Leitungskontrolle im Kreis Ludwigsburg aus der Luft Fliegen unter Hochspannung

Von John Patrick Mikisch
Matthias Schuster fliegt seit fast 40 Jahren. Der Berufspilot der Meravo-Luftreederei kontrolliert für den Energieversorger Süwag Hochspannungsleitungen aus der Luft. Foto: John Patrick Mikisch

Der Energieversorger Süwag lässt seine Stromtrassen im Kreis Ludwigsburg per Helikopter auf Schäden untersuchen.

Manche Leute haben eine lange Leitung. Die von Matthias Schuster ist 492 Kilometer lang. Jedenfalls diese Woche. So groß ist nämlich das Hochleitungsnetz des Energieversorgers Süwag zwischen Pleidelsheim, Winnenden und Murrhardt. Schuster fliegt die Leitungen mit seinem AS-350-Helikopter ab, um sie auf Schäden zu kontrollieren – auf Sicht und mit nur wenigen Metern Abstand zu den 110 000-Volt-Trassen.

Nur so können seine beiden Passagiere ihren Job machen: Giacomo Nannavecchia und Timo Winkler sind Hochspannungsmonteure. In dem Dreierteam mit Schuster die Männer, die auf Leitungen starren. Stundenlang.

Männer, die auf Leitungen starren

„Auf Dauer ist das ziemlich anstrengend“, gibt Giacomo Nannavecchia zu. Deswegen wechselt er sich mit seinem Kollegen Timo Winkler alle paar Stunden ab. Der sitzt vor ihm links neben dem Piloten direkt hinter der großen Frontscheibe der Helikopterkanzel. Von dort hat er den besten Blick auf Leitungen und Masten.

„Jeder fünfte Mast hat eine Nummer“, erklärt Winkler. So lassen sich Schäden einfacher erfassen. Dafür ist gerade Giacomo Nannavecchia zuständig, der dokumentiert, was Winkler bei der Stromtrasse ins Auge fällt.

Achterbahn an Mast fünf

Momentan sieht man allerdings vor allem Raps im unteren rechten Seitenfensterausschnitt, oben dafür viel blauen Himmel und dazwischen die Ahnung des Albtraufs am Horizont. Irgendwo Richtung Winnenden liegt das Süwag-Umspannwerk, von dem das Team zu seinem Kontrollflug gestartet ist. Eben hatte Winkler noch Traverse Nummer fünf begutachtet. Jetzt fliegt Pilot Matthias Schuster eine scharfe Linkskurve um den Mast, lässt dazu den Hubschrauber leicht abkippen, bevor er ihn wieder nach oben zieht. Das ist ein bisschen wie in der Achterbahn: Der Magen hüpft nach oben und wieder zurück, das Herz tanzt fast im Takt der Rotorblätter, die als Schatten über die Dachverglasung huschen.

Dann geht es wieder an den Leitungen entlang, auf 20 Meter Höhe. Hügel rauf, Hügel runter. Mal mit mehr Speed und Kirmesfeeling, meistens aber mit gemütlichen 20 bis 30 Stundenkilometern. Zwischendurch steht der Hubschrauber fast in der Luft. Dann nimmt Timo Winkler eine Stelle genauer unter die Lupe, schaut Isolatoren und Befestigungen der Stromleiter an den Masten an, ob die Stromkabel selbst beschädigt sind. Und wie Bäume und Äste an die Trasse ragen „Deswegen fliegen wir die Leitungen im Frühjahr ab, wenn alles wieder wächst“, erklärt Giacomo Nannavecchia.

Grau sind alle Leitungen

Das allerdings nur alle zwei Jahre, im Wechsel mit einer Begehung am Boden. „Gute Stiefel und viel Wasser“ brauche man dazu, sagt Nannavecchia, wenn es querfeldein zu Fuß unter den Leitungen entlang gehe. Warm wird es aber auch in der Hubschrauberkanzel: Der Himmel ist fast wolkenfrei, die Sonne scheint. „Im Sommer kommt man hier schon ins Schwitzen“, sagt Nannavecchia.

Immerhin: Bei dem Wetter sind die Leitungen gut zu sehen. Diese bestehen aus einem Stahlkern, der mit einer Aluminiumhülle ummantelt ist. „Mit der Zeit wird diese grau“, sagt Nannavecchia. Bei trüben Himmel und Regen heben sich die Stromkabel daher nur schwer vom Hintergrund ab.

Schäden glitzern in der Sonne

Beschädigungen am Stromleiter sind aber leicht zu erkennen. „Dann ist die Alu-Schicht ab und der blanke Stahlkern zu sehen“, erläutert Nannavecchia. Hauptursache dafür, besonders in bewaldeten Gebieten: Jäger. „Meistens beschädigen abgeprallte Geschosse die Leitungen“, sagt der Monteur.

Jäger sind heute nicht zu sehen. Auch das Wildlife hält sich in Grenzen, der größte Vogel weit und breit ist der AS350. Der kann auch rückwärts fliegen und theoretisch sogar Saltos. Zum Süwag-Landeplatz geht es aber im Geradeausflug zurück. Dann setzt der Heli sanft auf dem gemähten Rasen auf, die Turbine kreischt noch kurz wie eine schlecht gelaunte Heavy-Metal-Band auf, bevor sie ausläuft. Dann ist Stille. Bis auf das Vogelgezwitscher. Und das Summen der Stromleitungen.

 
 
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