weil zunächst Reisedokumente gefehlt hätten. Trotz Aufforderung habe Kijera nicht bei der Passbeschaffung mitgewirkt. Er sei zwei Mal zur Vorsprache bei einer gambischen Delegation zur Identitätsklärung vorgeladen worden, aber unentschuldigt nicht erschienen. Die Delegation befragt laut Weidner Menschen aus der westafrikanischen Region, um herauszufinden, ob sie aus Gambia oder dem Senegal kommen. Denn nur Gambier hätten die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Dass Kijera bei diesen Terminen unentschuldigt gefehlt habe, damit sei er „nicht gut beraten“ gewesen, sagte Weidner.

103 Abschiebungen im Kreis

Erst 2021 habe Kijeras Pass laut RP vorgelegen. Aufgrund der Corona-Beschränkungen habe der Versuch der Rückführung erst jetzt erfolgen können. Während Kijera gegen den ablehnenden Asylbescheid 2017 keine Rechtsmittel eingelegt habe, habe er 2021 gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Diese sei aber abgewiesen worden. Gegen die Abschiebung habe er am Donnerstag einen Eilrechtsschutzantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht, aber auch dieser sei abgelehnt worden.

Dass derzeit viele Gambier abgeschoben werden, erklärt Rechtsanwalt Stefan Weidner mit der Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Senegal. Gegen einen Koffer voller Geld habe er dort ein Abkommen geschlossen, dass das Land abgeschobene Geflüchtete zurücknimmt. Das sei in der Vergangenheit nicht so gewesen. Doch „es trifft oft die Falschen“, ist Weidner überzeugt. Denn es würden vor allem diejenigen abgeschoben, die ihre Identität transparent gemacht und zum Beispiel eine Ausbildung begonnen hätten. Diejenigen, die ihre Identität verschleierten, würde man nicht finden. Einzelfälle würden nicht geprüft, das sei zwar schön für die Statistik – aber keine Lösung. Kijera sei als Pfleger ausgebildet und spreche deutsch. Eine Abschiebung sei vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig in Mexiko Fachkräfte aus dem Pflegebereich angeworben würde, passe laut Weidner nicht zusammen und sei „nicht nachvollziehbar“. Darüber hinaus habe der Gambier, der an seiner Arbeitsstelle wohnt, auch keinen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft belegt.

Laut RP wurden im Kreis Ludwigsburg von Januar bis November 103 Abschiebungen vorgenommen. „Das sind schon sehr viele“, findet Weidner.

Claudia Mocek

 
 
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