Kreis Ludwigsburg Was darf der Tierarzt kosten?

Von John Patrick Mikisch
Matthias Heidrich betreibt mit seiner Frau Vanessa einen Privatstall in Sachsenheim. Foto: /Martin Kalb

Die Gebührensätze für Tierärzte sind deutlich erhöht worden. Das trifft vor allem Pferdebesitzer. Sie fordern eine teilweise Rücknahme.

Auf den Stallgassen und den Reiterstübchen im Kreis herrscht seit ein paar Monaten zuweilen dicke Luft. Denn seit einer Gesetzesänderung vor anderthalb Jahren galoppieren den Reitern die Behandlungskosten ihrer vierbeinigen Lieblinge davon. Der Dachverband des Reitsports, die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) will mit einer Petition eine teilweise Rücknahme der 2022 reformierten Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) erreichen. 132 000 Unterschriften hat die FN bis Mittwoch gesammelt. Unterschrieben haben nach BZ-Informationen auch mindestens 500 Pferdeleute aus dem Kreis.

Streitpunkt Hausbesuchsgebühr

„Für Pferdeleute ist die GOT-Erhöhung ein gewisses Problem“, sagt Dr. Werner Hildenbrand, Erster Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Ludwigsburg. Die Gebührensätze seien zum Teil deutlich gestiegen, gerade für Behandlungen außerhalb der normalen Arbeitszeit. „Da können Tierärzte nun bis zum Vierfachen des normalen Satzes verlangen“, sagt Hildenbrand.

Besonders umstritten bei Pferdeleuten: Die neue GOT hat eine Hausbesuchsgebühr eingeführt. Die war eigentlich dafür gedacht, Kleintierärzte für Patientenbesuche zu entlohnen. Sie gilt aber auch für Pferdetierärzte, die in der Regel sowieso eine Fahrpraxis betreiben. Sie bekommen für ihre Anfahrt Kilometergeld und gegebenenfalls eine Notdienstgebühr. Hinzu kommen jetzt 34,50 Euro (netto) Hausbesuchsgebühr.

Das Problem: Selbst wenn der Tierarzt nur eine Anfahrt zum Stall hat, muss er diese Gebühr für jedes Pferd einzeln in Rechnung stellen. Das leuchtet vielen Reitern nicht ein. Einfach weglassen können die Tierärzte die Gebühr jedoch nicht. Da die GOT eine Rechtsverordnung ist, würden sie damit einen Gesetzesbruch begehen und im schlimmsten Fall ihre Zulassung riskieren.

Teure Impfungen

Ebenfalls stark in der Kritik stehen die stark gestiegenen Impfkosten. Für Turnierpferde schreibt die FN halbjährlich eine Herpes- und eine Influenzaimpfung vor. Fielen dafür früher die Kosten für Injektion, Anfahrt und Impfstoff an, kommen jetzt noch Hausbesuchsgebühr und Beratung hinzu. Dadurch hätten sich Impfungen auf bis zu 200 Euro mehr als verdoppelt.

„Es gibt Turnierreiter, die mit ihren Tieren in die Pferdeklinik fahren, um Kosten zu sparen“, erzählt Matthias Heidrich. Er betreibt mit seiner Frau Vanessa in Sachsenheim die Reitanlage am Westenbachhof; sieben eigene und 23 Pensionspferde stehen dort. Zudem seien auch die allgemeinen Unterhaltskosten für Pferde wie Futter und Hufbeschlag stark gestiegen. Nicht zuletzt die FN habe die Startgebühren für Turnierreiter deutlich erhöht. „Das ist fast nicht mehr zu bezahlen“, sagt Heidrich.

Nachwuchssorgen

Dr. Friedrich Linder findet die Gebührenanhebung gerechtfertigt. „Es ist die erste Preisanpassung seit 23 Jahren. “, sagt der 67-Jährige. Seit 35 Jahren betreibt er die Tierarztpraxis Wilhelmshof in Bietigheim-Bissingen, die sowohl Pferde als auch Kleintiere behandelt.

Die Anhebung der Preise sei dringend nötig gewesen. Denn in der Tiermedizin gebe es erheblichen Nachwuchsmangel. „Durch die GOT-Anhebung können wir Tierärzte unsere Angestellten endlich besser bezahlen“, sagt Lindner. Und so zumindest teilweise wieder konkurrenzfähiger mit der Industrie werden. Die lockt den tiermedizinischen Nachwuchs nicht nur mit besseren Löhnen, sondern auch mit angenehmeren Arbeitszeiten. Denn für einen Job mit Not- und Wochenenddiensten sei es schwer genug, Berufseinsteigerinnen in der von Frauen dominierten Tiermedizin zu begeistern.

Dass Reiter nicht unbedingt zu den ärmsten Mitgliedern der Gesellschaft gehören, ist allgemeiner Konsens – wenn auch nicht zwangsläufig richtig. „Es gibt Pferdeverrückte, die sich das Pferd vom Mund absparen“, sagt Matthias Heidrich. Für die können größere Behandlungen beim Pferd nun existenziell werden. Dass jemand wegen gestiegener Kosten sein Pferd verkauft habe, habe er noch nicht gehört. „Reiter verzichten eher selbst aufs Essen, bevor sie bei ihrem Pferd sparen“, sagt Heidrich.

Bleiben Kinder auf der Strecke?

Für manche enden Reiterkarrieren jetzt aber auch schon, bevor sie richtig starten, wie Kerstin Wenz weiß. Sie führt in Sersheim den gleichnamigen Reitstall und bietet Reitunterricht auf vier Schulpferden und sieben -ponys an. Für die Argumente der Tierärzte hat sie durchaus Verständnis. Aber in der Praxis bedeuteten die gestiegenen Kosten, dass sie die Preise für den Reitunterricht anheben müsse. „Es haben Eltern deswegen schon Kinder vom Unterricht abgemeldet“, sagt sie.

Dr. Hildenbrand hat zudem eine andere Beobachtung gemacht: „Ältere Leute, die ihr Pferd verloren oder in Rente geschickt haben, schaffen sich kein neues mehr an.

Wenig Verständnis für die Petition der FN hat hingegen Jutta Haberer-Knodel. Sie ist im Vorstand des Reitvereins Römerhof-Oberriexingen und kennt beruflich auch die Tierarztseite. „Ich persönlich verstehe die FN nicht“, sagt sie. Diese sei gefragt worden, an der neuen GOT mitzuarbeiten, habe dies aber nicht getan. Die FN sieht sich hingegen vom zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerium ignoriert. Demnächst will die Reitsportorganisation die Petition an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben. Klar ist schon jetzt: Eine schnelle Lösung wird es nicht geben.

 
 
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