Kreis Ludwigsburg Dem Lehrermangel entgegenwirken

Von Jennifer Stahl
Quereinsteiger sollen es in Zukunft einfacher haben, den Lehrberuf zu ergreifen. Dabei soll eine Lösung für den Lehrermangel gefunden werden. Auch unterschiedliche Berufsbiografien werden als Vorteil gesehen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Quereinsteigern ins Lehramt soll der Einstieg erleichtert werden. Schulleiter plädieren jedoch dafür, den Beruf attraktiver zu gestalten und Anreize für die reguläre Ausbildung zu setzen.

Es gibt zu wenig Lehrer – das ist kein neues Problem. Oft gibt es Unterrichtsausfälle, Schulen müssen die Anzahl an Klassen reduzieren – das ist sowohl für Lehrer, als auch für die Schüler anstrengend und führt zu einer schlechteren Lernatmosphäre.

Doch Rettung naht, so scheint es zumindest: Die Bundesländer haben in vielen Regionen Reformen bei der Lehrerausbildung vereinbart. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat ein Reformpaket für die Lehrerbildung beschlossen, das auch eine stärkere Öffnung der Ausbildung für den Quereinstieg vorsieht. Künftig soll der Beruf demnach mit nur einem Studienfach ergriffen werden können, momentan müssen es noch mindestens zwei Fächer sein. Zudem befürworten die Länder in ihrem Beschluss als zusätzlichen Ausbildungsweg duale Lehramtsstudiengänge und ein Quereinstiegs-Masterstudium für Absolventen.

Verschiedene Biografien als Vorteil

Lehrkräfte aus dem Ausland sollen einerseits besser Fuß fassen können. Lehrer mit unterschiedlichen Bildungsbiografien seien darüber hinaus für die Schülerschaft eine Bereicherung. Die BZ hat in drei Schulen aus dem Kreis nachgefragt: Wie gut kann der Unterricht von Quereinsteiger sein? Und könnten Quereinsteiger das Problem des Lehrermangels lösen?

Wie Schulleiter Harald Schmitt von der Realschule im Aurain in Bietigheim-Bissingen erklärt, untergliedert sich der Direkteinstieg in zwei Phasen: „In den ersten zwei Jahren hospitieren die Quereinsteiger bei einem Mentor im Unterricht und beginnen bereits mit einigen Stunden eigenständigen Unterrichts.“ Das dritte Jahr ist dann ein Bewährungsjahr, oder die Bewerber bringen mehrjährige Berufserfahrung sowie einen Masterabschluss mit und absolvieren als Quereinsteiger ein Referendariat. Laut Schmitt bringen Quereinsteiger noch einmal eine andere Lebens- und Arbeitserfahrung mit und damit eine andere Perspektive. „Ihre Fachkenntnisse aus anderen Bereichen und vielfältige Lebenserfahrungen können für die Kollegen und für die Schüler bereichernd sein“, ist er sich sicher.

Masterstudium als Voraussetzung

Trotzdem sieht Schmitt es als sinnvoll an, dass der erfolgreiche Abschluss eines Masterstudiums die Voraussetzung für die Zulassung zu einem Referendariat bildet. „Das sind mindestens sechs Jahre, in denen man sein Fachwissen vertieft und umfassende pädagogische und methodisch-didaktische Fähigkeiten erwirbt, die einen dann qualifizieren.“ Langfristig solle man seiner Ansicht nach auf gut ausgebildete und professionelle Lehrkräfte setzen. „Quereinsteiger tragen dazu bei, den akuten Lehrermangel zu lindern und Engpässe zu überbrücken. ‚Naturtalente’ sind aber nicht die Regel und eine berufsbegleitende Unterstützung kann man nicht mit einem Masterstudiengang mit anschließendem Referendariat gleichsetzen.“

„Quereinsteiger müssen neben einer Weiterbildung auch eine pädagogische Eignungsprüfung ablegen und eine berufsbegleitende Ausbildung absolvieren, um erforderliche pädagogische Arbeit zu leisten“, ergänzt Andreas Schreiner, Schulleiter der Realschule Tamm. Wichtige Fähigkeiten seien die fachliche Kompetenz, dazu zählen pädagogische Fähigkeiten, praktische Erfahrungen sowie soziale und emotionale Kompetenzen. Als Vorteil von Quereinsteigern sieht auch er die vielfältigen Fachkenntnisse und beruflichen Vorerfahrungen an, die den Unterricht bereichern können.

Qualität könnte beeinträchtigt sein

Andererseits bestehe die Gefahr, dass bei mangelnder pädagogischer Ausbildung und Erfahrung die Qualität des Unterrichts beeinträchtigt wird. „Ich finde es grundsätzlich positiv, dass Quereinsteiger einfacher einsteigen können“, meint Schreiner. Allerdings sei es wichtig sicherzustellen, dass die Quereinsteiger angemessene Unterstützung und Weiterbildung erhalten, um effektive Pädagogen zu werden und den Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden. „Die Qualität der Bildung sollte dabei im Vordergrund stehen.“

Weiterbildung in einer Art Referendariat

Trotzdem ist es laut Schreiner unwahrscheinlich, dass auf diesem Weg das Problem des Lehrermangels gelöst wird. „Entscheidend ist, dass die Regierung auch langfristige Strategien zur Steigerung der Attraktivität des Lehrberufs und zur Förderung von Lehrerinnen und Lehrern im Alltag entwickelt“, sagt der Realschulleiter.

„Unser Beruf ist, ebenso wie andere Berufe, sehr fordernd und komplex. Die passende Weiterbildung muss in eine Art Referendariat münden, in dem sich die Quereinsteiger ausprobieren und beweisen können oder müssen“, sagt Bernhard Dietrich, Schulleiter der Gemeinschaftsschule am Sonnenfeld in Sachsenheim. Seiner Ansicht nach brauche es pädagogisch, didaktisch und wissenschaftlich sehr gute und hoch motivierte Lehrerinnen und Lehrer.

Impulse von außen können zwar gewinnbringend sein, „die gelungene Integration von Quereinsteigern in die Schule muss dort sehr gut vorbereitet sein, das kostet Zeit und Ressourcen“, gibt Dietrich zu bedenken.

Statt den Beruf des Lehrers attraktiver zu gestalten und Anreize zu setzen, sich in eine wohldurchdachte, wissenschaftliche und pädagogische Ausbildung zu begeben, werde suggeriert, dass der Beruf auch leicht mit Fortbildungen zu bewältigen sei. „Das ärgert mich“, sagt er, „auf der anderen Seite brauchen wir für die verfehlte Einstellungs- und Ausbildungspolitik der letzten Jahre Lösungen.“

 
 
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