Kreis Ludwigsburg Aggressivität gegen Pflege- und Rettungskräfte nimmt zu

Von Martin Hein
Auch die Rettungskräfte des DRK werden vermehrt am Einsatzort verbal angegangen. Foto: /Foto: Martin Kalb

Auch im Landkreis Ludwigsburg werden immer mehr Übergriffe auf Pflegepersonal und Rettungskräfte beobachtet. Der Personal wird entsprechend geschult.

Angriffe und Drohungen gegenüber Rettungssanitätern und Pflegepersonal in Berliner Krankenhäusern haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen (die BZ berichtete). 194 Fälle von Körperverletzungen und Übergriffen registrierte dort die Polizei im Vergangenen Jahr, deutlich mehr als 2022, da kam es zu 162 Übergriffen auf Pflegepersonal und Rettungskräfte in der Hauptstadt.

Auch in den Kliniken im Kreis Ludwigsburg wird Pflegepersonal immer wieder von Patienten verbal beleidigt, belästigt oder sogar körperlich angegangen. Die Rettungskräfte des ASB und DRK sind ebenfalls vermehrt solchen Vorfällen ausgesetzt.

Alexander Tsongas, Pressesprecher der RKH-Gesundheit bestätigt, dass es auch bei den RKH-Kliniken zu verbalen und körperlichen Übergriffen oder auch Beleidigungen bis hin zur sexuellen Belästigung gegenüber dem Pflegepersonal kommt. Tsongas räumt ein, dass es sich dabei um ein schwer fassbares Thema handele. Wie viele Vorfälle sich ereignen, könne man nicht genau sagen. Man habe keine belastbaren Zahlen, aber man habe die Problematik erkannt und arbeite derzeit an der Etablierung einer systematischen Erfassung.

Viele Vorfälle in der Notaufnahme

Solche Übergriffe ereignen sich laut Kliniken-Sprecher Tsongas hauptsächlich in der Notaufnahme, da diese die zentrale Anlaufstelle sei. Aber auch Stationen und i-Punkte seien davon betroffen. In manchen Fällen lassen die Patienten und Besucher ihren Unmut über die Öffnungszeiten und langen Wartezeiten an den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus, sagt Tsongas. Neben langen Wartezeiten spielen dabei auch Alkohol, Drogen, Sprachbarrieren sowie oft auch Respektlosigkeit gegenüber Frauen eine große Rolle. Tsongas sagt auf Nachfrage der BZ, dass nach den bisherigen Rückmeldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zahl der Übergriffe in den letzten Jahren gestiegen sei. Auf die Frage, ob sich die Vorfälle kategorisieren lassen, sagt der RKH-Sprecher, dass die Übergriffe von verbalen Beschimpfungen, Bespucken, Drohgebärden, sexuellen Äußerungen und Handgreiflichkeiten über körperliche Attacken wie Schlägen bis zu Angriffen mit einem Messer reichen. Überdurchschnittlich häufig sind Drogen- und Alkoholabhängige, Obdachlose, aber auch Personengruppen mit kulturellen Hintergründen übergriffig, so Tsongas.

Was tun, wenn eine Situation eskaliert? Wenn in einer akuten Situation der Sicherheitsdienst nicht ausreicht, beispielsweise wenn die Person im Ausnahmezustand ist oder hoch aggressiv wird, werde umgehend die Polizei hinzugezogen. Der Sicherheitsdienst habe zudem die Befugnis, einen Platzverweis auszusprechen. Bei Wiederholungstätern oder Extremfällen werde vom i-Punkt ein Hausverbot erteilt. Die Zentrale Notaufnahme dürfe im Notfall selbstverständlich trotzdem aufgesucht werden. Seitens der RKH-Klinken versucht man das Personal bestmöglich zu schützen.

Dazu gehören laut Tsongas ein externer und interner Sicherheitsdienst sowie Kameras, die zur Überwachung installiert wurden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es regelmäßige Deeskalationstrainings, für betroffene Mitarbeiter ein Sorgentelefon.

Mitarbeiter werden unterstützt

Die Psychiatrie und der Betriebsarzt starten in Kürze mit einem multiprofessionellen Kriseninterventionsteam, bei dem traumatisierte Mitarbeiter niederschwellig psychotherapeutische Hilfe finden. Darüber hinaus wird, so Tsongas weiter, derzeit ein runder Tisch bei Gewalt gegen Mitarbeiter ins Leben gerufen. Die dort teilnehmenden Bereiche erarbeiten ein Konzept, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und zu unterstützen.

Null-Toleranz-Strategie beim ASB

Auch Rettungsdienste sind oft Leidtragende von Übergriffen aller Art. Daniel Groß, Stellvertretender Landesgeschäftsführer des ASB, Landesrettungsdienstleiter und Regionalgeschäftsführer Region Ludwigsburg bestätigt, dass auch die Rettungskräfte des ASB oft Übergriffen ausgesetzt sind. Nach Angabe von Daniel Groß ereignen sich jährlich landesweit etwa fünf bis zehn tätliche Übergriffe auf Rettungskräfte des ASB.

Jeder Übergriff sei einer zu viel sagt Groß. Die Anzahl der Vorfälle sei seit Jahren konstant. Was jedoch extrem zunehme, seien verbale Übergriffe und verbale Bedrohungen gegen die Rettungskräfte. Der Respekt gegenüber den Einsatzkräften habe stark abgenommen, berichtet Groß aus Erfahrung. Situationen, in denen Rettungskräfte oft angegangen werden, seien beispielsweise, wenn der Rettungswagen im Einsatz vor einer Einfahrt oder Garage steht.

„Im Notfall zählt jede Minute“, so Groß, die Besatzung eines Rettungswagens habe in erster Linie das Wohl des Patienten im Blick, anstatt am Einsatzort noch zeitraubend einen Parkplatz zu suchen. Dafür, dass ein Rettungswagen im Einsatz eine Einfahrt für die Einsatzdauer versperrt, hätten die Menschen vor Jahren mehr Verständnis gehabt. Werden die Rettungskräfte in solchen Situationen angegangen, verfolgt man beim ASB eine so genannte Null-Toleranz-Strategie.

„Wir versuchen, solche Vorfälle alle zur Anzeige zu bringen und die Justiz hat ein hohes Verfolgungsinteresse“, sagt Daniel Groß. Beim ASB Ludwigsburg sind im Landkreis rund 280 Einsatzkräfte tätig.

„Erhöhtes Aggressionsverhalten“

Ein ähnliches Bild zeichnet Till Fröscher, Rettungsdienstleiter beim DRK-Kreisverband Ludwigsburg. Es sei durchaus so, dass man ein erhöhtes Aggressionsverhalten der Patienten und vor allem deren Angehörigen in der täglichen Arbeit verspüre.

„Unsere Mitarbeitenden haben sich jedoch auch an diesen rauen Zustand langsam gewöhnt, weshalb wir lediglich vereinzelt Fälle von schwereren Übergriffen offiziell gemeldet bekommen“, sagt Till Fröscher. Sollten Übergriffe gemeldet werden, würde man dies nach Rücksprache mit den betroffenen Mitarbeitern zur Anzeige bringen. Sollten Einsatzkräfte während eines Einsatzes angegriffen werden, werde die Leitstelle über Funk informiert, welche die Polizei umgehend alarmiere. Je nach Einsatzort treffe die Polizei innerhalb kurzer Zeit dann bei den Mitarbeitern vor Ort ein. Die DRK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben die Möglichkeit, an einem betriebsinternen Deeskalationstraining sowie einem Selbstverteidigungstraining teilzunehmen, so Fröscher. Diese Trainingseinheiten finden regelmäßig statt, sagt er.  

 
 
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