Kreis Ludwigsburg Flug ins Ungewisse

Von John Patrick Mikisch
Schnell mal einen Joint durchziehen: Das ist nach dem Cannabis-Gesetz seit 1. April teilweise erlaubt. Doch viele Fragen sind nach wir vor ungeregelt und sorgen bei Behörden und Konsumenten für Unsicherheit. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Seit 1. April ist das Cannabis-Gesetz rechtskräftig. Doch bei der praktischen Umsetzung sind viele Fragen noch offen.

CanG – die vier Buchstaben stehen für das Cannabis-Gesetz. Nach jahrelangen Diskussionen zieht das am Montag in Kraft getretene Gesetz einen Schlussstrich unter die bisherige Drogenpolitik: Personen über 18 Jahre dürfen nun unter bestimmten Bedingungen legal Cannabis konsumieren und THC-haltige Hanfpflanzen anbauen. Welche Regeln dabei zu beachten sind, führt das CanG auf 50 Seiten aus, von Abstandsregeln in Fußgängerzonen bis zur Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigungen (Cannabis Social Club). Trotzdem sind viele praktische Fragen weiterhin offen.

Wer kontrolliert die Kiffer?

Das betrifft beispielsweise die Kontrolle des Konsums in der Öffentlichkeit. Der ist zwar erlaubt, in Fußgängerzonen allerdings nur von 20 bis 7 Uhr. Ansonsten nur außer Sichtweite oder mit mindestens 100 Meter Entfernung. Die Abstandsregelungen gelten generell in der Nähe von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und Sporteinrichtungen. Doch wer soll das eigentlich in den Städten und Gemeinden des Landkreis Ludwigsburg kontrollieren?

Die Stadt Bietigheim-Bissingen verweist auf BZ-Anfrage auf das Land Baden-Württemberg. Denn für die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes sind die Bundesländer zuständig. Bis die soweit sind, dürfte es allerdings noch etwas dauern.

Die Stadt Ludwigsburg geht allerdings davon aus, dass die Ordnungs- und Vollzugsdienste der Stadt nicht für die Kontrolle der Konsumenten zuständig sind. „Das wird wohl der Landespolizei obliegen“, sagt Heinz Mayer, Fachbereichsleiter Sicherheit und Ordnung der Stadt Ludwigsburg. Die Ordnungs- und Vollzugsdienste von Städten und Gemeinden würden voraussichtlich nur flankierende Funktion haben.

Konkret bedeutet das: Die kommunalen Ordnungshüter rufen die Polizei zur Hilfe, wenn ihnen ein möglicher Verstoß auffällt oder sie darauf hingewiesen werden. Das legten jedenfalls Informationen des Städtetags Baden-Württemberg nahe, sagt Heinz Mayer.

Polizei rechnet mit mehr Aufwand

Völlig unklar sei hingegen, wie sich die Cannabis-Legalisierung auf die polizeiliche Praxis auswirken werde, teilte das Polizeipräsidium Ludwigsburg mit. Da das Gesetz erst am 1. April in Kraft trat, könne die Polizei noch auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen, sagt Oberkommissarin Lena Oesterle vom Polizeipräsidium (PP) Ludwigsburg. Gleichwohl sei das PP auf die Teillegalisierung vorbereitet und stehe in engem Austausch mit anderen betroffenen Behörden und Organisationen.

„Durch die Überwachung von Konsumverbotszonen, die feingliedrige Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Umgang mit Cannabis sowie mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit“ rechne die Polizei mit deutlich mehr Aufwand. Das sieht auch das baden-württembergische Innenministerium so. „Im Endeffekt müssen die Kollegen vor Ort entscheiden, was erforderlich ist“, sagt Fabian Schmidt, stellvertretender Pressesprecher im Innenministerium. Im Einzelfall bedeute dies, dass die Beamte bei einem Verstoß telefonisch Rücksprache mit einer Staatsanwaltschaft halten müssten, um sich über das weitere Vorgehen abzustimmen, etwa bei einem Verstoß gegen das Abstandsgebot.

Dabei sei schon fraglich, wie etwa die gesetzlich vorgeschriebene 100-Meter-Grenze bei einer Schule zu messen sei. Nicht nur rein technisch, damit der Nachweis gerichtsfest sei. „Mit einer Laserpistole? Einem Zollstock? Handybildern?“, fragt Fabian Schmidt. Auch der Gesetzestext sei in dieser Hinsicht unscharf formuliert. „Gelten bei den 100 Metern die Luftlinie oder die Wegstrecke?“, fragt Schmidt weiter. Das aber mache Einzelentscheidungen anfechtbar. Es sei daher davon auszugehen, dass viele Fragen erst nach richterlichen Entscheidungen rechtssicher geklärt würden. „Das wird einige Jahre dauern“, vermutet Schmidt.

Mehr Verkehrsunfälle befürchtet

Sehr viel schneller werden sich die Folgen der Teillegalisierung hingegen im Straßenverkehr zeigen, vermutet Lena Oesterle vom Polizeipräsidium Ludwigsburg. „Wir erwarten einen Anstieg von berauschten Verkehrsteilnehmenden, schweren Verkehrsunfällen und Verunglückten“, sagt die Oberkommissarin. Sie kündigte entsprechende Kontrollen an.

Aktuell gilt noch ein Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Das Problem: Bei regelmäßigem Konsum ist THC noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Eine Expertenkommission schlägt daher die Anhebung auf 3,5 Nanogramm vor. Das ist allerdings umstritten.

Cannabis Clubs wollen loslegen

Während die einen noch diskutieren, sitzen die anderen schon in den Startlöchern. Bis zum 1. Juli können sogenannte Cannabis Social Clubs (CSC) eröffnen. Die Clubs sollen legal THC-haltigen Hanf anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. „Bei uns hat sich deswegen noch keiner gemeldet“, sagt zwar Heinz Mayer von der Stadt Ludwigsburg.

Doch Michael Tizzano und seine Mitstreiter sind schon tief in den Vorbereitungen für ihren CSC Ludwigsburg. „Es melden sich viele Interessenten“, sagt der Unternehmer. „Wir könnten mit 100 Mitgliedern an den Start gehen.“ Auch ein Clublokal sei schon vorhanden.

Aber auch bei den Clubs gibt es noch Klärungsbedarf. Etwa, wo sich ein Clublokal überhaupt befinden darf: in der Innenstadt, im Gewerbegebiet? „Das ist planungsrechtlich alles noch unklar“, sagt Sebastian Ritter vom Städtetag Baden-Württemberg. Auch welche Behörde für die Zulassung und Aufsicht der Clubs zuständig sein wird, sei noch nicht entschieden. Dem Vernehmen nach könnte sich jedoch eine Lösung auf Ebene der Regierungspräsidien abzeichnen.

Offen sind dafür andere ganz praktische Fragen. Etwa, woher die Clubs ihr Saatgut legal beziehen sollen. Das Hanfparadies Holland fällt dafür aus. „Dort ist die Abgabe von Joints zwar legal. „Alles andere aber nicht“, sagt Michael Tizzano.

 
 
- Anzeige -